Der Mann mit der Stahlkralle - Rolling Thunder (Blu-ray) Regie John Flynn In der Ära des New Hollywood field sogar mutigen Filmemachern schwer, kritische Filme über den Vietnamkrieg und dessen Nachwirkungen zu inszenieren. Eine besondere Rolle kommt 1976 dem Heimkehrerdrama TAXI DRIVER zu, das nach einem Drehbuch des ehemaligen Filmkritikers Paul Schrader entstanden war. Schrader strebte selbst eine Regiekarriere an und schreib weitere Drehbücher mit kontroverser Thematik, darunter auch ROLLING THUNDER, eine grimmige Rachegeschichte. Es sollte jedoch nicht zu diesem Regiedebüt kommen, vielmehr wurde mit Heywood Gould ein zweiter Autor hinzugezogen, der signifikante Elemente ergänzte, und mit John Flynn gewann man einen ambitionierten Actionregisseur, der die Rachegschichte als Vigilantenfilm in Stil der erfolgreich DEATH WISH-Reihe inszenieren sollte. Wie Gould im informativen Audiokommentar erzählt, verloren beide - Flynn und Gould - zusehends das Interesse an der Actiongeschichte und sahen hier die Chance auf ein intensives Psychodrama über einen zweifach geschändeten Veteranen, der Amok läuft, nachdem er seine Familie verloren hat: Als Vietnamkriegsveteran Charles Rane (William Devane) 1973 nach sieben Jahren Kriegsgefangenschaft in die texanische Heimat zurückkehrt, ist nichts mehr, wie es war. Emotional distanziert und traumatisiert, muss er nicht nur mitansehen, wie Frau und Sohn ein neues Leben begonnen haben. Zudem wird die Familie Opfer eines brutalen Raubüberfalls, bei dem Rane die Hand in einem Müllzerkleinerer zerfleischt wird. Er bleibt als einziger Überlebender zurück. Mit einer Stahlkralle als Prothese und einer abgesägten Schrotflinte begibt er sich zusammen mit einem Kameraden (Tommy Lee Jones) auf einen blutigen Rachefeldzug nach Mexiko, wo er die Täter bald aufspürt. Kameramann Jordan Cronenweth, der später durch BLADE RUNNER berühmt wurde, bemüht sich hier bereits um eine an der Grenze des filmtechnisch verträglichen düstere Bildgestaltung. Vor allem die amerikanischen Szenen erinnern an den Film Noir, während die mexikanische Episode eher an einen Sam Peckinpah-Spätwestern gemahnt. Autor Schrader orientierte sich offenbar ursprünglich schon an dem von ihm verehrten THE WILD BUNCH. Die Inszenierung ist hart und zynisch: Gestorben wird schnell und extrem blutig, und am Ende bleiben nur zwei zutiefst traumatisierte Männer mit ungewisser Zukunft zurück. ROLLING THUNDER, nach dem Quentin Tarantino sein eigenes Filmlabel benannt hatte, ist ein bitterer Film über das Amerika nach Nixon - geprägt von Paranoia, Hass und Rassimus. Und doch nimmt sich der Film viel Zeit, seine sperrigen Charaktere zu entfalten - ein Umstand, der vermutlich die neue Freigabe ab 16 Jahren rechtfertigte. Gould erwähnt, die Szene mit der Hand im Müllzerkleinerer sei in der Previewversion so realistisch gewesen, dass sie sogar von dem zweiten Verleih AIP gekürzt wurde, nachdem MGM den Film loswerden wollte. Im Bonusmaterial kann man Eli Roth über den Trailer sprechen hören, empfehlenswert ist der Kommentar von Gould und Roy Frumkes. ROLLING THUNDER war immer ein extrem dunkler Film, und der etwas flache Schwarzlevel hilft nicht gerade der Bildästhetik, dennoch hat man den Film noch nie so gut auf einem Heimmedium sehen können. Es wird Zeit, dieses vergessene Kleinod des New Holylwod neu zu entdecken. Marcus Stiglegger |
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