SAW - Director's Cut

BESTELLEN

DVD Bild: 1,85:1 (anamorph)
DVD Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (5.1 Dolby Digital), bei Kinofassung zusätzlich Englisch (6.1 dts es)
DVD Untertitel: Deutsch
DVD Extras: Audiokommentar von James Wan und Lee Whannel, Musikvideo Fear Factory "bite the hand that bleeds" (rated und unrated Version), Making of Musikvideo, "Sawed Off" Featurette, TV-Spots, Interviews, Behind the Scenes, Trailer

“The chain in those handcuffs is high-tensile steel. It'd take you ten minutes to hack through it with this. Now, if you're lucky, you could hack through your ankle in five minutes. Go.“ (Max Rockatanski)

Von Publikum wie Presse vielerorts als neue Evolutionsstufe des Serienmörderfilms gepriesen, entpuppt sich SAW (USA 2004) bei kritischer Betrachtung schnell als recht konventioneller Genrefilm, der vor allem durch seine epigonale Rhetorik sich auszeichnet. Motivisch als auch ästhetisch dient besonders David Finchers existentialistisch-konsumkritischer Neo-Noir SEVEN (USA 1995) als Referenzmaterial, aber auch Tarsem Singhs esoterisch-kitschiges Planspiel THE CELL (USA 2000) wird von den australischen Filmhochschülern James Wan (Regie) und Leigh Whannell (Drehbuch/Hauptrolle) für ihr Hollywood-Debüt ausgiebig zitiert.

Wie seine Vorbilder versucht SAW einen Weg abseits der standardisierten Serialität etablierter Slasher-Franchises wie der HALLOWEEN- (USA 1978-2002), FRIDAY THE 13TH- (USA 1980-2003) oder CHILD’S PLAY (USA 1988-2004)-Reihe einerseits und dem postmodernen Authentizitätsgestus hyperrealistischer Serienmörderfilme wie Rémy Belvauxs/André Bonzels/Benoît Poelvoordes C'EST ARRIVE PRES DE CHEZ VOUS (Belgien 1992), Isaac-Pierre Racines/Augustin Villarongas/Lydia Zimmermanns ARO TOLBUKHIN - EN LA MENTE DEL ASESINO (Mexiko/Spanien 2002) oder Julian Richards THE LAST HORROR MOVIE (GB 2003) andererseits zu gehen. Dabei bedienen sich die Filmemacher eines Konzepts, welches zuletzt in Vincenzo Natalis CUBE (Kanada 1997) und insbesondere Yukihiko Tsutsumis CHINESE DINNER (Japan 2001) perfektioniert worden ist: die Reduktion des Schauplatzes auf einen Handlungsraum.

In einem verwahrlosten Keller erwachen der Chirurg Dr. Lawrence Gordon (Cary Elwes) und der Fotograf Adam (Leigh Whannell) an entgegen gesetzte Wände gekettet, ohne zu wissen, wie sie dorthin gelangt sind. Zwischen den beiden liegt in einer riesigen Blutlache der verstümmelte Körper eines dritten Mannes, welcher jeweils eine Pistole und ein Tonbandgerät in der Hand hält. Beide Objekte gewinnen unversehens an Bedeutung innerhalb eines infernalischen Spiels, das ein sadistischer Serienmörder lanciert zu haben scheint.

Schnell desavouiert SAW aber diese experimentell theatrale Prämisse und etabliert stattdessen eine konservativ binnenmediale Tradition der Qualität. Nach kurzer Exposition blickt der Film über die limitierten Subjektiven der Protagonisten und das hermetische Setting hinaus, indem er verstärkt das genuin kinematographische Gestaltungsmittel schlechthin instrumentalisiert: die Montage. Durch Flashbacks und Parallelhandlungen macht SAW die filmische Zeit ebenso sich verfügbar wie den filmischen Raum. Dadurch wird es in der Erzählung möglich, stetig Relativismen zu etablieren und permanent eine Neuinterpretation der rezipierten Vorgänge einzufordern. Hierbei muss aufgrund heterogener Brüche im Ostentationsmodus als Folge manipulativer Perspektivwechsel freilich jede narrative Logik ebenso sich obsolet erweisen wie eine konsistente ästhetische Vision. Es ist auch nicht die soziopsychologische Extremsituation, für die SAW sich interessiert, sondern vielmehr rein der konfrontative Schock, auf den der Film immer wieder spekulativ rekurriert und somit als exploitative Effekthascherei sich entlarvt – ohne dabei aber je an das subversive Potential von radikalen Klassikern wie William Lustigs MANIAC (USA 1980) oder Jörg Buttgereits SCHRAMM (Deutschland 1994) anknüpfen zu können.Selbst im geringfügig neu montierten und um explizite Gewaltdetails erweiterten Director’s Cut verletzt SAW zu keinem Zeitpunkt die darstellerischen Konventionen des populären Kinos.

In Kombination mit dem gefälligen Industrial-Rock auf der Tonspur und der kommerziellen Videoclip-Ästhetik im Bild bleibt der Eindruck eines ephemeren „Oberflächenphänomens“ (Siegfried Kracauer) zu konstatieren, welches einmal mehr als Symptom des artistischen Stillstands kulturindustrieller Produktion gewertet werden kann. Dass im internationalen Genrekino durchaus interessante Alternativmodelle existieren, zeigt ein Blick auf Frankreich und Alexandre Ajas HAUTE TENSION (Frankreich 2003) ebenso wie ein Blick auf Deutschland/Großbritannien und Christopher Smiths CREEP (Deutschland/GB 2004). Und auch in den USA respektive Hollywood selbst brechen Ausnahmen wie E. Elias Merhiges apokalyptisches Serial-Killer-Roadmovie SUSPECT ZERO (USA 2004) immer wieder mit dem desolaten Status Quo…

Ivo Ritzer