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Georg Seeßlen
GEORGE A. ROMERO UND SEINE FILME
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Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-937897-37-0
320 Seiten, 23,00 EUR
Februar 2010
Die Position der engagierten Filmliteratur in Deutschland
war schon einmal weit besser. In den 1980er Jahren konnten sich noch ganze
Läden wie die Münchner Filmlandpresse auf dieses Genre spezialisieren,
im monatlichen Takt kamen Bücher zur ungewöhnlichen Filmmachern
(etwa Joseph Losey) oder Themen heraus. Diese Zeit ist lange vorbei. Die
bekannten Namen dieser Jahre - Rolf Giesen, Hans C. Blumenberg u.a. -
sind längst anderweitig tätig. Georg Seeßlen aber ist
geblieben. Und er veröffentlicht essayistische Filmbücher, als
wäre es 1984. Eines dieser Bücher ist ebenso pragmatisch wie
'retro' betitelt: "George A. Romero und seine Filme."
Seeßlens attraktiver Hardcoverband sieht aus wie ein
Roman, liest sich auch so und verzichtet großzügig auf jegliche
Filmfotos. Er erscheint nicht einmal anlässlich eines neuen Romero-Films,
wobei überhaupt fraglich wäre, ob diesem in Deutschland ein
Kinostart zugute käme. Dabei - so sieht es auch Seeßlen - ist
Romero einer der ganz Großen. Von damals allerdings. 1984 wäre
sein Jahr gewesen. Damals war schon einmal ein Buch über ihn erschienen:
"The Zombies That Ate Pittsburgh".
Seeßlen wird nicht müde zu betonen, dass 1968
das Jahr der Veränderung war - für das Horrorgenre zumindest:
Dort sprach man danach vom modernen Horrorfilm - statt des klassischen
Vertreters seit den 1930er Jahren. Verändert hatte dies Roman Polanskis
ROSEMARY'S BABY, aber auch eine amerikanische Indieproduktion aus der
Industriestadt Pittburgh: NIGHT OF THE LIVING DEAD. Visuell geschult am
expressionistischen Schattenspiel, belebte Romero den Mythos vom lebenden
Toten neu. Doch statt den klassischen Zombiemythos zu bemühen, wie
ihn Filmfans aus WHITE ZOMBIE, I WALKED WITH A ZOMBIE und PLAGE OF THE
ZOMBIES kannten, ließ er wie durch eine Seuche tote Durchschnittsamerikaner
auf die Jagd nach lebendigem Fleisch gehen. Mit ungewohnten Protagonisten
(eine weiße Frau und ein schwarze Mann), ungewohnten Antagonisten
(tote Amerikaner, faschistische Milizen) und einem fast Western-artigen
Setting (ein belagertes Landhaus) hatte Romero die Karten neu gemischt:
Der moderne Horrorfilm entwickelte den Schrecken aus dem technisierten
Alltag. Gothic-Horror wich dem konsumistischen Terror.
Hier sind wir an einem wesentlichen Punkt: Romeros Kino
ist ein linkes Kino, eines der Kritik an sozialen Missständen: In
deutlichen Metaphern prangert er Rassismus, Intoleranz, Materialsmus und
Kapitalismus gleichermaßen an. Und seine folgenden Filme werden
deutlicher: THE CRAZIES, DAWN OF THE DEAD, DAY OF THE DEAD, LAND OF THE
DEAD - am Ende ist ganz Amerika zombifiziert, und die Mensch müssen,
verstehen, dass sie nun die Anderen sind. Nur CREEPSHOW nach Stephen King
fiel etwas aus dem Rahmen, doch auch hier sieht Seeßlen eine subtile
Klassenkritik am Werk.
Was will man also mehr: Ein umfassendes Buch über
einen der letzten konsequent quertreibenden Filmemacher der USA. Ein politisches
Filmbuch, das den Blick auch auf marginalisierte Werke (DER AFFE IM MENSCHEN,
DIARY OF THE DEAD) lenkt. Ein Beitrag zur reflektierten Autorentheorie.
Ein Buch voller Einsichten, dass in Form eines sehr langen Anhangs (Bonusmaterial?)
Aufsätze zum Zombie-Mythos, zu Romeros Erben und detaillierte Infos
zu all seinen Filmen bietet. Da lassen sich einige inhaltliche Redundanzen
verschmerzen, die ein sorgfältiges Lektorat verhindert hätte
(u.a. auch die permamente Verwechslung von NIGHT mit DAWN OF THE DAED
im Kapitel "Love, Peace & Fleischkrisen",. S. 64ff). Auch
sind die einzelnen Filmdarstellungen sehr inhaltsorientiert und könnten
durchaus etwas filmanalytischer vorgehen. Aber wer will schon nörgeln
angesichts eines Buches, das so erfreulich anachronistisch wie sein Held
selbst ist: George A. Romero.
Marcus Stiglegger
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