|
Pulse - Du bist tot bevor du stirbst
3 / 5 Sterne
BESTELLEN
Originaltitel: Pulse
Label: Kinowelt
Genre: Horror
Produktionsjahr: 2006
Produktionsland: USA
Kinostart: 30.11.2006
FSK: ab 16 Jahren
Lauflänge: ca. 85 Minuten
Website: http://www.Pulse.kinowelt.de
Stab
Regie: Jim Sonzero
Drehbuch: Wes Craven
Kamera: Mark Plummer
Produktion: Michael Leahy, Joel Soisson, Anant Singh
Technische Angaben
DVD Bild: 2,40:1 (anamorph)
DVD Sprachen/Ton: Deutsch (5.1 Dolby Digital, 6.1 DTS-ES), Englisch (5.1
Dolby Digital)
DVD Untertitel: Deutsch
DVD Extras: Making of, Musikvideo von SONIC SYNDICATE: "Denied",
Deleted Scenes, 2 Audiokommentare, Interviews, 2 Featurettes, Fotogalerie,
Produktionsnotizen, Trailer
Ständig rücken sie ins Bild, die blinkenden
Handys, die aufgeklappten Notebooks auf dem Campus in Columbus, Ohio,
wo ein tödliches Computervirus geboren wird. Kiyoshi Kurosawa drehte
2001 Kairo, eine Weltuntergangsphantasie des vernetzten Menschen, der
den Bezug zu Leben und sozialer Umwelt gerade in dem Maße verliert,
in dem er – der Elektronik sei Dank – ständig und überall
erreichbar ist. Ein ästhetisch eigenwilliges, sperriges Werk, das
noch schwieriger für den westlichen Markt zu adaptieren war als Ringu,
Dark Water oder The Grudge, deren Remakes den japanischen Horror zum Teil
sehr einfallsreich in die amerikanische Kultur übertrugen.
Dieser erweist Jim Sonzeros Neuverfilmung ihre Referenz
durch eine Konzession an gängige Motive des Teenie-Films. Christina
Milian, weitaus berühmter als R&B-Sängerin, spielt ebenso
mit wie Serien-Beau Ian Somerhalder aus „Smallville“ und „Lost“,
die Hauptfiguren um Kristen Bells Mattie sind wie sie jung, schön,
dynamisch, und manche haben gleich drei Bildschirme auf ihrem Schreibtisch.
Die Signale ihrer Computer und Handys aber bieten einer Horde grässlicher,
schmutzigweißer Gestalten Einlass ins Diesseits. Wer mit ihnen in
Berührung kommt, dem hauchen sie die Seele aus, er bringt sich um
oder löst sich nach einer Weile in Asche auf. Der Blick ist es, mit
dem die Kreaturen ihre Macht ausüben, und Kurosawa setzte seine Kamera
so ein, dass der Zuschauer zur Komplizenschaft gezwungen wurde. Seine
Bedrohung ist eine der digitalisierten, von der Materie abgelösten
Macht, die kein Subjekt kennt und so auch keine mögliche Gegenwehr.
Sonzero geht simpler vor, er stellt seine Monster aus und verweigert die
Erlösung des Wegschauens. Dieses Misstrauen gegenüber Bits und
Bytes ist der Filmhandlung sicherlich immanent, wirkte jedoch stärker,
würde es inszenatorisch gespiegelt statt bekämpft. Was nicht
die starke Wirkung von Sonzeros Monstren leugnen soll, die allesamt von
Komparsen gespielt und später höchstens noch im Computer mit
dem gewünschten, „verzerrten“ Look versehen wurden.
Doch diese Direktheit hat ihren Preis: Je physischer sich eine Bedrohung
darstellt, desto einfacher kann sie externalisiert und zum Abschuss freigegeben
werden. Der Fehltritt eines Hackers löste die Epidemie aus, doch
möglicherweise ist durch ein Gegenvirus Rettung in Sicht. In der
neuen technokratischen Variante des Stoffs sind die Ausgeburten der Geräte
das Böse – die wesentlich spannendere Frage, wie die Maschinen
den Menschen verändern, bleibt hintangestellt. „Der Tod ist
ewige Einsamkeit“, hieß es verzweifelt in der japanischen
Vorlage, bei Sonzero: „Sterben schmeckt metallisch“. Statt
einer räumlichen Distanzierung der Figuren voneinander und von der
Kamera gibt es nun „talking heads“, Großaufnahmen und,
wenigstens anfangs, pubertäres Geschwätz: Identifikationsmechanismen
wie aus dem Drehbuchseminar.
So dreht sich auch der Audiokommentar von Sonzero
und seinem Trickspezialisten Gary Tunnicliffe um dramaturgische Ergänzungen,
da dem Regisseur und sicherlich auch den Weinstein-Brüdern, die den
Film mitproduzierten, Wes Cravens Script für ein amerikanisches Publikum
nicht ausgefeilt genug erschien. Die Parade der Deleted Scenes, in denen
vor allem Somerhalders Figur Dexter weiter entfaltet wurde, zeugen allerdings
auch von einem guten Gespür für die sinnvolle Straffung eines
Stoffes. Darüber hinaus ist im Kommentar einiges über die Schwierigkeiten
beim Dreh in Rumänien zu erfahren. Die dortige Architektur mit ihren
monochromen Braun- und Grautönen entwickelte sich freilich zum Glücksfall
und trägt einiges zur gelungenen Atmosphäre bei – genau
wie die von Sonzero immer wieder angesprochene Taktik der Aussparung oder
Blickverengung, wenn Requisiten nur in allzu schäbigem Zustand zu
bekommen waren. Die nahen Einstellungen, die dicht gefüllte Mise-en-Scène
im schön altmodisch-analogen Cinemascope und die konkret dargestellte
diegetische Bedrohung rücken die Handlung näher an den Zuschauer
heran. Anders gesagt: Sonzeros Film verliert auf DVD weniger als Kurosawas
Original. Auch deshalb nicht, weil die Ursprungsversion ihren Weg auf
die Silberscheibe gefunden hat und nicht die amerikanische Kinofassung,
die 'mit Gewalt’ auf PG-13 getrimmt werden musste und daher die
meisten Szenen, in denen es um den Selbstmord von Teenagern geht, nur
verstümmelt auf der großen Leinwand erschienen.
Weniger informativ ist der zweite Audiokommentar
von drei Produzenten, dem Visual Effects Supervisor Kevin O’Neill,
dem Cutter Kirk Morri und Sam Levine, einem der Schauspieler. Dieses Extra
leidet nicht nur unter der schieren Masse an Sprechern, die schwierig
auseinanderzuhalten sind, sondern auch unter der Tendenz gerade Levines,
lieber Schrullen zu erzählen als dem Film oder den Szenen zu folgen
– dies aber wenigstens mit anarchischem Witz. Neben den obligatorischen,
kaum interessanten Kurzinterviews und Making Of-Features sowie einem recht
billigen, aber musikalisch eingängigen Video der Band Sonic Syndicate,
die irgendwo zwischen Linkin Park und den Highspeed-Industrialmetallern
von Fear Factory anzusiedeln ist, fällt vor allem eine kurze Dokumentation
ins Auge, die sich mit dem Wahrheitsgehalt der filmischen Handlung auseinandersetzt.
Einige Wissenschaftler geben hier ihre Theorien zum Besten, wie Geister
die neu geschaffenen Kommunikationswege tatsächlich für sich
nutzen könnten.
Pulse jedenfalls weiht unsere Welt dem Untergang, denn
die humanoiden Seelenfresser aus dem Rechner breiten sich rasend schnell
aus. Die Auslöschung der Zivilisation schreitet fast beiläufig
voran, ohne Pathos, hysterische Nachrichtenbilder oder sonstigen aufpeitschenden
Bombast. Letztes Verdienst der gelungenen DVD-Ausgabe ist es, ein alternatives
Ende zu präsentieren, das diese Stimmung besser einfängt und
fortführt als das der Kinoversion.
Tim Slagman
|