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STRASSEN IN FLAMMEN (BLURAY)
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Regie Walter Hill
Darsteller Michael Paré
Willem Dafoe
Diane Lane u.a.
Genre Action
Filmlänge ca. 94 min
Sprachen Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch, Englisch
Produktion USA 1984
Tonformat DTS HD-Master Audio 2.0/5.1
Bildformat 1.85:1 (16:9)
FSK ab 16
Extras Deutscher und englischer Kinotrailer, Making of, Neue Dokumentationen
Im Handel ab 08.11.2013
Koch Media macht uns ein großartiges Geschenk:
Nachdem Walter Hills STRASSEN IN FLAMMEN, einer der prägnantesten
und schönsten Filme der 1980er Jahre, lange nur als lieblose Universal-DVD
(in 4:3 und ohne Extras) erhältlich war, erschien nun eine Bluray
in großartiger Qualität, mit einem zeitgenössischen und
einem retrospektiven Making-Of. Eine perfekte Gelegenheit diese Rock'n'Roll-Fantasy
neu zu entdecken:
Die Reise in die hermetische Welt ewiger jugendlicher Rebellion
und Selbstverschwendung beginnt im Jahre 1983 mit Streets of Fire (Straßen
in Flammen, 1983), einem musikalischen Großstadtwestern, den der
längst etablierte Actionspezialist Walter Hill in Anschluss an seinen
sehr ähnlichen Streetgangfilm The Warriors (1978) inszenierte. Wie
oft zuvor und danach arbeitete er mit dem musikalischen Multitalent Ry
Cooder zusammen, der sowohl für die atmosphärische Soundtrackmusik
wie auch für die Bombastrockmusik der frühen achtziger Jahre
verantwortlich zeichnete.
Die Exposition des Films bringt in einer stilisierten 'tour-de-force‘
Elemente des Western, des Polizeifilms, des Konzertfilms, des Roadmovies
und der Teeniekomödie zusammen, um begleitet von dem hämmernden
Rockbeat Ry Cooders eine „Rock-Fantasie“ zu zelebrieren –
zumindest verkündet es eine Schrifttafel zu Beginn des Films. Eine
weitere folgt: „Irgendwann, irgendwo.“ Zeit und Ort sind generiert
aus den Wunsch- und Alpträumen jugendlicher Rebellion, bilden eine
artifizielle Welt einfacher, polarer Verhältnisse zwischen Gut und
Böse, zwischen Mann und Frau. Die verratene Liebe kann durch einen
leidenschaftlichen Kuss in Regen und Neonlicht zurückerobert werden,
aus der skrupellosen und kalten Rocksängerin und dem pessimistisch-harten
Outlaw schält sich bald der weiche und romantische Kern. Die Welt
der Rock-Fantasie ist eine Welt klarer Vorstellungen elementarer Bereiche:
Liebe, Freiheit, Tod. Einzig der Rockerboss mit dem sprechenden Namen
und der Schnabeltolle, Raven, gespielt von Willem Dafoe, bleibt bis zum
Ende seinem Schema treu. Analog zur Größe seiner Boshaftigkeit
wird sein Sturz sein.
Während ihres Comeback-Konzertes wird die Rocksängerin
Ellen Aim (Diane Lane) von Raven (Willem Dafoe) von der Bühne entführt.
Ihr Fan Reva (Deborah van Valkenburgh) ruft ihren Bruder Tom Cody (Michael
Paré) zu Hilfe, Ellens früheren Liebhaber, um sie aus der
Hand der Rocker zu befreien. Der Exsoldat und Outlaw Cody tut sich mit
der weiblichen Söldnerin McCoy (Amy Madigan) und Ellens Manager Fish
(Rick Moranis) zusammen und dringt in die Battery, Ravens ruinenhaftes
Revier, ein. In einem brachialen Gewaltakt gelingt es Cody, Ellen zu befreien
und mit Hilfe einer schwarzen Rockband in deren Tourbus in Sicherheit
zu bringen. Ellen entdeckt ihre Liebe zu Cody wieder, doch er gibt vor,
nur wegen des Geldes gehandelt zu haben. Raven sinnt auf Rache und kündigt
ein Duell an. Die Polizei zwingt Cody, vorher die Stadt zu verlassen.
Er verbringt eine Liebesnacht mit Ellen und verspricht ihr, den Kampf
zu vermeiden. Doch sein Abschied ist nur inszeniert. In einem brutalen
Zweikampf besiegt er Raven, indem er ihn schwer verletzt. Ellen kann schließlich
doch ihr Comeback feiern – mit einer neuen Begleitband. Cody gibt
Billy Fish seinen Lohn zurück und verläßt mit McCoy einsam
die Stadt.
Eine Legende kehre zurück, so kündigen die farbigen
Plakate den Auftritt der schönen wie toughen Rocksängerin Ellen
Aim an. Ihr Image mag sich etwas an das der Zeitgenossin Pat Benatar anlehnen,
wenn auch Kostüme und Bauten in einem korrodierten Retrolook das
Kondensat der fünfziger Jahre beschwören. „Nowhere Fast“
heißt das Lied ihrer triumphalen Rückkehr auf die Bühne,
und die Formulierung „schnell ins Nirgendwo“ verweist bereits
wieder auf den Wunsch nach einem atemlosen, schnellen und eben kurzen
Leben: „God speed, Love speed, God speed – speed us away.“
Am Ende steht das Nirgendwo, eine neue Fantasie, vielleicht aber auch
letztlich die abgelehnte, ausgegrenzte Welt des geordneten Erwachsenenlebens.
Eine Welt, in der die 'Straßen in Flammen stehen‘, ist eine
Welt der Unsicherheit, der Gefahr, aber auch eine Welt intensiven Lebens
und elementarer Erfahrungen. Leben in einem Traum, leben in der Rock Fantasie,
aus der einmal auszubrechen den ewigen Ausschluss bedeutet. Schnell leben
und dann sterben, immer im Puls der Lieder, die den ganzen Film wie in
einem Musical durchziehen. Doch Hills Film interessiert sich nicht für
den versöhnlichen Eskapismus des klassischen Musicals, er sucht nach
dem 'diabolus in musica‘, dem sprichwörtlichen und oft beschworenen
'Teufel‘ in der Rockmusik. In Raven lässt er ihn Gestalt werden.
Raven ist die dämonische Reinkarnation von Brandos Wild One.
Nach Walter Hills eigenen Aussagen ist Streets of Fire
der Film, den er „in seiner Jugend gerne gesehen hätte“.
Es ist ein Film über das Rock’n’Roll-Lebensgefühl
der späten fünfziger Jahre – erzählt mit den stilistischen
Mitteln, der Technik und nicht zuletzt der Musik der achtziger Jahre.
Unter Verzicht auf psychologische Figurenzeichnung und naturalistisch
gezeichnetes Milieu entfaltet er eine noir-orientierte Nacht- und Neonwelt,
die nur von Jugendlichen und Polizisten bewohnt zu sein scheint. Alle
Figuren korrespondieren mit klassischen Westernstereotypen: der Outlaw,
die Sängerin, der Bandenchef, der „Sheriff“. Lediglich
der Manager Fish (sic) und die Rockband stammen direkt aus dem Fundus
des Rock’n’Roll-Milieus der fünfziger Jahre, wobei die
ironisch gebrochene Zeichnung dieser Figuren gleichzeitig eine Distanz
zur Musik jener Ära schafft. Auch die reduzierte, rein veräußerlichte
Handlung präsentiert das, was man als prototypischen „Großstadtwestern“
bezeichnen könnte.
Innovativ ist der audiovisuelle Stil, den der Action- und
Westernspezialist für sein Rockuniversum entwickelte. Mit Hilfe eines
neuartigen Negativfilms setzte er neue Standards für den Studiofilm:
Seine leuchtend-schimmernde Farbigkeit erschafft eine Traumwelt, von deren
Comiccharme noch in den neunziger Jahren Filme wie Alex Proyas’
Gothic-Phantasie The Crow (Die Krähe, 1994) profitierten. Neu war
auch der radikal rhythmisierte, streng der Musik angepaßte Schnitt.
Während des Vorspanns werden z.B. gerasterte Wischblenden mit mechanischen
Geräuschen illustriert. Bild- und Bewegungschoreografie stehen so
ganz im Zeichen der Rockmusik, die hier freilich auch als zeitgemäß
adaptierte Variante präsentiert wird: Ellen Aim singt im Stil des
weiblichen Bombastrocks der frühen achtziger Jahre, die damals populäre
Sängerin Marilyn Martin leiht ihr die Stimme.
Streets of Fire ist somit ein Musikfilm
im Gewand des Großstadt-Western und offenbart lediglich mit den
ausführlichen Konzertsequenzen zu Beginn und am Ende deutlich seine
wahre Identität; eine Definition des Musikfilms an diesen Sequenzen
zu messen, hieße jedoch die Tatsache leugnen, daß Hills Film
von Anfang bis Ende den Geist der klassischen Rockmusik atmet. Er kann
als bedeutender Vorläufer zahlreicher handlungsorientierter MTV-Musikvideo-Clips
betrachtet werden und beeinflußte auf diesem Umweg letztlich die
gesamte amerikanische Mainstream-Filmindustrie der achtziger und neunziger
Jahre. Kommerzieller Erfolg war Streets of Fire zur Zeit der Uraufführung
jedoch nicht beschieden.
Marcus Stiglegger |