SALVADOR

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Publisher: Koch Media Home Entertainment
Freigegeben (FSK):ab 16
EAN-Code: 4020628960742
Artikelnummer: DVM000614D
Originaltitel: Salvador
Regie: Oliver Stone
Darsteller: James Woods, James Belushi, John Savage u.a.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1986
Filmdauer (min): ca. 117
Soundsystem: Dolby Digital 2.0 / 5.1
Bildformat: 1.85:1 (16:9)
Sprache(n): Deutsch, Englisch
Regioncode: 2
Features: Audiokommentar, Dokumentation (ca. 60 Min.), geschnittene Szenen (ca. 25 Min.), deutscher Kinotrailer, amerikanischer Kinotrailer, Booklet

Der harte, als semidokumenatrisches Simulakrum inszenierte Politthriller SALVADOR ist die erste filmische Inkarnation von Oliver Stones vision du monde. Und es hat Jahrzehnte gedauert, bis man dieses frühe Meisterwerk nun endlich in angemessener Form im deutschen Heimkino genießen kann, denn die Special Edition auf DVD war lange angekündigt, erschien dann jedoch nur in Groß Britannien. Koch Media schafft großartige Abhilfe mit dieser qualitativ hevorragenden Blu-Ray und Doppel-DVD, die neben einem intensiven Making-Of zudem sensationelle Deleted Scenes (unzensierte Momente) und den für Stone obligatorischen Audiokommentar bietet.

SALVADOR läutet in Stones Oeuvre eine spezielle Arbeitsmethode ein, der der Filmemacher seine ganze Karriere hindurch weitgehend treu bleiben wird: Er widmet seine Recherche zunächst dem Schicksal einer realen Person und beginnt kontinuierlich, das biographische Material mit weiteren historischen Ereignissen dramatisch verknüpfen, bis er eine spielfilmtaugliche Essenz gewonnen hat. So war er bereits bei seiner Arbeit an Michael Ciminos 1985 entstandenem Polizeifilm YEAR OF THE DRAGON (Im Jahr des Drachen) vorgegangen, der einerseits auf dem semidokumenatrischen Roman eines Expolizisten, John Daley, basierte, der aber - daher der abweichende Name des Protagonisten im Film - zahlreiche Erfahrungen des realen Detectives Stanley White aus Los Angeles als belebendes Beiwerk benutzte. Im Falle des Mittelamerika-Thrillers SALVADOR tat sich Stone mit dem Reporter Richard Boyle zusammen, dessen biografische Details die von James Woods verkörperte Filmfigur überzeugender gestalten sollten. Boyle hatte in den frühen achtziger Jahren tatsächlich einige Zeit in El Salvador verbracht, zahlreiche der im Film vorkommenden historischen Ereignisse hatte er jedoch nicht persönlich erlebt. Stone dehnte bereits hier - wie später in J.F.K., THE DOORS und NIXON - den Begriff der Semidokumentation bis an die Grenzen eines frei assoziierten, bildhaften Historiendramas, wie es mit Shakespeares klassischen Schauspielen verbunden wird.

Mit dem draufgängerischen und charakterlich zerrissenen Richard Boyle fand Stone auch eine erste filmische Entsprechung zu seinem eigenen Charakter. Durch eine berufliche und private Krise am absoluten Tiefpunkt tut er sich eines Tages spontan mit dem etwas exzentrischen arbeitslosen Diskjockey Dr. Rock (Jim Belushi) zusammen und fährt mit ihm nach El Salvador, um dort über die Kriegsunruhen zu berichten. Stones Sperrfeuer-Dramaturgie will es, dass sie bereits beim Grenzübertritt nur knapp einer Exekution entgehen, da sie von den willkürlich agierenden Regierungstruppen für Regimegegner gehalten werden. Stone schafft es hier mit Hilfe entfesselter Handkamera, natürlicher Beleuchtung und schnellen Schnitten eine Atmosphäre des Terrors und der Auslieferung zu beschwören, die in dieser Szene dazu dient, den Zuschauer mit den Protagonisten zusammen in eine fremde, bedrohliche Welt, ein totalitäres Terrorsystem, einzuführen. Die gegenerischen Fronten innerhalb dieses Systems bleiben dabei lange undurchschaubar, der Film wahrt auch hier den subjektiven Blick des Journalisten, der sich langsam in das System einarbeiten muss. Während sich Dr. Rock den Drogen und Frauen widmet, erlebt Boyle, wie die Militärdiktatur mit Unterstützung der amerikanischen Rechten und Ronald Reagans immer offener ihre Brutalität an der Bevölkerung auslässt. Der Film visualisiert in beispielhaften Sequenzen zahlreiche Aspekte dieser Terrorherrschaft: die Todesschwadrone, die Leichenberge am Rand der Stadt; Boyle selbst ist bei der Ermordung des liberalen Bischofs Romero anwesend, der während einer Messe erschossen wird; der Bruder seiner Freundin Maria (Elpidia Carillo) überlebt die Folter im Gefängnis nicht; auf einem Höhepunkt skrupellosen Terrors wird eine Entwicklungshelferin zusammen mit den sie begleitenden Nonnen überfallen und vergewaltigt. Natürlich findet Boyle heraus, dass sich das Regime nur durch die Unterstützung des CIA halten kann, doch die offiziellen Vertreter der USA schweigen, während die Presse nur zynische oder verharmlosende Kommentare nach aussen dringen lässt. In einem ersten Kreuzzug für die Gerechtigkeit, der viele weitere Stone-Filme kennzeichnen wird, beschließt Boyle, die Wahrheit der Ausschreitungen zu dokumentieren und begibt sich mit dem passionierten Fotoreporter Cassidy (John Savage) nach Santa Ana, wo sie mit dem Inferno des Krieges konfrontiert werden. Auch der Kontakt mit der spärlich ausgerüsteten Berfreiungsarmee lässt Boyle ernüchtern.

Der Tod des Fotografen Cassidy wird schließlich zum Wendepunkt, zu einem zu diesem Zeitpunkt noch möglichen Rückzug ins Private. Cassidy wird bei dem Versuch, angreifende Tiefflieger zu fotografieren von diesen erschossen. Stone zelebriert dieses ‘Opfer für die Wahrheit’ auf ähnliche Weise wie später den Christustod des Sergeanten Elias in PLATOON. Nur dass Boyle im Gegensatz zu den späteren Kreuzrittern Stones nun sein ganzes Engagement der Freundin Maria und ihrem kleinen Sohn widmet. Er versucht, die beiden mit illegalen Mitteln über die Grenze zu bringen, wo sie jedoch von den amerikanischen Grenzbeamten mangels gültiger Papiere wieder zurückgeschickt werden - in den sicheren Tod.

Oliver Stones Position ist nicht die der prokommunistischen Position, das hat er selbst mehrfach betont, vielmehr geht es ihm um die Wahrung der Menschenrecht, die in El Salvador unter Mitwirkung der amerikanischen Regierung zusammengebombt werden. Auch die zweifelhafte Einwandererpolitik der USA wird hier hinterfragt. SALVADOR wurde oft kritisiert für seine vage politische Position, doch Stone wehrte sich: Sein Filme sei keine Film gegen Amerika, SALVADOR sei ein Film für die Humanität und für die Gerechtigkeit. Wie später im größeren Rahmen erlaubt er sich dabei nicht nur Brüche mit historischen Dokumenten, sondern zielt mit seiner Inszenierung letztlich immer auf den größtmöglichen emotionalen Effekt. Das klassische, ‘kathartische’ Drama bleibt ihm der einzige Weg, ein so unfassbares Phänomen wie die Leiden eines Volkes unter der militärischen Willkürherrschaft zu zu vermitteln. Und - klug berechnet - bleibt bei SALVADOR die Katharsis, die ‘Erlösung von dem Bösen’, noch aus: Boyles Sieg ist ein bescheidener, von verheerenden Opfern getrübt. Was er letztlich retten kann ist der Fotofilm, für den Cassidy sein Leben gelassen hat. Ändern wird sich jedoch nichts.

SALVADOR sollte dringend als Klassiker des subversiven amerikanischen Politthrillers der 1980er Jahre neu entdeckt werden. das ist die Chance.

Marcus Stiglegger