Thomas Klein, Thomas Koebner (Hrsg.)

Robert Altman
Abschied vom Mythos Amerika

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256 Seiten, mit Abb., Paperback, 15,90 EUR, ISBN: 3-9806528-3-1

Als Monographie mit „leicht lesbaren Betrachtungen“ (Backcover) bewirbt der neue Band zu Robert Altman aus dem Bender-Verlag sich selbst. Und in der Tat: Thomas Klein und Thomas Koebner haben keinen akademischen Reader herausgegeben. Eher ist es ein universitäres Fanbuch, das auf gut 250 Seiten in zahlreichen Aufsätzen die zentralen ästhetischen und thematischen Schwerpunkte des vielleicht modernsten amerikanischen Filmemachers der Nachkriegszeit herauszuarbeiten versucht. Vom Vorwort an geht es dem Band um eine „präzisierte Bewunderung“ (S. 8) seines Analyseobjekts. Selbst eine Ehrenrettung der „fröhlichen Comic-Verfilmung“ (ebd.) POPEYE (USA 1980) wird versprochen.

Thomas Koebner eröffnet die Monographie mit einem umfangreichen Essay, der einen Querschnitt durch das Werk Robert Altmans zu ziehen versucht. Er arbeitet anschaulich eine typische Altman-Methode heraus, welche sich über Ensemblechoreographie, episodisches Erzählen, narrative Polyphonie und dynamische Kameraarbeit definiere. Koebners Text erinnert stilistisch mitunter an die großen Aufsätze der „Reihe Film“ aus dem Hanser-Verlag und würdigt Altman angemessen als vielseitigen Künstler, dessen zunächst polemischer, später duldsamerer Spott Amerika als Nation von Verrückten und Tollhäusern zeichne.

Norbert Grob kann in seinem Beitrag Koebners hohes Niveau mühelos fortführen. Er arbeitet vorbildlich die Verbindungen von Robert Altman und dem Epochalstil des New Hollywood heraus. Für Altman sei New Hollywood eine „Befreiung von den Ketten der festen Regeln wie den Zwängen der Konventionen“ (S. 69) gewesen. Er habe radikal ein modern-reflexives Kino entwickelt, das vor allem durch einen inkohärenten Stil voller Brüche sich auszeichne.

Im Folgenden wird die Qualität des Bandes etwas schwankender. Eine Studie über episodisches Erzählen bei Altman konzentriert sich vor allem auf Krzystof Kieslowski und Jean Renoir, ein Aufsatz zu Altmans Meisterwerk IMAGES (USA/GB 1971) kratzt etwa im Vergleich zu Stephen Throwers Analyse des Films in seinem „Eyeball“-Magazin nur an der Oberfläche und ein Text zu Gangsterbräuten im Kino von Altman bleibt stilistisch zerfahren und inhaltlich so deskriptiv wie unfokussiert.

Demgegenüber glänzt Marcus Stigleggers Beitrag zu Altmans Umgang mit Westernkonventionen durch bemerkenswerte analytische Schärfe. Stiglegger arbeitet heraus, wie MCCABE & MRS. MILLER (USA 1971) und BUFFALLO BILL AND THE INDIANS (USA 1976) zentrale Erzählungen des Genres einerseits zwar erfüllen, zum anderen aber gleichzeitig immer auch kritisch diskursivieren würden. Altman könne damit sowohl als „Erneurer“ (S. 141) wie als „Zerstörer“ (ebd.) des Westerns gewertet werden.

Thomas Kleins Betrachtung zur Funktion von Stars und Ensembles bei Altman muss ebenfalls als äußerst aufschlussreich bezeichnet werden. Klein argumentiert, Altman sei „ein Verfechter der Improvisation“ (S. 191) und gebe seinen Darstellern dadurch die Gelegenheit, mit normativen Repräsentationskonventionen zu brechen. Besondere Aufmerksamkeit zollt der Autor Altmans multipersonalen Schauspielerfilmen THE PLAYER, SHORT CUTS und PRET-A-PORTER, welche „den alten Ensemblegedanken des Theaters für den Film in die Gegenwart“ (S. 200) zurückholen würden.

Der Band schließt mit einem Aufsatz von Andreas Rauscher, der sich sehr kundig mit den Soundtracks in den Filmen von Robert Altman auseinandersetzt. Bei Altman fungiere der Soundtrack nicht wie im postmodernen Kino als Konstitutionselement des filmischen Raums, sondern bilde vielmehr stets einen Teil des zu erforschenden Milieus. Rauscher kann zeigen, wie sich die Soundtracks in Altmans Kino analog zu den improvisierten Arrangements des Jazz in einem transitorischen Stadium befänden: „Statt die Geschlossenheit des filmischen Raums zu betonen, verweisen sie in ihrer Fragmentarisierung auf die in den Bildern reflektierte Realität“ (S. 227).

Aufgrund der hervorragenden Texte von Rauscher, Stiglegger, Koebner, Grob und Klein stellt die Altman-Monographie aus dem Bender-Verlag ein unverzichtbares Komplementärstück zu dem bereits 1981 von Peter W. Jansen/Wolfram Schütte in München herausgegebenen Altman-Band dar und ist als erkenntnisreiche Hommage all denen ans Herz gelegt, die sich ebenfalls für „den Regisseur der steten Auflösung“ (Norbert Grob, S. 74) begeistern können.

rit