|
DAS SÜSSE JENSEITS
BESTELLEN
Anbieter: Kinowelt/Arthaus
Originaltitel: The Sweet Hereafter
Label: Arthaus
Produktionsjahr: 1997
Produktionsland: Kanada
Kinostart: 05.03.1998
FSK: ab 12 Jahren
Lauflänge: 107 Minuten
Website: http://www.arthaus-collection.de
Als Einzeltitel/in einer Box erhältlich: Arthaus Collection Gesamtedition
(50er Schuber)
Stab
Regie: Atom Egoyan
Drehbuch: Atom Egoyan
Kamera: Parl Sarossy
Produktion: Atom Egoyan, Camelia Frieberg
Technische Angaben
DVD Bild: 2,35:1 anamorph
DVD Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (Stereo Dolby Digital)
DVD Untertitel: Deutsch
"In Das süße
Jenseits (1997) benutzt Egoyan zum ersten mal
einen fremden Stoff, den Roman von Russel Banks, und es ist ein weiterer
Schritt, das gesellschaftliche Außenleben in seine Komposition miteinzubeziehen.
Mehr noch: The Sweet Hereafter widerspricht
Exotica, er widerspricht sogar allem, was als Ideologie aus den Filmen
zuvor destilliert hätte werden können. Nun beginnt Egoyan von
Menschen zu erzählen. Die Tragödie ist der Ausgangspunkt von
The Sweet Hereafter; der kleine Ort Sam Dent
in British Columbia, scheint gleichsam kinderlos, seit der Schulbus auf
eisglatter Straße verunglückte und 14 Kinder in den Tod nahm.
Die Geschichte ist zentriert um den Anwalt Stephens (Ian Holm), der für
die Eltern einen Schadensersatz vor Gericht erstreiten will. Er ist eine
Art umgekehrter Adjuster, wie er in die fremde Welt des Ortes kommt, um
die Eltern in seine Inszenierung des Prozesses zu zwingen, da scheint
sein Wesen kalt, und kalt und verzweifelt ist auch seine Beziehung zur
fernen Tochter, die dem Untergang geweiht ist; drogensüchtig und
AIDS-infiziert ist sie eine lebende Tote, ein Spiegel jener Kinder, die
nicht mehr leben, aber in den Köpfen der Zurückgebliebenen noch
nicht verabschiedet sind. Stephens wird zum Versucher und Zerstörer
der Gemeinschaft; sein eigener Zynismus bringt die Gemeinschaft auseinander,
und mehr noch: er zerstört die Erinnerung. Der Prozeß aber
platzt schließlich, als die überlebende querschnittgelähmte
Nicolle (Sarah Polley) durch eine bewußte Falschaussage das gesamte
Inszenierung durcheinander bringt. All die Prozesse der Ersetzungen, Spiegelungen
und Täuschungen, die wir aus Egoyans Filmen kennen, haben nun einen
Weg aus dem filmischen Gedankenspiel in die Wirklichkeit gefunden. Wenn
Egoyans Filme früher gefragt haben: Was ist Erinnerung und was ist
Täuschung, wie entsteht das Bild und wie die Entfremdung?, so ist
die Frage nun nach sich erinnernden und sich täuschenden Menschen,
nach dem Spiel die Trauer.
An Banks’ Arbeit hat Egoyan die „Weisheit“
geschätzt und die Tatsache, daß der Autor ein „moralisches
Universum zu schaffen“ imstande war. Tatsächlich, so scheint
es, besteht die Schwäche des postmodernen Filmes gerade darin, daß
er zwar zur moralischen Geste fähig ist, nicht aber zu Errichtung
des moralischen Universums, das noch vor Identifikation und Illusion über
die „Bewohnbarkeit“ von Filmen entscheidet. So gelangt Egoyan
von der filmischen Struktur zum filmischen Subjekt, zu einer Darstellung,
die nicht mehr allein menschliche Impulse zeigt (und diese im Zustand
heilloser Widersprüchlichkeit), sondern die Ahnung eines „ganzen
Menschen“ vermittelt, der um seine Würde kämpft. Anders
gesagt: Wenn Egoyan-Filme bis dahin einen Prozess abbildet, in dem der
Regisseur sich aus Bvruchstücken der Wirklichkeit und ihrer medialen
Widerspiegelung gleichsam versuchte, sich selbst als Film zusammenzusetzen
(nicht umsonst hat er seine Produktionsfirma Ego Films Art genannt), so
entdeckt er nun das cineastische Du, den anderen Menschen. Vom Ich, das
Kunst filmt, geht der Weg zu einem neuen, gebrochenen Verhältnis
des Mit-Leidens." (Georg Seeßlen in: Marcus Stiglegger (Hrsg.):
Splitter im Gewebe,
Mainz 2000)
BESTELLEN
Nach Jahren ist DAS SÜSSE JENSEITS nun endlich
in Deutschland auf DVD erschienen. Egoyans berührendes Drama wird
in einer soliden Aufbereitung präsentiert und enthält zusätzlich
den Text des Märchens vom "Kinderfänger von Hameln",
der im Film eine symbolische Schlüsselrolle spielt. Wer mehr Bonus
möchte, ist mit der amerikanischen (RC1) New Line Platinum Series-Edition
besser bedient, die hat noch den Kommentar, diverse Interviews, den isolierten
Musikscore (wirklich eine Anschaffung wert). Kinowelt/Arthaus haben schon
eindrucksvollere Editionen geschaffen, aber der Film alleine muss endlich
wieder gesehen werden...
Marcus Stiglegger
|