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REDACTED
5 / 5 Sterne
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Laufzeit: ca. 87 Minuten
Freigabe: keine Angaben
Preis(e): EUR 16.99 [ Amazon ]
Bildformat(e): Widescreen (1.78:1 - anamorph)
Tonformat(e): Dolby Digital 5.1 in Deutsch
Dolby Digital 5.1 in Englisch
Untertitel: Deutsch
Extras: - Interview mit Brian de Palma
- Interviews mit Flüchtlingen
- Trailer
Für ein großes Publikum ist der Amerikaner
Brian de Palma ein kommerziell orientierter Stilist, der Schöpfer
von SCARFACE (1983), THE UNTOUCHABLES (1987) und MISSION: IMPOSSIBLE (1996),
vor allem aber: ein Hitchcock-Epigone mit DRESSED TO KILL (1980) und BODY
DOUBLE (1984). Wenige erinnern sich an seine Anfänge im New Yorker
Undergroundfilm, als er inspiriert von Jean-Luc Godard mit dem Medium
experimentierte und zahlreiche avantgardistische Kurzfilme sowie zwei
Spielfilme schuf (GREETINGS, 1968, und HI MOM, 1969).
Auch ist de Palma ein politisch motivierter Filmemacher,
der in den USA bereits mit seinem kritischen Vietnamdrama CASUALTIES OF
WAR (1989) in Ungnade fiel. So betrachtet ist es wenig erstaunlich, dass
im Jahr 2007 ein Film angekündigt wurde, in dem sich Brian de Palma
mit dem noch aktuellen Irak-Feldzug der Bush-Regierung auseinandersetzen
wollte. Interessant wurde dieses Unterfang zudem, da es sich dabei um
eine europäisch Produktion handeln sollte, die mit jenen Mitteln
arbeitete, über die sich das vielschichtige Bild diese Krieges verbreitete:
mit Videomaterial, Internetvideos, PC-Kameras usw. Sein Film über
die Zensur der Medien sollte mit gleichen Miteln zurückschlagen.
Dafür wurde de Palma mit dem Silberner Löwe in Venedig 2007
geehrt.
Der Titel des Films REDACTED bezieht sich auf den in den
USA selbstverständlichen Vorgang der redaktionellen Zensur von Nachrichten.
Gezeigt wird nur das Gewünschte, alles andere wird ‚geschwärzt’
wie in einer geheimen Akte – bezeichnenderweise simuliert der Film
dies in der ersten Sequenz mit den Mitteln der Computergrafik. Aus den
wenigen verbleibenden Buchstaben entsteht der Titel. Was hier bereits
suggeriert wird, ist letztlich das Programm der Inszenierung selbst. Die
Selbstzensur der Medien lässt etwas Neues entstehen, dass sich nur
noch rudimentär auf Realität bezieht. Folglich – so de
Palmas Methode – kann man auch umgekehrt vorgehen, und Realität
mit reiner Inszenierung erzeugen.
Der Film zeigt einige Soldaten der im Irakkrieg eingesetzten
Alpha Company. Angel Salazar filmt seine Kameraden mit einer Digitalkamera,
unter ihnen Lawyer McCoy, Reno Flake, B.B. Rush und den Befehlshaber James
Sweet. Sie sollen eine Checkpoint in Samarrah bewachen, dort Passanten
und Fahrzeuge zu durchsuchen. Bei einer eher willkürlichen Hausdurchsuchung
nach einem Sprengstoffanschlag nehmen die Soldaten einen Familienvater
in Gewahrsam. Später kehren sie zu dem Haus zurück, um die 15-jährige
Tochter des Mannes zu vergewaltigen. Salazar schließt sich an, um
die Tat, die er nicht verhindern kann, wenigsten zu filmen. Während
Rush das Mädchen drangsaliert, erschießt Flake die Mutter,
die Schwester und den Großvater. Nach der Vergewaltigung töten
sie das Mädchen und setzen das Haus in Brand. Wenig später wird
Salazar von der Hamas verschleppt und vor laufender Kamera als Rache für
die Tat enthauptet. McCoy verzweifelt an der Unfähigkeit, die Tat
verhindert zu haben, und zeigt seine Kameraden an, woraufhin Flake und
Rush verhört werden. Der Film endet damit, dass McCoy nach der Rückkehr
in die Heimat in einer Bar als Held gefeiert wird.
De Palma vermittelt dieses Geschehen in einer effektiv
kalkulierten Collage auf verschiedenen medialen Ebenen, u.a.:
1. Salazars Digitalkamera
2. der Dokumentarfilm eines französischen Fernsehteams
3. die Überwachungskameras im Camp
4. die Helmkamera mit Restlichtverstärker
5. die Videoaufzeichnung der Verhöre
6. die Bekennervideos der Hamas im Internet
7. die Internetseite von Kriegsgegnern
8. das Skype-Videogespräch zwischen McCoy und seinem Vater
9. McCoys Homemovies bei seiner Rückkehr
REDACTED reflektiert die Sehgewohnheiten des zeitgenössischen Medienrezipienten
und die möglichen Darstellungsformate vorfilmischer Realität
zugleich. Salazar betont zweimal, er zeichne die Realität auf und
wolle mit seinem Videomaterial an einer Filmhochschule aufgenommen werden.
Zugleich wird ihm bald klar, dass er genau das Material herstellt, welches
danach ‚redacted’ wird – also der Zensur zum Opfer fallen
wird. Zudem verzweifelt er selbst an der Mitschuld, die ihn als passiven
Zeugen des Verbrechens an der irakischen Familie trifft. Als Gegenmodell
etabliert de Palma das französische Filmteam, das zwar ebenfalls
dem Geschehen beiwohnt, ohne es zu verhindern, aber die Journalistin stellt
die wesentlichen Fragen: Wie will der Soldat erkennen, ob es sich bei
Dokumenten, die er nicht lesen kann, um wertvolle Beweise handelt? Kann
der festgenommene Mann unter der Fesselkaputze eigentlich atmen? Salazar
dagegen hinterfragt wenig, er bezeugt nur – am Ende gar seine eigene
Entführung.
Andererseits etabliert der Film mit der Dokumentarfilmebene
auch die radikale filmische Überhöhung der Wirklichkeit, etwa
mittels klassischer Musik und monochrom stilisierter Bilder, die von Langeweile
und Überdruss der Soldaten künden. Eine erstaunliche Entdeckung
bieten die letzten Standbilder des Films, die als authentische Fotos aus
dem Irak bezeichnet werden: Hier sehen wir, dass die erschossene schwangere
Frau an dem Checkpoint vom Beginn des Films dem realen Opfer zum Verwechseln
gleicht. Inszenierung und Dokument verschwimmen abermals.
Was Brian de Palma mit seinem Film mehr noch als andere
als digitale Heimvideos produzierte Filme wie THE BLAIRWITCH PROJECT (2001),
[REC] (2007), CLOVERFIELD (2007) oder DIARY OF THE DEAD (2007) leistet,
ist die theoretische Befragung jener Restbestände des Realen, die
sich in diesem Material finden lassen – und die letztlich seine
Wirkungskraft ausmachen.
REDACTED kann als der momentan avancierteste Versuch
eines narrativen Spielfilms gelten, der fortschreitenden Digitalisierung
des Kinos Rechnung zu tragen. Und er nutzt diesen Versuch zugleich, um
die verwendeten Medien und deren Qualität zu theoretisieren. Der
Filmemacher wird dabei selbst zum 'embedded filmmaker’ – im
vollen Bewusstsein seiner Mitschuld an den gefilmten Vorgängen, versteht
sich.
Der eindrucksvolle Film liegt nun mit einiger Verspätung
als hervorragende DVD und Blue Ray Disc von Kinowelt vor. Empfehlenswert
ist vor allem das Interview mit dem Regisseur, der sich als äußerst
reflektiert erweist.
Marcus Stiglegger
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