Sardh

Idyll

(Edition Raute, Membrum Debile 2005) CD

Marc Behrens

Animistic (for Donatella)

(Auf Abwegen 2004) CD 2 Tracks mit Karten

Experimentelle Klangkunst hat von jeher einen guten Stand hierzulande – und eine vielseitige Tradition. Die Arbeit mit ungewöhnlichen und alternativen Resonanzkörpern, mit selbstgebauten Instrumenten und gefundenen Klängen erwies sich über Jahrzehnte als Quell der Suche nach musikalischer Neuerung. Umso erstaunlicher angesichts der unerschöpflichen technischen Möglichkeiten ist gegenwärtig die Rückkehr einiger Klangkünstler zur natürlichen Einfachheit, die Wiederentdeckung des animistischen Klangs. Als seien wir bereist im postindustriellen Zeitalter angekommen, werden die alten Fabriken erneut aufgesucht, doch ihre Räder stehen still, ihre Tanks verrosten und über ihren Dächern wuchern die Pflanzen. Was entsteht, ist ein nachindustrielles Ruinenidyll, dessen latente, ruhende Klänge jedoch immer wieder beschworen werden können.
Der Dresdener Künstler Schweiger tat sich für die neuen Aufnahmen des Projektes Sardh mit dem polnischen Schlagzeuger Piotr Michalowski und dem Ritualprojekt Voxus IMP zusammen. Aus ihrem Treffen resultierte das Gesamtkonzept „Industrial Village“ (2003), das sich der oben geschilderten Thematik auf der Ebene von Objekt, Klang, Video und Fotografie annahm. Gespielt wurde die Musik auf gefundenem Industrieabfall, Gittern, Metallplatten, Schläuchen, Tanks, später kombiniert mit konventionellen Instrumenten wie Keyboard, E-Bass, Feldaufnahmen und Samples. Die nun vorliegende CD bewahrt als Kunstobjekt die wesentlichen Elemente von „Industrial Village“: in kartonierte Buchbindung findet sich neben der CD vor allem ein geheftetes Fotobuch, das Eindrücke der Installation bietet. Idyll als CD geht weit über reine Klangexperimente hinaus. So hören wir durchaus rituell strukturierte Rhythmen, harsche Industrialakzente sowie auf „Idyll 6“ auch eine Vokalpassage. Diese CD hat problemlos das Zeug zum Klassiker ihres Genres, gelingt es ihr doch die Wurzeln des industrial culture spirit’ mit einem frischen Zugang zu dieser Ästhetik zu verschmelzen.
Der Frankfurter Marc Behrens dagegen bleibt minimalistischer, während sein Werk Animistic den geschilderten Ansatz bereits im Titel trägt. Seine Feldaufnahmen aus dem hessischen Umland sowie aus Italien wehen sachte und leise dem Hörer entgegen. Sehr lange entwickelt sich das Titelstück, bis es dezente repetitive Klänge und ebensolche Drones erkennen lässt. Hier wird am Klang geforscht. Das Material soll seine Eigenheit behalten, soll nicht einfach als Sample missbraucht und zermixt werden. Animistic bewahrt über weite Strecken diesen ‚naturbelassenen’ Eindruck und muss schließlich im Kontext einer Reihe kommentierter Fotokarten rezipiert werden, die der CD (im DVD-Jewelcase) beigelegt wurden. Behrens betont hier seinen animistischen – fast pantheistischen – Ansatz, der die Beseeltheit der Natur als Ausgangspunkt betrachtet. Animistic erschließt sich nicht sofort, sondern erfordert mehrfaches, entspanntes Zuhören, doch kann auch diese vergleichsweise minimalistischere CD einen ganz einen Klang-Raum erschließen. Ästhetisch und sinnlich ein Genuss. Marcus Stiglegger