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Spuren auf dem Mond
Spezifikationen:
Label: Koch Media
Laufzeit: 96 Minuten
Produktionsjahr: 1975
Produktionsland: Italien
Regie: Luigi Bazzoni
Format: Blu-Ray u. DVD (insg. 5 Disks)
Bildformat: 1.85:1
Ton: Deutsch, Italienisch, Englisch (DTS-HD Master Audio 2.0)
Untertitel: Deutsch
Extras:
Bonusfilm „La Donna del Lago“ im italienischen Original mit
deutschen Untertiteln (R: Luigi Bazzoni, 85 Minuten, Blu-Ray und DVD);
Featurette „Das Mysterium des Sees“ zu „La Donna del
Lago“ mit Autor Giulio Questi, Makeup-Artist Giannetto De Rossi
und Filmhistoriker Fabio Melelli (35 Minuten).
Dokumentationen „Malen mit Licht“ (mit Vittorio Storaro, 75
Minuten) und „Kinderstar“ (mit Nicoletta Elmi, 50 Minuten);
einführender Videoessay von Marcus Stiglegger (9 Minuten); 16-seitiges
Booklet von Christian Kessler; Englischer und Italienischer Trailer sowie
Bildergalerie.
Als „Spuren auf dem Mond“ 1975 in die italienischen
Kinos kam, war die Apollo-Mondlandung von 1969 bereits fast schon wieder
vergessen. So fragte die „Chicago Tribune“ im Dezember 1974
in einer Artikel-Überschrift „Whatever Happened to Neil Whosis?“,
um damit auf das signifikant gesunkene Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit
am US-Raumfahrtprogramm anzuspielen. Und in der Tat, konnten sich –
wie zeitgenössische Umfragen belegen – bereits wenige Jahre
nach diesem medialen Großereignis nur noch wenige an die Namen der
ersten Astronauten auf dem Mond erinnern.
Diese aus heutiger Perspektive nur schwer vorstellbare ‚Vergessenskultur’
bildet einen assoziativ-allegorischen Rahmen für „Spuren auf
dem Mond“. Hier ist die Raumfahrt nur noch in Gestalt eines Science-Fiction
Films präsent, in dem ein prototypischer mad scientist (gespielt
von Klaus Kinski) ein unethisches Experiment mit einem auf dem Mond zurückgelassenen
Astronauten durchführt. Die Schwarz-Weiß-Bilder dieses Film
im Films bilden hierbei die brüchige Geometrie der Erinnerung der
Protagonistin Alice (Florinda Bolkan). In ihren Wach- und Alpträumen
durchlebt Alice immer wieder die traumatischen Sequenzen dieser Dystopie,
und verbindet die fiktiven Filmfragmente lose mit ihrem eigenen Leben
und ihrer Arbeit als Simultanübersetzerin bei einem astronautischen
Kongress. Von hier aus entspinnt sich eine schlafwandlerische Reise, die
mit einem ‚Filmriss’ in der Erinnerung von Alice beginnt,
und diese tief in ihre – erlebte und geträumte – Vergangenheit
an den fiktiven Küsten-Ort Garma zurückführt. Hier ist
nichts wie es scheint: Personen haben andere Namen, es erscheinen und
verschwinden Doppelgänger und schließlich kehrt die Erinnerung
düster zurück ...
„Spuren auf dem Mond“ ist Luigi Bazzonis letzter
Spielfilm und ein stilistisches Meisterwerk, das von dem Kameramann und
dreifachen Oscar-Preisträger Vittorio Storaro perfekt ins Bild gesetzt
wurde. Lichtjahre entfernt vom teils vorhersehbaren Genre-Kino dieser
Zeit, steht dieser Film eher in der Tradition des französischen Arthouse
Kinos und erinnert nicht nur entfernt an Alain Resnais’ Klassiker
„Hiroshima, mon amour“ (1959) oder „Letztes Jahr in
Marienbad“ (1961). Genau wie diese verhandelt „Spuren auf
dem Mond“ die Frage nach der Erinnerung, dem Vergessen und der Wirklichkeit
in der Collage von erlebten, geträumten, erzählten, vorgestellten
und erfundenen Sequenzen. In seiner Entrücktheit weist der Film außerdem
vage Parallelen zu dem im gleichen Jahr erschienen „Picknick am
Valentinstag“ des Australischen Regisseurs Peter Weir auf. Durch
die mit elektronischen Einflüssen durchwobene Filmmusik von Nicola
Piovani, der durch seine Komposition für Roberto Benignis „Das
Leben ist schön“ (1997) weltbekannt wurde, verstärkt sich
das Gefühl der Entrückung, das jedes Bild ebenso malerisch (aber
auch ebenso irreal) wie ein Gemälde erscheinen lässt. Am Ende
des Films gehören diese malerischen Bilder jedoch einer Vergangenheit
an, die wohl nicht mehr wiederkommen wird ...
Dass Erinnerung und der subjektive Umgang mit Vergangenheit
Luigi Bazzoni schon länger beschäftigte, beweist sein erster
noch in schwarz-weiß gedrehter Spielfilm „La Donna del Lago“,
der sich mit einer Oper von Rossini aus dem Jahre 1819 den Namen teilt,
und in dieser Sammleredition als Bonus enthalten ist (eigentlich aber
sogar eine eigene Veröffentlichung wert gewesen wäre). Hier
geht es um den Schriftsteller Bernard (Peter Baldwin), der sich auf eine
Reise begibt, um seine frühere Geliebte Tilde (Virna Lisi) wieder
zu treffen. Abermals spielt die Handlung in einem Hotel am Wasser (in
diesem Fall nicht am Meer, sondern an einem See); und abermals kehren
Schatten und Geheimnisse aus der Vergangenheit zurück, als Bernard
erfährt, dass Tilde Selbstmord begangen haben soll. Noch in etwas
experimentellerer Form als in „Spuren auf dem Mond“ kombiniert
Bazzoni auch hier erinnerte und erlebte Bilder zu Collagen, die für
den Betrachter zunächst ebenso rätselhaft bleiben, wie für
die Protagonisten. Am Ende holt die Vergangenheit die Gegenwart und die
Gegenwart die Vergangenheit ein – es kommt zur Konfrontation mit
dem Verdrängten und das Trauma kehrt düster zurück ...
Beide Filme bilden gerade in ihrer Gegenüberstellung
ein vielschichtiges Ensemble an Eindrücken, das zum Nachdenken anregt
und vor allem auch die Frage aufwirft, warum diese Filme so lange nicht
in Deutschland veröffentlicht wurden? Koch Media hat sich nun der
Aufgabe angenommen, diese verlorengegangen Werke wieder aus dem Vergessen
zurückzuholen, und hat beide sehr aufwendig restauriert. Vor allem
„Spuren auf dem Mond“ liegt nun in einer ausgezeichneten Bildqualität
vor, die diesen Film als das zu repräsentieren und zu erinnern vermag,
was er ist: großes europäisches Arthouse-Kino. Um dem gerecht
zu werden, wurde diese Doppel-Veröffentlichung um drei Dokumentationen
beziehungsweise Video-Interviews, ein informatives Begleitheft von Christian
Kessler und einen einführenden Videoessay von Marcus Stiglegger ergänzt.
Eine hochwertige Box rundet diese insgesamt 5 Disks umfassende Edition
formvollendet ab.
Auch wer bei italienischem Kino ansonsten eher an blutige
Seide, zerbrochene Spiegel, schwarze Handschuhe, rauchende Colts, exotische
Inseln oder Unruhen in europäischen Nachtzügen denkt, sollte
diese beiden Filme unbedingt sehen. Denn auch wenn sie wesentlich leiser
sind als ihre aufsehenerregenden Zeitgenossen, haben sie es beide in sich.
Patrick Kilian
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