War of the Worlds / Krieg der Welten

von Steven Spielberg (2005)

*

E.T. ist tot!

Amerika ist grau und olivgrün, türkis und rot. Und in Amerika gibt es keine Helden mehr. Die, die es sein sollten, sind verwirrt und hiflos. Die, die es sein wollen, scheitern an der schieren Übermacht der Ereignisse. Kinder sind erwachsener und intelligenter als ihre Eltern, Väter (Tom Cruise) verstecken sich aus Angst vor Blitzen unter Tischen. Der gesunde Menschenverstand der Landbevölkerung (Tim Robbins) erschöpft sich in wahnsinnigen und unausführbaren Plänen. Amerika ist keine Heimat mehr, sondern ein Land, dessen Bewohner nur noch in einer aussichtslos anmutenden Fluchtbewegung herumirren können.

In Spielbergs Amerika werden keine Geschichten erzählt, weil es niemanden mehr gibt, der Geschichte schreiben könnte.
Jeder Anflug einer Human-Touch-Story wird im Keim erstickt. Emotional gesehen, besteht War of the Worlds aus einer endlosen Kette von coiti interrupti (oder wie die Mehrzahl von coitus interruptus auch immer lauten mag). Die mögliche Boy-Meets-Girl-Story endet abrupt mit der Pulverisierung der potentiell Angehimmelten. Der Sohn versucht Menschen an Bord einer Fähre zu helfen (nicht einmal das darf Tom Cruise mehr, er steht nur staunend beobachtend da), doch kurz darauf wird das Schiff versenkt. Es gibt, trotz der offensichtlichen ästhetischen Anspielung, keine Titanic-ähnlichen Bilder mit dem Ertrinken kämpfender Menschen. Der Film eilt weiter. Die Armee fährt zum Schlachtfeld und was nach kürzester Zeit zurückkommt, sind nur ausgebrannte Jeeps. Eine Journalistencrew macht sich schnellstens aus dem Staub (im wahrsten Sinne des Wortes), als sie Rays Geschichte für nicht nachrichtenwürdig befindet und Nachrichten mittlerweile sowieso wertlos sind. Und die erschreckend schlechte schauspielerische Leistung der Darstellerin der Reporterin mag sogar beabsichtigt gewesen sein, so mühsam bedient sie jedes Klischee von Hektik und Überdrehtheit. Selbst die Tötungs- und Verwertungsmaschinerie der Aliens, die den Menschen das Blut aussaugen und es über das Land versprühen, bis die gesamte Erde rot ist, wird nicht erklärt. Es wird nicht einmal ein Erklärungsversuch von Seiten der Filmfiguren unternommen.

Spielberg beweist eindrucksvoll, dass Kino weitaus mehr ist, als eine gute Geschichte gut zu erzählen. Ferner, dass sich das Kino der Reduktion weder in willkürlichen Regeln erschöpfen noch der Antipode zum Kino der Opulenz sein muss. Spielberg hat nur eine Regel: Mach nichts, was andere vor Dir gemacht haben. D.h. keine brennenden Hauptstädte, keine multikulturelle Rettungstruppe, die sich aufgrund unglaubwürdig erscheinender Zufälle zusammenfindet, keine martialische Schlachtrede, kein durch die Katastrophe evoziertes Gemeinschaftsgefühl etc. etc. - War of the Worlds ist die Antithese zu Emmerichs Independence Day und deklassiert Letzeren als einen ambitionierten Schülerfilm.

Selten war Science-Fiction-Kino in Hollywood derart erwachsen. Nichts wird erklärt, es gibt kaum comic reliefs (Ausnahme Zitat Sohn: „Sind das Terroristen?“ - Ray: „Nein, die kommen von viel, viel weiter weg.“ Sohn: „Meinst Du Europa?“). Und natürlich hat der 11.9. seine Spuren hinterlassen - in der Atmosphäre des Films wie auch in dessen Bildern: die überraschend getroffenen Opfer, von denen nichts Organisches mehr übrigbleibt, nur schwebende Asche, die staubbedeckten Menschen, die Stoff- oder Papierfetzen, die vom Himmel rieseln, der Verlust von Farben, die Atem- und Hilflosigkeit, das nur Zusehen oder Weglaufen können, Erstarrung oder Flucht. Aber auch der Zwang zum Hinsehen, der keineswegs zum Verständnis beiträgt und manchmal nur dadurch gebannt werden kann, dass man sinnlose Bilderverbote verhängt. Beim 11.9. waren das die für das Fernsehen gepixelten Bilder der aus dem World Trade Center stürzenden Körper, bei Spielberg sind es Hände, die Köpfe vom Grauen wegdrehen, Augenbinden oder eine von Tom Cruise vorgetragene holperige Version von Little Deuce Coup - das ist die Antithese zum Soundtrack zum Untergang, zu dem der schrecklich pathetische Enya-Song bereits Stunden nach dem Einsturz der Twin Towers erklärt wurde. Dort sollte Musik erhöhen, das bereits Unerträgliche der Bilder in Tränen münden lassen, hier macht sie Angst und tut weh, selbst wenn das Publikum lacht.

Natürlich sind die Special Effects und das Sound-Design auch in diesem Film von erlesener Qualität und Schönheit und beeindrucken mit Perfektion. Nur, dass man eben schnell vergisst, dass es sich um Special Effects handelt - alles ist erstaunlich schwer, wuchtig und langsam, erscheint oft eher mechanisch-melancholisch als digital-hektisch und hat Momente von Jeunet/ Caro oder Gilliam.

Das Grauen hat hier seine eigene, manchmal zeitlupenartige Geschwindigkeit. Als Rays Tochter auf einen Fluss starrt, schwimmt langsam eine graue Leiche vorbei, es vergehen Sekunden und erst dann folgt ein träge dahin treibender Strom unzähliger Körper. Diese Langsamkeit wird nur selten konterkariert, wenn beispielsweise an einem Bahnübergang die Schranken niedergehen und ein Zug an den wartenden Menschen vorbeirast, ein Zug, in dem es keine Passagiere mehr geben kann, aus dessen Fenstern Flammen emporlodern. Selbst an dieser Stelle erspart Spielberg den Blick auf Close Ups von entsetzten Gesichtern. Der Schock und Schreck bleibt dem Zuschauer überlassen und wird nicht auf der Leinwand gespiegelt - es gibt keinen Trost durch Identifikation. Wir sind allein mit den Bildern. Über dem ganzen Film hängt eine Wolke von Traurigkeit, die es im amerikanischen Kino so seit Laughtons Night of the Hunter kaum gegeben hat. Wie Laughton zelebriert Spielberg die Flucht durch ein beschwertes, traumatisiertes und desolates Land.

Die monströse Bedrohung durch die Aliens ruft das Monströse im Menschen hervor. Als der vermeintliche Retter Rays und dessen Tochter sich als untragbare Bedrohung für deren Sicherheit erweist, verbindet Ray ihr mit einem schwarzen Tuch die Augen und trägt ihr auf, ein Schlaflied zu singen und sich die Ohren zuzuhalten. Ray begibt sich in einen Nebenraum, in dem der „Retter“ einen Tunnel in die Stadt gräbt. Und während er diesen tötet, zeigt die Kamera das weinende, singende Mädchen. Der Akt des kalten, überlegten Tötens gewinnt so an Grausamkeit, wie auch gleichzeitig seine Notwendigkeit mit der Illustration durch das hilflose, kleine Mädchen motiviert wird. Hitchcock hat dies ähnlich bereits in Frenzy umgesetzt. In War of the Worlds aber ist die menschliche Monstrosität erschöpft und müde geworden. Wie alle anderen Themen wird auch dieses nur lapidar und kurz angerissen und dann schnell wieder fallen gelassen.

Am Ende versucht ein sterbendes Alien (eine Mischung aus Teletubby und Giger-Alien) mühsam aus dem zerstörten Tripod zu krabbeln. Es streckt seine Hand langsam aus, den langen Finger auf die Zuschauenden gerichtet. Ein Soldat hebt die schlaffe Hand mit dem Gewehr an, nur um festzustellen, dass E.T. eindeutig krepiert ist. Warum kann und sollte man bei H.G. Wells detailliert nachlesen.

Sicherlich setzt dieser Film Zäsuren im Hollywood-Event-Kino und lässt die digitalen Effekt-Blockbuster der 1990er weitgehend als primitives Spektakelkino erscheinen. Ohne mystischen Ballast wie in The Matrix, Star Wars oder The Lord of the Rings hat Spielberg einen inhaltlich wie ästhetisch anspruchsvollen (wenn man die Zeichen denn erkennen will) und hochintelligenten Film geschaffen. Selbst das 'Happy End’ erschöpft sich nicht in der Zusammenführung der Kernfamilie. Die Krise hat nicht zur Katharsis des Helden geführt. Zwar umarmt der Sohn seinen Vater, doch die Mutter bleibt beim neuen Mann, und Ray steht allein auf der Straße, während Amerika in Schutt und Asche versunken ist. Und Ray, so haben wir ihn kennen gelernt, wird nun kaum die Ärmel aufkrempeln und beim Neuaufbau helfen.

Andreas Jahn-Sudmann