Two Lone Swordsmen: Further Reminders

(Warp/Sire 2001) CD 11 Tracks

In der Physik existiert ein merkwürdiges Phänomen: Trotz genereller Tendenz zur Entropie erzeugt auch ein simpel wirkendes physikalisches System im Laufe zahlreicher Iterationen eine hohe Informationsdichte, eine hohe Komplexität. Eine Beobachtung, die auch auf das musikalische Werk der Two Lone Swordsmen (TLS) zutrifft. Andrew Weatherall gilt mit seiner langjährigen Studioerfahrung (1991 produzierte er das Primal Scream-Album Screamadelica) und unzähligen Remixarbeiten als eine der Konstanten im Bereich elektronischer Musik.

Zusammen mit Partner Keith Tenniswood (alias Radioactive Man) veröffentlicht er seit 1996 als TLS. Dabei bewegen sie sich in Deep-House-Bereichen (Stockwell Steppas, 1996) ebenso stilsicher wie in den heterogenen Gefilden von Downbeat-Elektronica (z.B. Stay Down, 1998). Das Album Tiny Reminders (Warp, 2000) präsentiert detailverliebten und gleichzeitig hyperfunktionalen Electro-Sound, jedoch stets voll schwarzem Humor und sympathischem Understatement: „It´s just dirty funk with a dark streak down its back“. Wie an- und aufregend solcher „Schmutz“, der Alptraum bürgerlichen Hygieneempfindens sein kann, zeigen die seit 2001 veröffentlichten Stücke ihres neuen Labels Rotters Golf Club, der, eigentlich entstanden als eine Art Debattierklub für neue elektronische Stilrichtungen, nun eine Plattform bietet für geschätzte Künstler und befreundete Produzenten.

In dieser Tradition steht auch das Remix-Album Further Reminders (Warp, 2001): Es hebt bisherige musikalische Kollaborationen auf eine neue Stufe und vereint unterschiedlichste Neubearbeitungen des Tiny Reminders-Materials. Bis auf zwei Tracks funktionieren alle Stücke im Clubkontext, definieren dabei Tanzbarkeit jedoch primär als Angebot zu einem neuen Hören (das dann auch zu originellen Tanzbewegungen verführt) anstatt über die bloße Neukombination austauschbarer Hitfaktoren: Wenn z.B. Simulant aus „Brootle“, einem im Original schon düsteren Electro-Track, eine sinistere Klangcollage zirpender, wie atemlos dem Takt hinterher hechelnder Klicks zusammenfügt, die überdies von einer alles dominierenden Bassline um trommelfellgefährdende Frequenzbereiche bereichert wird, dann spürt man, welchen Stellenwert die Erzeugung vielschichtiger Atmosphären im TLS-Universum besitzt. Diese ästhetische Gewichtung spiegelt sich auch in der Auswahl der Remixer: Ricardo Villalobos steuert einen knockentrockenen, minimalen Remix von „Bunker“ bei, der im Laufe seiner zehn Minuten scheinbar bewegungslos im Arrangement verharrt, dabei jedoch so subtil um neue Soundelemente angereichert wird, dass man am Ende überrascht vermeint, bereits ein neues Stück zu hören. Weitere Anspieltipps: der reggaeske Dry and Heavy-Remix von „Neuflex“ sowie TLS´ eigene Neubearbeitung von „Rotting Hill“.

Doch Further Reminders bietet mehr als Clubmusik: Für ein Stück wie „Tiny Reminders" No.1“ wurde die von Weatherall besonders verehrte Band Calexico als Interpret gewonnen, und das augenzwinkernde „It´s not the worst I´ve ever looked, it´s just the most I´ve ever cared“ ist nun in einer Lali Puna-Version zu hören: in beiden Fällen behäbige, in ihrer ausgestellten Trägheit jedoch äußerst charmante Tracks, denen die Gratwanderung zwischen anspruchsvollen elektronischen Experimenten und humoresken Ideen besonders gut gelingt.


Oliver Keutzer