XIU XIU

Dear God, I Hate Myself

BESTELLEN

Format: CD, LP Label: Kill Rock Stars Veröffentlichung: 2010

Bei Xiu Xiu handelt es sich nicht um eine konventionelle Band mit festen Mitgliedern und eingespielter Rollenverteilung, sondern eher um ein loses Musikerkollektiv um das einzig feste Mitglied Jamie Stewart. In der aktuellen Veröffentlichung Dear God, I Hate Myself wird er hauptsächlich von Angela Seo unterstützt, zu der jedoch noch weitere Gastmusiker dazu stoßen, die bei einzelnen Stücken mitwirken. Herz von Xiu Xiu ist jedoch unumstritten Multiinstrumentalist Stewart, der das Album unter anderem mit Gitarre, Banjo, Harmonium und einer Vielzahl von Percussions und Synths instrumentiert. Musikalisch bewegen sich die Stücke zwischen Post-Punk, Wave und Experimental und werden in ihrer Heterogenität vor allem durch Stewarts gehauchten Gesang zusammengehalten.

Besonders auffällig für das ganze Album ist die Stilvielfalt, nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der einzelnen Titel, in denen akustische Folkpassagen mit fast rave-artigen Electro Elementen und Noisecollagen kombiniert werden. Trotz dieser waghalsigen Verknüpfung vollkommen verschiedener Stile und Stimmungen ist es gelungen Dear God, I Hate Myself als aus einem Stück gegossen erscheinen zu lassen. Der teils stark von Morrissey inspirierte Gesang verbindet die Stücke und verpasst ihnen den für Xiu Xiu typischen Charakter einer schräg anmutenden Fragilität. Die Brüchigkeit der Songs wird auch durch die Texte unterstützt, in denen Stewart Depression, Selbsthass oder auch unerfüllte Liebe besingt. Teils geschieht dies in einer betont naiven Sprache und Metaphorik, wie im Titelsong, indem in der Zeile „and i will always be nicer to the cat, than i am to you“ eine Art soziale Unsicherheit in einfachsten Worten reflektiert wird. Auch im Song chocolate makes you happy in dem Bulimie als Chiffre für eine tiefe Verachtung des eigenen Ichs gesetzt wird, verwenden Xiu Xiu ein Paradigma der heutigen Jugendgeneration. Dies verpackt die Botschaften so in einer Art und Weise, die ihrerseits ebenso für Unsicherheit und mit Selbstablehnung verbundenen Findungsprozessen steht.

Was auf den ersten Blick befremdlich wirken kann, entwickelt sich bei mehrfachem Hören zu einem sowohl musikalisch als auch lyrisch großartigen Album, das es versteht über ein bloßes Nebeneinander der verwendeten Stile hinwegzukommen, und eine neue Synthese aus Bisherigem zu schaffen. In der schlichten schwarz/weiß Gestaltung der Platte, die auf der Frontseite Stewarts Portrait zeigt, verdichtet sich die gesamte Melancholie des Albums noch einmal, die dann durch denn plakativen, ja fast kitschigen Titel Dear God, I Hate Myself konterkariert wird. Dies steht symbolisch für die Vielschichtigkeit der ganzen Platte und deren mehrdimensionalen Codierung die sich einer einfachen Bewertung verwehrt.

Patrick Kilian