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TRESPASS
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Regisseur: Walter Hill
Darsteller: Bill Paxton, Ice-T, William Sandler, Ice Cube u.a.
Sprache(n) Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Filmdauer in Min.: ca. 97
Anzahl DVDs: 1
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1992
FSK: keine Jugendfreigabe
Soundsysteme: Dolby Digital 2.0
Bildformate: 1.85:1 (16:9)
EAN-Code: 4020628982096
Bestellnummer: DVM000352D
Erscheinungsdatum: 19.10.2007
Bonus: Behind the Scenes of "Trespass", Deleted Scenes, Kinotrailer
Ein unterschätzter Klassiker ist Walter Hills
TRESPASS, ein verkanntes Meisterwerk. Das zum Radikalsten gehört,
was man sehen konnte im Kino, vor fünfzehn Jahren. Zum Radikalsten,
was man sehen kann auf DVD, heute.
Inspiriert von Rap und Video, von Ice-T und Ice Cube, von
Paul Virilio und Vi-lém Flusser inszeniert Hill einen düsteren
Abgesang auf den klassischen Abenteuerfilm. Zwei weiße Feuerwehrmänner,
Don (Bill Sadler) und Vince (Bill Paxton), suchen einen Goldschatz im
afroamerikanischen Ghetto von East St. Louis. „Am Beginn der Abenteuergeschichte“,
schreibt Hans J. Wullf, „steht eine Aufforde-rung, die der Held
sich selbst stellen, die aber auch von außen an ihn herangetragen
werden kann. […] Danach bricht der Held auf, verlässt die Seinigen
und sucht die Fremde, um die Aufgabe zu erfüllen: die Ausfahrt des
Helden“. Die Ausfahrt der Helden, vom provinziellen Arkansas ins
urbane East St. Louis – der Geländewagen erinnert dabei noch
an die Verheißung des großen Abenteuers, aber seine Schatzinsel
situiert Walter Hill im wasteland der fremden Stadt. Der Abenteuerfilm
als Kino der Illusionen reinster Form, wie er bei Hills Zeitgenossen Steven
Spielberg und George Lucas eine Renaissance feiert, weicht in TRESPASS
einer post-heroischen Pragmatik. Kaum ein Gefühl besteht mehr für
die Ästhetik und die Choreographie des großen Abenteuers, der
Schatzsuche. „No Trespassing“ verheißt ein verwettertes
Holzschild vor dem ausgebrannten Fabrikhallenkomplex, in welchem das Gold
sich befinden soll. „Ein Abenteuerfilm, der nur im Inneren von Gebäuden
spielte? Schwer vorstellbar“, meint Hans J. Wulff - TRESPASS wird
bis zum Ende nur noch auf dem Fabrikgelände spielen, und Walter Hill
nimmt den Abenteurern jeden Raum: durch Kondensation des Schauplatzes
ebenso wie durch den Einsatz flacher Tele-Bilder. Im fünften Stock,
da finden die Schatzsucher schließlich den Raum, der nach ihrer
Karte das geraubte Gold bergen soll. Aber nichts läuft nach Plan
dort, nach dem Plan des Abenteuer-Genres. Auch unter Einsatz von Dons
Metalldetektor gelingt es den beiden nicht, den Standort des Goldes zu
eruieren. In dieser Situation erweist sich der hoch verschuldete Don als
egoistischer Rassist, für den das Lösen seiner monetären
Probleme an vorderster Stelle steht. Er ist kein klassischer Abenteuer-Held
mehr, dem es um höhere Ideale geht, um die Utopie einer harmonischen
Allianz von Mensch und Natur, von Mensch und Mensch.
Mit Don kehrt die Figur des brutalen Fred C. Dobbs (Humphrey
Bogart) aus John Hustons THE TREASURE OF THE SIERRA MADRE (USA 1948) wieder,
während Vince eher an den idealistischen Rob Curtin Bruce (Tim Holt)
bei Huston erinnert, versucht, Konflikte so friedlich wie rational zu
lösen. Doch er hat keine Chance, die Aktion ist nicht mehr Charakter,
der Charakter nicht mehr Aktion. „Wir haben es nunmehr mit einem
Kino des Sehenden und nicht mehr mit einem Kino der Aktion zu tun. [...]
Nun aber kehrt sich die Identifikation (= des Zuschauers mit den Figuren)
tatsächlich um: die Figur wird selbst gewissermaßen zum Zuschauer.
Sie bewegt sich vergebens, rennt vergebens und hetzt sich vergebens ab,
insofern die Situation, in der sie sich befindet, in jeder Hinsicht ihre
motorischen Fähigkeiten übersteigt und sie dasjenige sehen und
verstehen lässt, was nicht mehr von einer Antwort oder Handlung abhängt.
Kaum zur Reaktion fähig, registriert sie nur noch. Kaum zum Eingriff
in eine Handlung fähig, ist sie einer Vision ausgeliefert, wird von
ihr verfolgt oder verfolgt sie selbst“ (Gilles Deleuze).
Die alten Gesetze von Aktion und Reaktion greifen also nicht
mehr, Walter Hill inszeniert eine Dramaturgie der Blicke. Was zählt
ist nicht mehr autonomes Handeln, das Kammerspiel von TRESPASS lässt
Hill primär bestimmen nach einer Logik des visuellen Feldes: „Der
ausgebrannte Gebäudekomplex – Zimmer, Treppenhaus, Hof –
wird Schau-Platz: nicht von Handlung, nur noch von Blicken“ (Fritz
Göttler). Ergänzen müsste man: diegetisch, der Blick zwischen
den Protagonisten im Film; rezeptorisch, der Blick zwischen Zuschauer
und Leinwand im Kino; inszenatorisch: die Lenkung der Kamera als Vorstrukturierung
des Zuschauerblicks. Während Hill die aristotelischen Einheiten von
Ort und Zeit nahezu paradigmatisch berücksichtigt, gerinnt die Handlung
selbst zum ornamentalisierenden Beiwerk. An existentialistische Endspiele
erinnert TRESPASS damit, auch aufgrund der Verzweiflung von Hills Charakteren,
die an Theaterstücke von Jean-Paul Sartre, an LES MAINS SALES (1948),
aber auch an Albert Camus’ L’ETAT DE SIÈGE (1948) denken
lässt. Ihre Essenz müssen die Figuren in der Tat formen, aber
tätig werden können sie kaum noch. Weil ihnen die hermetische
Abgeschlossenheit des Schauplatzes keinen Raum dazu lässt. Durch
lange Brennweiten verstärkt Walter Hill diese Enge noch zusätzlich:
So sehr bis jeder Eindruck von Dreidimensionalität auf ebene Tableau-Kompositionen
reduziert ist. Ständig drängt Hill mehrere Figuren in ein Bild,
oft sind es zwei Gesichter, die gestaffelt in die Kamera blicken, im close
up. Nicht eine Tiefenschärfe, sondern eine Flächenschärfe
ist es, die Walter Hill inszeniert. Während im klassischen Abenteuerfilm
die Weite des Raums bei der Schatzsuche einen Traum von un-begrenzter
Freiheit narrativisiert, kommt dieses Phantasma in TRESPASS völlig
zum Erliegen. Man könnte TRESPASS daher auch mit einer Beobachtung
charakteri-sieren, wie sie von Isabella Reicher und Drehli Robnik für
Filme nach dem Vorbild von John McTiernans DIE HARD (USA 1988) gemacht
wird: „Es geht eben nicht um Erzählungen, sondern um situative
Entwürfe: Ausgangslagen und deren Parameter, Räume und deren
Ausdehnung, Beweglichkeit und Problemzonen, sowie die stärkenmäßige
und topographische Verteilung der Kräfte und Aktionspotentiale in
ihnen werden etabliert“.
Wo allein Blicke schon über Leben oder Tod entscheiden,
da bleibt den Protagonisten kein Raum mehr zum Handeln. Die Situation
des Häuserkampfes in TRESPASS besitzt dabei eine existentielle Dimension,
wie sie so radikal sonst nur aus dem Kriegsfilm bekannt ist. Vergleichbar
Stanley Kubricks FULL METAL JACKET (USA 1987), vergleichbar Jean-Jacques
Annauds ENEMY AT THE GATES (Deutschland/Großbritannien/Irland 2001),
vergleichbar John Moores BEHIND ENEMY LINES (USA 2002) setzt Walter Hill
das Objekt des Blicks durchweg mit einer Positionierung im Fadenkreuz
gleich. Sehen und Gesehenwerden, das sind die entscheidenden Fragen in
Trespass. Einem Film, in dem Blicke töten können. Die Mythologie
des Abenteuerfilms, sie weicht in TRESPASS dem Nihilismus des com-bat
movie.
Kein Schatzsucher, kein Abenteurer triumphiert am Ende
von TRESPASS es ist ein alter Obdachloser, der nicht durch Eigenleistung,
sondern durch Zufall an das Gold gerät – ein Genre-untypisches
Ende für einen Abenteuerfilm. Hans J. Wulff begreift Abenteuergeschichten
stets als Erfolgsgeschichten: „Das Abenteuer frisst seine Helden
nicht, sondern lässt sie reifen, wartet mit Belohnung und Ehre“.
Nichts mehr findet sich davon in TRESPASS: Nur noch materialistische Werte
besitzen Bedeutung, der Abenteurer geht leer aus. Oder findet den Tod.
And that’s all.
TREAPSS ist jetzt als DVD bei Koch Media erhältlich.
Ivo Ritzer
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