WOLFBRIGADE

DAMNED

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LP, 12 Tracks Southern Lord

„a dose of life
twist the knife
and make it count“

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass jede Band, sei es nun Punk, Metal oder irgendwas mit Core am Ende, die eine gewisse Grenze an Gebrüll und Gebolze überschreitet, sich schnell in einen Dunst begibt, der ganz fürchterlich nach Pubertät und Narzissmus riecht. Und je älter eine Gruppe, wird desto gekünstelter wirkt das Ganze, denn die meisten etablierten Musiker sind schlichtweg gar nicht mehr wütend genug –sondern saturierte alte Herrschaften. Das genaue Gegenteil kann man auf WOLFBRIGADEs letztem Album DAMNED vernehmen: Alte Schweden, im eigentlichen Wortsinne, die einer semi-provokanten und wohlstandsfrustrierten Jugend noch einmal erklären, was es heißt vor Wut zu schäumen und dabei musikalisch alles kurz und klein zu hauen.

WOLFBRIGADE stehen seit 1995 (damals noch als WOLFPACK) für kompromisslosen Crust schwedischer Art, häufig auch als D-Beat bezeichnet, der grimmig und ohne Schnörkel vor sich hin rollt. Auf den beiden letzten Veröffentlichung der Jungs waren allerdings deutliche Ermüdungserscheinungen zu vernehmen: Während ihr 2003er Klassiker IN DARKNESS YOU FEEL NO REGRETS zur Speerspitze des Frustschrei-Punks gehört, wurde es danach zunehmend müder und dünner, auch waren die Produktionen unangenehm glatt und modern. So verwundert es umso mehr, dass dieses neue Album auf Greg Andersons (u.a. SUNN O)))) Qualitätslabel Southern Lord erschien. Noch mehr überrascht die Tatsache, dass dieses Album so frisch und unverbraucht klingt, als hätten sich soeben ein paar frustrierte Jugendliche im Proberaum getroffen. Oder nicht ganz, denn noch etwas fällt auf: und zwar wie gnadenlos erwachsene Frustration klingt. Offensichtlich vergehen einem nach fast 20 Jahren der Humor und der pubertäre Überschwang. So wirkt das Album diszipliniert und versiert auf den Punkt gebracht. Kein Intro, kein Gerede: Schon die ersten Takte fallen mit der Tür ins Haus und klingen eher nach Ardennenschlacht denn nach G8-Gipfel-Gegendemo. Unaufhaltsam wälzt sich diese Wand nicht ganz 35 Minuten lang durch die Gehörgänge, am ehesten vergleichbar mit der traumhaften Passage in Marjan Satrapis Comicverfilmung „Persepolis“, in der die Protagonistin erstmals ein Punkkonzert besucht und nach anfänglicher Skepsis ob des infernalischen Lärms irgendwann völlig in der Musik aufgeht. So ungefähr.
Besonders herausgestellt sei an dieser Stelle die Stimme des „Sängers“ Micke Dahl; aus voller Kehle wird gebrüllt, vergleichbar mit einem sehr heftigen und lauten Streit – man hat regelrecht das Gefühl, Micke würde einen persönlich für all sein Ungemach verantwortlich machen. Die Texte, die einfach gehalten und meist sehr knapp sind, ergeben ein vergleichbares Bild. Man gibt sich nicht mehr der Illusion hin, es besser zu wissen oder die richtige Antwort parat zu haben; stattdessen dominieren unreflektierte Wut und desillusionierter Schmerz.

Genug geschwärmt: Für alle Erwachsenen, die sich nicht zu schade sind zuzugeben, dass Zurückhaltung bisweilen einfach bremst, ist das neue WOLFBRIGADE Album ein kleines fieses Meisterwerk, das die Herren Musiker mit einem Paukenschlag zurück in den Crust-Olymp katapultiert.

Daniel Novak