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An Ecology Of Mind.
A Daughter’s Portrait Of Gregory Bateson
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Anbieter: Mindjazz Pictures
Regie, Drehbuch, Erzähler: Nora Bateson
Schnitt: David Sieburg
Kamera: Eric Thiermann et al.
Ton: Englisch (Dolby Digital 2.0), deutsche Untertitel
Bildformat: 1.77:1 (16:9)
Länge: 60 Min.
Freigabe: 0 Jahre
Gregory Bateson (1904-1980) war wohl einer der vielseitigsten
Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts: Anthropologie, Biologie, Kybernetik,
Philosophie, Erkenntnistheorie und Ökologie sind nur einige der Bereiche,
die seine Schriften berühren. Neben seinem Anspruch alle diese Komplexe
zu durchdringen, tritt seine Vorstellung diese auch in ein gemeinsames
System zu überführen. Bateson war ein Denker der Synthese –
Wissenschaft behandelte er nicht disziplinär, sondern ganzheitlich,
stets auf der Suche nach den Verbindungen zwischen Natur und Kultur oder
System und Subjekt. Seine Tochter Nora Bateson hat ihm mit „An Ecology
of Mind“ (2011) ein filmisches Portrait gewidmet, mit dem sie sich
dem Denken ihres Vaters nähern will. Der Titel des Films bezieht
sich auf ein Buch, das Bateson 1972 unter dem Titel „Steps to an
Ecology of Mind“ veröffentlicht hat.
Mit der Idee sich dem eigenen Vater und dessen wissenschaftlichem
Vermächtnis durch den Sucher einer Kamera zu näheren und diesen
Prozess dokumentarisch festzuhalten, steht Nora Bateson nicht ganz alleine.
So hatte sich der amerikanische Rockmusiker Mark Oliver Everett (Sänger
der Band Eels), mit der für die BBC produzierten Dokumentation „Parallel
World, Parallel Lives“, auf eine Spurensuche nach seinem verstorbenen
Vater Hugh Everett begeben. Dieser war Quantenphysiker und genau wie Gregory
Batson nicht unumstritten auf seinem Gebiet gewesen. Ist es also die Sorge
um das Vermächtnis, der Wunsch zur nachträglichen Würdigung
der akademischen Leistung, die zur Triebfeder dieser Projekte wurde? Im
Falle von Nora Batesons Film „An Ecology of Mind“ scheint
dies nicht ganz abwegig zu sein: In der meditativen Grundstimmung kommen
ausschließlich Weggefährten zu Wort und mit einfühlsamer
Stimme, gefälligem Soundtrack und kitschigen Zwischenanimation wird
jegliche Kritik kategorisch ausgeschlossen. Der Film ist zwar logisch
strukturiert, gliedert die Arbeiten Batesons in nachvollziehbare Kapitel,
behandelt sein anthropologisches, sein ökologisches wie auch sein
epistemologisches Werk in einzelnen Kapiteln, vergisst jedoch an seinem
systemischen Grundansatz Kritik zu üben. Dass sich Batesons kybernetisch
inspiriertes Denken in einen historisch spezifischen Diskurs einordnen
lässt, der nach dem Zweiten Weltkrieg in verschiedensten Ausprägungen
auftritt, fehlt hier. Auch wird seine Teilnahme an den sog. Macy Conferences
(1946-1953) als freier Austausch zwischen Künstlern und Wissenschaftlern
beschrieben, was deren Nähe zu der amerikanischen Sicherheitspolitik
im beginnenden Kalten Krieg verschweigt, wie dies der Essayfilm „Das
Netz“ (2005) von Lutz Dammbeck eindrucksvoll gezeigt hat.
Trotz dieser sehr subjektiven Herangehensweise, die
ein Portrait ohne Tiefen und ohne kritische Worte zeichnet, ist „An
Ecology of Mind“ durchaus sehenswert. In verdichteter Form präsentieren
die Interview-Ausschnitte einen konzisen Einblick in das Denken Batesons.
Vor allem die Interview-Passagen mit ihm selbst, sowie einige erhaltene
Ausschnitte aus seinen Vorlesungen dokumentieren seinen Ansatz und seine
Neigung zum beispielgestützten Erklären. Das Label Mindjazz
Pictures hat diesen Film mit einer schönen Veröffentlichung
gewidmet, die mit einem Booklet ausgestattet ist, das Texte von Wolfram
Lutterer und Nora Bateson enthält.
Patrick Kilian
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