Waldteufel

Rauhnacht

CD, 6 Tracks

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Sanguis

(Beta-Lactam Ring Records) CD, 7 Tracks


Waldteufel gehören weiterhin zur Avantgarde des NeoFolk, was dieses Re-Release der 2005er Veröffentlichung „Rauhnacht“ zeigt. In merkwürdigen, sperrigen Konstruktionen findet sich ein Gemisch wieder, das einerseits auf die üblichen NeoFolk-Zutaten setzt, auf der anderen Seite aber einen ganz eigenen, neuen Zugang ermöglicht. So ist auch auf „Rauhnacht“ wieder Kollagenartiges zu hören: Es klingt als habe Markus Wolff Stücke von Sturmpercht oder Darkwood auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Etwas disharmonisch, dysfunktional, wollen die Stücke nicht wirklich mit dem Begriff „Liedgut“ zusammenfallen, sie sind rezitativer, meditativer Natur. Dazu gibt es Gedichte zu hören, die allesamt aus dem konservativen Umfeld des frühen 20. Jahrhunderts stammen, Dichter, deren Namen heute größtenteils vergessen sind. Auch hier leistet Markus Wolff wichtigeres als viele NeoFolk-Formationen, die meist nur mit Ernst Jünger oder Oswald Spengler vertraut sind, sich in fast schon ermüdender Weise immer wieder auf diese beiden beziehen – Markus Wolff gräbt tiefer, ein nach Amerika Ausgewanderter muss den Deutschen ihre eigenen Dichter wieder näher bringen. Zudem scheint immer ein verschmitztes Grinsen in den Stücken zu liegen, das Pathos wird durch den Schalk gebrochen, was besonders im Rock-Arrangement mit E-Gitarre bei „Hexe Hild“ noch gesteigert wird. Dennoch überwiegt der archaisch, rituelle Charakter, der in dem Naturgeräusch-Industrial von „Ur-Odin“ gipfelt. Waldteufel dürften nach wie vor zu uneingängig, zu abweisend sein, um bei Anhängern des Lagerfeuer-NeoFolk Erfolg zu haben, wer jedoch erfahren will, wie man den NeoFolk zerhäxselt und wieder zusammensetzt, um seine Bestandteile genüsslich aufzulösen, die dann jedoch in einer ganz eigenen Mystik wieder zusammen finden, wird bei der „Rauhnacht“ auf den wirkliche Avantgarde-Gedanken der Szene stoßen.

Einheitlicher, eingängiger als noch die „Rauhnacht“ ist das neuste Album „Sanguis“ von Waldteufel ausgefallen. Die Stücke fließen ineinander und Markus Wolff scheint ein wenig mehr in seinem ureigenen Sound gefestig, der sich immer noch aus der Mystik, Archaik und diesem wundervollen Troll-Charme zusammensetzt, aber diesmal wie Der Blutharsch zurück zum Rock findet: Die Befreiung vom NeoFolk durch die E-Gitarre. War es früher genau die entgegengesetzte Bewegung (das akustische des Folk wider überbordende Rock-Arrangements, das Minimalistische wider exzessive Gitarren-Soli), so greifen Waldteufel nach Argine, Ostara, Lady Morphia und eben Der Blutharsch ebenfalls zur E-Gitarre. So fügen gleich drei Lieder die rauen Elemente dem Folkloristischen hinzu, geben sich recht stürmisch und erinneren an „Hexe Hild“ von „Rauhnacht“. „Sanguis“ zunächst, dann „Kupferwut“ – Anklänge an Bathory zu „Hammerheart“-Zeiten, inklusive dem etwas schiefen Gesang, dem man Diletantismus unterstellen, aber eben auch Herzblut, Intensität, Authentitzität anerkennen kann. Der Gitarrist von Northman steuert die rauschigen Gitarren-Riffs bei, und nicht ganz unähnlich diesem Projekt, dass sich besonders durch das hervorragende Stück „Son of the North“ von der „Forseti Lebt“-Compilation einen Namen gemacht hat, klingen auch Waldteufel in diesen Abschnitten von „Sanguis“. Dazu mischt sich aber eben nicht die klassische Rock-Besetzung mit Schlagzeug und E-Bass, sondern die Gitarre muss sich in das Folk-Umfeld einfügen, verstärkt durch die extreme Rohheit der Abmischung den naturalistischen Klang – der Widerspruch löst sich im Gesamtbild auf. Weiterhing gibt es auch das Rituelle auf „Sanguis“, wie ein alter, vergessener Brauch klingen die „typischen“ Waldteufel-Stücke, das Walpurgisnachthafte, das schon Faust suchte ist die Domäne von Markus Wolff – großartig. Chöre, wie sie auch Orplid immer wieder gerne verwenden ergänzen sich mit dem hözernen Klang, der seit der ersten 7“ gepflegt wird. Das Wacklige und Unausgegorene des Debüts „Heimliches Deutschland“, die Aneinandereihung von Samples – das findet sich nicht auf diesem zweiten Full-length-Album. Mit diesem Rausch des Blutes, gehalten in einer sehr schönen ornamentale Aufmachung in stilvollen Rot sind Waldteufel den immer gleichen Gebetsmühlen des NeoFolk erfolgreich entkommen.

Martin Kreischer