Sol Invictus Werkschau 5

Black Europe

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(Auerbach/Prophecy 2011) CD/DVD 31 Tracks

'Black Europe' war zunächst als Live-Bootleg erschienen und dokumentiert ein legendäres Konzert von Sol Invictus im Bchumer Zwischenfall, der unglücklicherweise 2011 abgebrannt ist. Die besetzung am 5.6.1992 war mit sarah Bradshaw, dem Chaosmagier Nick Hall, Keryborder David Mellor und Stéphane Ruiz an der Flöte eine der stärksten in Tony Wakefords Karriere und half mit, den spezifischen Sol Invictus-Sound mit hart angeschlagener Gitarre, akzentierten, dumpfen Trommeln, elegischen Streicherakorden und verspielten Klavier-Harmonien zu etablieren. Obwohl der Sound hier wenig räumlich erscheint und von einer Amateurquelle zu stammen scheint (der Bootlegcharakter ist also noch immer vorhanden), hat man hier eines der eindrucksvollsten Konzerte der ersten SI-Ära verfügbar - und das ist erfreulich, zumal alle frühen 'Hits' wie 'Fields', 'Gold is King', 'World Turn Green' oder 'Death of the West' präsent sind.

Die DVD 'Live in Lyon' ist ein rohes Analog-Video-Dokument einer One-Man-Show in lyon 1993. Auch hier findet man eine änhliche klassische Setlist, wobei alle Stücke nur mit Gitarre dargeboten werden und aus einer Publikumsperspektive gefilmt wurden. man sollte also keine hohen Erwartungen an Bild und Ton haben. Wer Wakeford in guten Tagen schlank und energetisch erleben will, wird diese Aufnahme schätzen.

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King and Queen

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(Auerbach/Prophecy 2011) CD 19 Tracks

Als mit 'King and Queen' 1992 das erste SI-Album mit Tor Lundvallö-Artwork erschien, galt es vielen Fans als eher schwach: sehr neoklassisch verspielt, langsam, melancholisch und depressiv. Nur in 'World Turn Green' schimmerte die alte kmäpferische Energie durch. Beim Wiederhören erscheint das Album als eine Neuausrichtung aufgrund der positiven Tourerfahrung zuvor (siehe 'Black Europe'). Im Grunde ist der eher zurückhaltende Charakter des Albums David Mellors extrem verspielten E-Piano-Akorden geschuldet, die die Lieder wie Zuckerguss umhüllen. Positiv fällt daher 'The Return' auf mit seinen landknechtstrommeln, einsamer Flöte und Karl Blakes verzerrtem Bass. Auch das groovig-beschwingte 'Someday' verdient ein Wiederhören und stiehlt sich unauslöschlich in die Gehörgänge. 'All's Well in Hell' wurde ebenso oft übersehen, ragt aber mit Wakeford-typischem Pessimismus heraus. Das alles macht 'King and Queen' nicht zu einem straken Album, jedoch hat es eindrucksvolle Einzelsongs, die ein Wiederhören unbedingt erfordern.

Als Bonus hat man die Livetracks des Bootelgs 'Rite of Spring' eingefügt, die durch extrem schlechten Sound auffallen und allenfalls als Dokumente der legendären Tour mit Death in June und Current 93 1990/1991 stehen können. Wer das Album selbst würdigen will, sollte vorher abschalten.

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Let us Prey

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(Auerbach/Prophecy 2011) DCD 23 Tracks

'Let Us Prey' erschien als gut gemastertes Livealbum (ohne Publikumsgeräusche) vom 4. April 1992 in der Besetzung mit sarah Bradshaw und Stéphane Ruiz. Aus dem fehlen der Nick-Hall-Drums entsteht ein eher melacholisch-softer Sound, der jedoch fast einen Albumcharakter entstehen lässt - obwohl die Songs die komplette erste Ära abdecken. Als Vorausblick auf 'King and Queen' hatte man 'World Turn Green' platziert. Songauswahl und Gesamtcharakter sprechen für eine sehr kulturpessimistische und traurige Phase in Wakefords Leben zu dieser Zeit. So sollte man sich nicht von dem martialischen Titel 'Let Us Prey' und dem eher aggressiven Artwork von Enrico Chiarparin täuschen lassen, das neben einer Schlange und einem Adler Wakefords Binderune provokant integriert: This is a sad and lonely place in time.

Als Bonus hat man einen Auftritt Wakefords im legendären CGGB's in New York eingefügt. Es beginnt mit einem großartigen Sample aus Lars von Triers Film EUROPA, das den Zuhörer hypnotisch ins das Europa der Nachkriegszeit geleitet. Leider findet sich keine datumsangabe, doch der Schwerpunkt auf den ersten Alben lässt auf ca. 1992 schließen. Im Gegensatz zu 'Let us Prey' ist der Sound hier dumpf und kratzig und kein Genuss. Dennoch ist dieses Konzert eines der bewegenden und eindrucksvollen Dokumente für Wakefords fast verzweifelten Pessimismus, der selten so ungefilter dargeboten wurde. 'The Killing Tide' gibt die Richtung vor...

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La Croix

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(Auerbach/Prophecy 2011) CD 8 Tracks

'La Croix' war das erste Soloalbum von Tony Wakeford (wird hier aber bei Sol Invictus kontextualisiert). Es war vor allem mit französischen Gastmusiker (neben Sarah Bradshaw, Stéphane Ruiz und David Mellor) besetzt und wies neue Wege für die Musik der Band. Als ich es 1993 in den CD-Player legt, packte mich umgehend der fast atonale-experimentelle Sound der Streicher, die sowohl an die neue Musik wie an den Minimalismus' Philipp Glass'scher Prägung anschließen. Mit 'The Fool' hatte Wakeford zudem eines der protopytischen, programmatischen und selbstreflexiven Neofolk-Stück der 1990er Jahre geschaffen: Zu donnerndem Refrain erklingt der rohe Akustik-Sound zu einer Hymne, die Wakefords Selbstverständnis als 'Narr' an der Seite der Tyrannen formuliert, denen er spielerisch die Wahrheit vor Augen hält. Das ist wirklich großartiges, in gewissem Sinne Nietzscheanisch. Für dieses Stück alleine lohnt sich der Kauf des Albums.

Zudem ist eine weltanschauliche Neuorientierung bemerkenswert, denn entgegen den radikal heidnischen früheren Alben interessiert sich Wakeford hier für den mythischen Zusammenhang nordischer und christlicher Motive in der Frühzeit der Christianisierung Europas. So sieht man auf dem Cover die frühe Darstellung einer Kreuzigungsgruppe in Form einer Algizrune, wie auch Christus' Kreuzigungspose in manchen dieser Darstellungen die Algizstellung übernimmt. Die Lyrik übernimmt diese Doppeldeutigkeiten, etwa in "Double Cross", was ebenso das Doppelbalkenkreuz wie auch einen Akt des Betrugs bezeichnen kann. Christliche Apokalyptik kommt bei 'Come the Horsemen' auf, während extrem dichte Folkinstrumentals das Konzept assoziativ ergänzen. 'The Yew' schließlich ist eines der pessimistischsten Sol Invictus-Lieder, denn es kündet von absolutem Fatalismus und Abkehr von der Politik, so dass man von einem anarchischen Gestus sprechen könnte. "Ring out the old, bring in the new / ring out the false, bring in the true" hallt es lange nach.

Mit 'LA Croix' liegt eine der intensivsten und konsequentesten Schöpfungen Tony Wakefords erneut vor.

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Death of the West

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(Auerbach/Prophecy 2011) CD 14 Tracks

'Death of the West' wird dem heutigen Hörer zweifellos wie ein eigenständig Album erscheinen, obwohl es zur Zeit seines Erscheinen 1994 zunächst etwas umstritten war, hatte man es doch als EP angekündigt und dann durch Neuinterpretationen bekannter Songs ('Kneel to the Cross', 'Amongst the Ruins') auf Albumlänge gestreckt. Von dem EP-Konzept zeugen die um das Titelthema kreisenden Songs 'In the West', 'The West' und 'Death of the West', das hier endgültig von einem Death in June-Song in den Stil von Sol Invictus überführt wurde (mit den markten Trommeleinsätzen).

Was beim erneuten Hören auffällt, ist die unbestreitbare Kohärenz des Materials - man kann diese Neuauflage inklusive des erstklassigen Bonusmaterials (aus dem Buch 'Above us the Sun') ungestört durchhören. Zudem kehrte Wakeford wieder zu dem kraftvollen Sound der frühen Tage zurück: da hämmert die Trommel, da wird der Niedergang aktiv beklagt, selbst wenn melancholische Harmonien den Subtext bilden. Dazu kommt das atmosphärisch-mythische Artwork von Enrico Chiaparin, das einen Raben mit der Sichel des Todes und dem Mond kombiniert. All das lässt 'Death of the West' als packendes, wunderschön-apokalyptisches Gothic-Folk-Album erscheinen.

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