BAD SECTOR

CHRONOLAND

CD, 12 Tracks im Digipack
POWER AND STEEL

Nach dem eher ungewöhnlichen Album CMASA, ebenfalls bei Power and Steel erhältlich, und seiner Netzveröffentlichung QUATERNION, erscheint nun mit CHRONOLAND das neueste reguläre Album des italienischen Ausnahmekünstlers Massimo Magrini. Einer Erscheinung inmitten des breit aufgestellten Dark Ambient-Bereiches, die es immer wieder schafft durch Eigenständigkeit und Komplexität Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So auch auf dieser sehr stilvoll-minimalistisch verpackten CD. Der Titel CHRONOLAND wird durch die doch obskure Betitelung der einzelnen Stücke unterstrichen. Jeder der 12 Tracks trägt einen Zeitstempel, und zwar sekundengenau, mit Zeitzone und einem kurzen Substantiv, z. B. der erste: „1969-11-12T10:41:11+01:00 – ROOMS“. Auch der breit gewählte Zeitraum von 1969 bis 2006 lässt Interpretation zu. Eine kurze Recherche im Internet zu ein paar der genannten Zeitpunkte ergab aber nichts.

Selten wurde der Konsument mit so konkreten Angaben völlig orientierungslos seinen eigenen Gedanken überlassen - vielleicht versteckt sich dahinter aber auch ein für Magrini greifbarer Sinn, durch die Sperrigkeit und stille Kompromisslosigkeit seiner Werke liegt es nahe, einen tief subjektiven Anspruch an das eigene Werk zu vermuten.

Doch mehr zum musikalischen Eindruck: der Tonträger ist mit 12 Stücken bei nicht ganz 46 Minuten „szene-untypisch“ fragmentiert - bedienen sich moderne Ambient-Künstler doch eher langer und sich langsam entwickelnder Flächen, um Stimmung zu erzeugen. Böse Zungen behaupten, weil sie es kompakter nicht schaffen... Nicht so BAD SECTOR, selbst die einzelnen Stücke sind noch stark in einzelne Strukturen unterteilt und durch eine scharfe, kalt-digitale Produktion auch zu jeder Sekunde sofort in vielerlei unterschiedlichste Geräusche auflösbar. Hier kommen auch auffallend viele Samples, Field Recordings oder gar akustische Instrumente zum Einsatz. Durch diese erhöhte Komplexität in kurzer Zeit verliert sich auch das ambientige Gleiten und PassivHören, das dieser Musiksparte häufig als Intention diente. Zumindest ersteres.

Magrinis neuestes Werk verlangt ein äußerst waches und geschultes Gehör um wirklich erfasst zu werden: hier geht es nicht um assoziatives Kopfkino auf der Wohnzimmercouch, sondern um eine gezielte Auseinandersetzung mit den Tönen und den hervorgerufenen Emotionen. Die Bandbreite, die hier abgedeckt wird, ist ebenfalls wunderbar vielschichtig, so liegen Licht und Dunkel nur wenige Takte voneinander getrennt und werden meist übergangslos auf den Zuhörer abgeschossen.

Ein gutes Beispiel für den seltenen Moment, in dem die bewußte Heterogenität einer Veröffentlichung positiv heraus zu heben ist.

Überhaupt ist diese CD von allerhöchster Qualität, vermutlich BAD SECTORS bisher schwierigste und kantigste Veröffentlichung - der geneigte und vor allem geschulte Hörer sollte dieses Erlebnis aber gerade deswegen keinesfalls verpassen.

Daniel Novak