Vortex

Phanopoeia

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(Tesco) CD 10 Tracks

„The image is more than an idea. It is a vortex or cluster of fused ideas and is endowed with energy.“ (Ezra Weston Loomis Pound) „WE NEED THE UNCONSCIOUSNESS OF HUMANITY — their stupidity, animalism and dreams.“ (BLAST Ausgabe #2 Juli 1915) - Der Vortizismus ist eine der viel zu zahlreichen Künstlerbewegungen, die von kurzer Dauer waren und sich nur unterschwellig ins Bewusstsein der modernen Gesellschaft eingebettet haben. Als bewusst „englische“ Strömung der Moderne haben, mit wenigen Ausnahmen, weder ihre Autoren, noch ihre Maler einen allzu hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Der wichtigste unter diesen Künstlern ist mit Sicherheit der oben zitierte Schriftsteller Ezra Pound, vermutlich einer der bedeutendsten englischsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts und auch im Privatleben eine schillernde, streitbare Figur.

Eben dieser Bewegung und gerade auch Pound ist diese Tesco-Veröffentlichung gewidmet. Realisiert wurde sie als Soloprojekt von dem Kulturwissenschaftler M. S., einem der kreativen Köpfe hinter :Golgatha:. Bereits das Design des Digipacks und die ausführlichen Notizen zum Thema Vortizismus zeigen, dass hier mit Herzblut ans Werk gegangen wurde. Viele aktuelle Künstler verlassen sich auf einen gedankenschweren Kontext und komponieren bzw. arrangieren ihre Stücke dann zu sehr nebenher, ohne Anschluss an ihr eigenes Konzept zu finden. Bewusst soundtrack- und collagenhaft benutzt M.S. gezielt die inhaltlichen Strukturen des Vortizismus innerhalb seiner Stücke, die für ein klassisches Dark-Ambient-Album erstaunlich eigenständig und heterogen wirken – in einem positiven Sinne; man wird beim Hören zwar überrascht, aber nie aus dem Konzept gerissen. Die Klänge sind verhältnismäßig kühl und ohne dröhnende Bassflächen, dafür häufig metallisch perkussiv und von klar erkennbarer Struktur.

Der visuelle Ersteindruck wird auch auditiv bestätigt: Hier wurde Musik von jemandem geschaffen, der die (energetischen) Prinzipien dieser eigenwilligen Kunst-Ära wirklich verinnerlicht hat. Ohne aufgesetzt intellektuell oder künstlich inhaltsschwer zu wirken, gleiten die einzelnen Stück durch die für den Vortizismus typischen Palindromkonstruktionen und Variationen von Versatzstücken. Ebenfalls untypisch für ein Dark-Ambient-Album ist die Vitalität, die dieser Tonträger ausstrahlt. Dies ist durchweg positiv hervorzuheben, da, bei aller Melancholie und Nachdenklichkeit, gerade Pound von einer tiefen urwüchsigen Energie voran getrieben wurde. Ein wunderschönes Symbol hierfür ist eine Büste Pounds von Arno Breker, auf der Pounds Kopf durch seinen wirren Haarschopf in Flammen zu stehen scheint. Diese unbändige, in ihrem Rhythmus einzigartige Energie durchzieht den gesamten Tonträger. Nichts wirkt starr oder unbeweglich, alles treibt in einem Strudel – einem Vortex – durch den Raum. Bisweilen kommen durchaus Versatzstücke der modernen Drum'n’Bass Musik zum Einsatz, diese fügen sich allerdings nahtlos in die eher dunkle Grundstimmung ein.

Texte sind auf dieser CD nur vom Meister, also Ezra Pound selbst, zu hören, kein Gesang oder gesprochenes Wort des Musikers. Pounds Stimme in die Musik zu betten ist beinahe Tricksen: Die Melodie seiner Stimme und Sprache ist für sich schon hypnotisch genug und hat gerade im Post-Industrial Umfeld bereits einige Künstler zu musikalischer Größe animiert, etwa Gregorio Bardini oder Blood Axis, um nur zwei Namen zu nennen.

Für einen dem Thema Pound/Vortizismus geneigten Hörer stellt dieser Tonträger ein klares Muss dar, aber auch andere neugierige Hörer sollten ein Ohr riskieren, es lohnt sich absolut.

Daniel Novak