Susanne El-Nawab

Skinheads, Gothics, Rockabillies
Gewalt, Tod & Rock’n’Roll

Berlin 2007. 368 Seiten. ISBN 978-3-94021-339-6

BESTELLEN

In Großbritannien längst Allgemeinplatz, in Deutschland noch immer Stiefkind: Die Subkulturforschung. Susanne El-Nawab verweist in ihrer voluminösen Promotionsschrift zu Skinheads, Gothics und Rockabillies mit Recht auf die klassischen Studien der britischen Birmingham School am Centre for Contemporary Cultural Studies, um deren Stil-Begriff zu übernehmen. Auch El-Nawab definiert als Anspruch, die analysierten Subkulturen nicht nur erklären, sondern verstehen zu wollen. Sie betreibt daher ethnographische Feldforschung, knüpft an Clifford Geertz’ Konzept der dichten Beschreibung an, versucht also Deskription und Interpretation miteinander zu verweben. So ergibt sich das Bild dreier Subkulturen, die Gewalt gezielt ästhetisieren, in ihrem tatsächlichen Leben jedoch Klischees medialer Repräsentation nicht unbedingt einlösen. El-Nawab geht dabei mal mehr (Skinheads, Rockabillies), mal weniger (Gothics) differenziert vor, speziell dann, wenn sie nach neofaschistischen Tendenzen und hyperbolischer Geschlechterinszenierung fragt.

Zur Methodik der teilnehmenden Beobachtung zwischen Nähe und Distanz, zwischen Subjektivität und Objektivität gelingen der Autorin kluge Erkenntnisse, auch die nuancierte Auseinandersetzung mit soziologischer Literatur zeugt von wissenschaftlicher Kompetenz. Leider jedoch lässt ihre Dissertation jede weitere theoretische Dimension vermissen. Ganz im Gegensatz zu den von ihr zitierten Studien der Birmingham School scheut sie die Auseinandersetzung mit Semiotik, Marxismus und Psychoanalyse. Auch geht ihrer Arbeit philosophisches Interesse gänzlich ab. Dabei aber wären gerade Fragen der Postmoderne-Diskussion, bei Jean-François Lyotard, bei Gilles Deleuze, bei Jean Baudrillard, doch Grundlage dafür, sich produktiv mit Jugendsubkultur im 21. Jahrhundert zu beschäftigen. Gleiches gilt für poptheoretische Diskurse, bei Tom Holert, Roger Behrens oder Diederich Diederichsen – der schon vor 15 Jahren erkannte: „The kids are not alright“.

Ivo Ritzer