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Charlie Clouser
SAW II Original Score
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(Trisol) 2-CD, 70 Tracks
Die eher auf den Gothic-Sektor des Musikspektrums
angelegte Plattenfirma Trisol will sich nun auch als Soundtrack-Lieferant
beweisen. Dafür hat man sich ins Zeug gelegt: So gibt es neben dem
bereits erhältlichen ersten offiziellen Soundtrack zu „SAW
II“ noch eine zweite Veröffentlichung. Auf dieser finden sich
neben dem Original Score von Ex-Nine-Inch-Nails Mitglied Charlie Clouser
noch eine weitere CD mit vornehmlich Künstlern aus dem eigenen Label-Angebot
und ein Booklet aus der Hand von Haus-und-Hof-Designer Ingo Römling.
Zusammen macht das ein sehr spannendes Package, welches sich nicht nur
für Fans außergewöhnlicher Soundtracks empfiehlt. Am Anfang
steht also der Score, die Musik zum Schrecken. Zwar nutzt Charlie Clouser
oftmals die Standards des Genre, kreischende Geigen und düster dräuende
Ambient-Flächen gehören auch zu seinem Repertoire, aber er kann
das Klangrepertoire erweitern und schafft es so die isolierte, hermetische
Klaustrophobie von „SAW II“ in Musik umzusetzen. Dabei arbeitet
er wie Akira Yamaoka (der Schöpfer der „Silent Hill“-Game-Scores)
mit viel Dynamik, laut und leise erzeugen ein nervenaufreibendes Spannungsfeld,
das die Rhythmik des Films, die ruhigen Momente gegenüber den brutalen
Schreckenselemente widerspiegelt. Doch wo „Silent Hill“ besonders
auf verzerrte Industrial-Collagen setzt ist bei Charlie Clouser mehr ein
orchestrales Gerüst zu finden, nicht ohne natürlich das übliche
Geschleife über Geigensaiten, das für Horrorsoundtracks Pflicht
ist. Und so ganz nebenbei blitzt immer wie die Nine Inch Nails-Vergangenheit
von Clouser auf: Besonders bei den Beats fühlt man sich oft an „Downward
Spiral“ erinnert. Zwar ist der Soundtrack in 56 Stücke aufgeteilt,
problemlos lässt er sich allerdings auch als Ganzes, homogenes Werk
wahrnehmen und funktioniert prächtig auch ohne die Bilder. Für
die Kenner des Films dürfte der Score aber noch einmal die grausigen
Bilder hervorrufen und so eine ganz besondere Hörvariante bieten.
Auf der zweiten CD finden sich nun Tracks „inspired
by the Motion Picture“. Bemerkenswert, wie hier einige Künstler
gegen ihre eigene Identität arbeiten und so ihre Musik gegen den
Strich bürsten. Den Anfang macht Matt Howden, sein Projekt Sieben
ist eher für verträumte Geigen-Virtuosität bekannt, mit
einem Horror-Soundtrack hat seine neoromantische Musik nichts gemein –
und doch funktioniert „Oh yes, there will be blood“ als hypnotische
Verwirrung, die den Schrecken tief in sich verborgen hält und weniger
offensive zeigt. Auch Spiritual Front sind hier nicht folkloristisch,
sondern rein Ambient. Das Ritual-Projekt :Golgatha: arbeitet bei seinem
Beitrag „Shred your Skin“ en passant alle Zutaten für
ein gelungenes Schreckensstück auf: Schleifende Messer, Kinderspieluhr,
zerrende Flächen, aufblitzende Dialogfetzen zwischen Opfer und Täter,
pochende Schläge, Schmerzensschreie, flirrender Krach: Die Kumulation
des Horrors in ein Stück gebannt. Ebenfalls erstaunlich untypisch
geht Alexander Kaschte von Samsas Traum vor: nicht Metal wird hier geboten
sondern reine Elektronik in Richtung Dark Wave. „Sequence 26 (Saw
Edit)“ kann jedoch mit seiner Eingängigkeit nicht ganz den
Horrorton der restlichen Stücke halten kann, was auch für den
eher Tanzflächen-lastigen Track von mind.in.a.box oder den Industrial-Rock
von Punto Omega zutrifft. Der psychotische Death Rock von The Deadfly
Ensemble, die sich aus Mitgliedern von Cinema Strange rekrutieren, bietet
einen guten Kontrast zu den eher elektronischen Vorgängern. Im Finale
schließlich bieten Ostara einen ruhigen beunruhigenden Track. Die
meisten Künstler auf diesem Album beweisen ihre Fähigkeit über
den eigenen Schatten zu springen – spannend und hörenswert.
Martin Kreischer
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