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Prurient
Rose Pillar
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Format: 11’’ Vinyl LP , Buch ( Hardcover
180 Seiten)
Label: Heartworm Press
VÖ: 2009
Hinter dem Namen Prurient verbirgt sich, der
in New York lebende Noise Künstler, Dominick Fernow. Dieser arbeitet
in verschiedenen Formationen und kann auf eine vielfältige und umfangreiche
Diskographie zurückblicken. In jüngster Zeit beteiligte er sich
in der, von Wesley Eisold gegründeten, Elektro-Band Cold Cave. Neben
seinen musikalischen Projekten betreibt Fernow das Noise Label Hospital
Productions, zu dem auch ein kleiner Laden in New York gehört.
Die hier vorliegende Veröffentlichung Rose Pillar besteht
aus einer 11’’ Schallplatte und einem 180 seitigen Buch, das
sowohl eine Erzählung von Fernows Mutter (Jean Feraca), als auch
zahlreiche Photographien enthält. Die Geschichte ist den Memoiren
Feracas entnommen, die unter dem Titel I Hear Voices. A Memoire of Love,
Death and the Radio veröffentlicht wurde, und erzählt vom Tod
ihres Bruders. Wie der ersten Seite des Buches zu entnehmen ist, hat ihm
Dominick Fernow die gesamte Veröffentlichung gewidmet. Die Photographien,
die sich immer auf der rechten Buchseite befinden und durch einzelne Wörter
oder Satzfragmente auf der linken Seite ergänzt wurden, sind alle
in mattem schwarz/weiß gehalten und auf schwarzem Untergrund positioniert.
Sie zeigen mehrheitlich Elemente, die Teile oder Nebenprodukte des Kultur-
und Zivilisationsprozesses darstellen. Gebäude im klassizistischen
Stil folgen auf Pipelines, angelegte Gärten auf Baumaschinen. Immer
wieder werden diese, von menschlicher Einwirkung dominierten Abbildungen,
durch Naturdarstellungen von Tieren und Landschaften ergänzt. Die
einheitlich, monochrome Farbästhetik verbindet die Photographien
und betont deren formale Strukturen.
Die Schallplatte enthält sechs Stücke, die sich stilistisch
zwischen Dark Ambient und Industrial Noise bewegen und ist, verglichen
mit vorangegangenen Prurient Veröffentlichungen, über weite
Strecken sehr zugänglich. Wo sonst ausschließlich ohrenbetäubendes
Feedback und eine bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Stimme dem Hörer
einiges abverlangten, stehen in Rose Pillar leise Töne im Zentrum.
Bereits das erste Stück custer aimes his arrow, das ausschließlich
aus einer minimalistisch, repetitiven Synthesizermelodie besteht und durch
zurückhaltende Drones im Hintergrund, sowie dezenten Noise begleitet
wird, stellt den Grundtenor des gesamten Albums dar. Zwar steigert sich
der Anteil der Noise Elemente, die Fernow überwiegend mit einem durch
verschiedene Effekte geleiteten Mikrophon erzeugt, spürbar, doch
bleiben auch die atmosphärischen Melodieflächen dominant. Das
Stück hammer with forty names, bei dem auch der experimental Musiker
Kevin Drumm beteiligt ist, schlägt als erstes härtere Töne
an und bricht die zuvor aufgebaute Stimmung durch perkussive Elemente
und Samples, die an Industriegeräusche erinnern. Das Herzstück
der Platte ist das ca. zehnminütige spins the worlds wheel again,
bei dem Fernow mit tiefer und bedrohlicher Stimme über eine minimalistische
Komposition aus düsteren Drones und delayüberlagerten Keyboardlinien
spricht. Ungefähr ab der Hälfte des Songs schlägt die Stimme
in ein verzweifeltes Schreien um, dessen Intensität durch laute und
verzerrte Atemgeräusche noch verstärkt wird. Mit dem ruhigen
tractor replaces the horse, das melodische Elemente des ersten Stücks
wieder aufgreift, wird das Album abgeschlossen.
Der in den Bildern zwischen Natur und Kultur auftauchende
Kontrast wird von Prurient bei Rose Pillar auch musikalisch problematisiert.
Die harmonischen und ruhigen Wiederholungen der Melodie- und Akkordflächen
stehen in einem Gegensatz zu den Noise Elementen und dem Einsatz der verzerrten
und geschrienen Stimme und ergeben in ihrer Kombination dennoch ein homogenes
Gesamtbild. Die scheinbaren Gegensätze werden von Fernow so geschickt
verwoben, dass sie bei häufigerem Hören immer mehr verschwinden
und einem neuen Strukturempfinden weichen, das übergeordnete Zusammenhänge
und Ähnlichkeiten wahrnimmt.
Es scheint als sei Rose Pillar ein Versuch Prurients aus
den Dimensionen seiner älteren Arbeiten auszubrechen und in diesem
audiovisuellen Projekt nach Strukturen und Zusammenhängen zu suchen
die weit über die Musik hinausgehen. Im Bezug auf den behandelten
Tod eines engen Verwandten ließe sich dies eventuell sogar zu einer
Art Sinnsuche transzendieren.
Das Label Heartworm Press, das von
Wesley Eisold geführt wird und schon Bücher von Jonathan Shaw,
Boyd Rice und Chris Leo hervorbrachte, hat hier wieder eine spannende
und wegweisende Veröffentlichung vorgelegt. Vor allem die Verbindung
von Literatur, Photographie und Musik auf höchstem künstlerischem
Niveau macht Rose Pillar zu einer echten Besonderheit.
Patrick Kilian
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