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Princess
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Vertrieb: Universum
Regie: Anders Morgenthaler
Land / Jahr: Dänemark 2006
Drehbuch: Mette Heeno, Anders Morgenthaler
Musik: Mads Brauer, Casper Clausen
Originalsprecher: Thure Lindhardt, Stine Fischer Kristensen, Mira Hilli
Møller Hallund, u.a.
Darsteller: Jens Arentzen, Rasmus Bjerg, Jiming Cai, Rikke Hallund, Henrik
Ipsen, Christian Tafdrup
Technische Angaben
Laufzeit: 78 Minuten
Bild: 1,85:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Dänisch (Dolby Digital
5.1)
Untertitel: nicht vorhanden
Extras: Kinotrailer, Trailersammlung (5 Trailer)
Anspruchsvolle Animationsfilme sind hierzulande nicht
gerade weit verbreitet. Viele interessante Vertreter der Gattung sind
nur auf vereinzelten Festivals, zum Beispiel dem ITFS zu sehen und schaffen
von dort aus leider nie den Sprung in eine Medienlandschaft, welche von
computergenerierten Niedlichkeiten dominiert wird. So wohl auf dem Kino-
als auch auf dem DVD-Markt zeichnet sich ein ähnliches Bild: Abseits
des wachsenden Anime-Marktes scheint hier kaum Interesse an unbekannten
Kleinoden zu bestehen. So sind neben Compilations besagter Festivals noch
immer nur wenige Veröffentlichungen zu einer Hand voll Regisseuren
verfügbar. Beispielsweise können endlich Werke der Quay-Brüder
oder von Jan Svankmajer auf DVD betrachtet werden, jedoch dauerte es Jahre
bis diese den Weg in deutschsprachige Gefilde fanden. Abseits dieser wenigen,
respektablen Ausnahmen führt die Suche nach neuen Fundstücken
meist schnell ins Ausland.
In Anbetracht dieser tristen Verfasstheit ist es sehr erfreulich,
dass einer der interessantesten Animationsfilme der letzten Jahre kürzlich
in die Arme eines großen Verleihs geriet: Universum zeichnet sich
normalerweise nicht primär durch die Aufbereitung von Geheimtipps
aus, nahm sich jedoch tatsächlich Anders Morgenthalers Langfilmdebüt
PRINCESS an. Sein Film ist formal überaus spannend und stellt mit
energiegeladenen, experimentierfreudigen Bildern eine wütende, brutale
Abrechnung mit den Fehltritten der Pornoindustrie dar, die gleichermaßen
auch als bedrückendes Drama um einen gebrochenen Mann und ein traumatisiertes
Kind funktioniert.
August und seine Schwester Christina verlieren in jungen
Jahren ihre Eltern und wachsen als Waisen auf. Während August Zuflucht
in der Religion sucht, lernt seine lebensfrohe Schwester Charlie kennen,
der nach und nach beginnt, sie ins Pornogeschäft zu drängen.
Ein Umstand, mit dem August nur schwer klar kommt. Umso mehr, als Christina
schwanger wird und ein Kind gebiert, um das sie sich nicht kümmert.
August trennt sich im Streit von ihr und verreist als Missionar, will
bei seiner Rückkehr alles wieder gutmachen. Was er dann vorfindet,
ist jedoch fatal: Christina ist tot, Charlie verdient mit seinen Rechten
an ihrem Porno-Alias 'Princess‘ noch immer Unsummen. Schnell findet
August Mia wieder, die Tochter seiner Schwester, ein verschlossenes, kleines
Mädchen, das mittlerweile zutiefst traumatisiert scheint. Während
er den psychischen Wunden des Kindes auf den Grund geht und vergeblich
mit der Bitte an Charlie scheitert, den Verkauf von 'Princess‘-Artikeln
zu stoppen, um seine Schwester in Frieden ruhen zu lassen, entwickelt
er sich vom hoffnungsvollen Bruder zum rachehungrigen Pessimisten.
Morgenthaler baut in seinem Film durch die Kombination von
Spielfilmaufnahmen und stimmungsvollen Animationen ein durchdachtes Konzept
um den Leidensweg sympathischer Figuren auf, deren Schiksale man schnell
bedauert. Alle Rückblenden auf Augusts Schwester werden als dokumentarische
Handkameraaufnahmen inszeniert, die die akute, reale Problematik des Pornogeschäfts
untermauern sollen. Basierend auf diesem Stilmittel und auf der Empathie
für die Figuren begründet Morgenthaler zunächst die flächendeckende
Verurteilung der gesamten Pornoindustrie. Weiterhin legitimiert er damit
den blutigen Exzess, zu dem sich sein Film nach und nach entwickelt –
denn seine Antwort auf die Allgegenwart käuflicher Liebe ist die
Verstümmelung und Ermordung der Drahtzieher.
Ob diese Begründung ausreicht, sei dahingestellt. In
PRINCESS finden sich radikale Aussagen und Bilder, die deren radikale
Umsetzung zeigen. Morgenthalers inhaltliche Hasstirade gegen die Sexindustrie
wirkt dabei in ihrem Absolutheitsanspruch teils etwas verkürzend
und überzogen, die visuelle Drastik seines Films kann hingegen nur
als eindrucksvoll beschrieben werden. Selten sieht man einen Animationsfilm,
der Gewalt so nüchtern, hart und auch erschütternd vermittelt
und dabei erfolgreich vermeidet, in überzeichnetes Spektakel zu verfallen.
Den Gewaltbildern gegenüber stehen die Szenen um das Mädchen
Mia, die erfolgreich eine sehr melancholische Stimmung schaffen und nicht
minder eindrucksvoll bebildert sind.
Die Veröffentlichung von Universum schafft die Möglichkeit,
die kontroverse Geschichte Morgenthalers um eine Welt, der es an Liebe
mangelt, in ansprechender Qualität zu erleben. Lobenswert ist dabei:
Eine stimmige deutsche Synchronisation ermöglicht einem breiten Publikum
den Zugang zu dem Film, der aber wohl aufgrund seiner provokanten Ausrichtung
nicht ganz der typischen Vorstellung regulärer Animationsfans entspricht.
Wer sich dann doch den Film zu Gemüte führt, wäre sicherlich
auch oder vor allem an der Originalfassung interessiert. Diese ist zwar
vorhanden, aber absurderweise leider nicht untertitelt. Extras sind ebenfalls
keine auf der Disk zu finden.
Die PRINCESS-DVD von Universum hinterlässt einen etwas
gemischten Eindruck. Dies ist einerseits dem Film geschuldet, der durchweg
eindrucksvoll ist, aber doch etwas engstirnig vorgeht. Andererseits fragt
man sich bei der Veröffentlichung: Warum wurde die Mühe für
diese halbfertige DVD nicht ein wenig erweitert, um Fans ein hochwertiges
Release zu bieten? Wer sich ernsthaft für den Film interessiert und
wie hier erforderlich Dänisch spricht, greift auf die schön
ausgestattete Originalfassung zu, andere wählen Tartan um die Originalsprecher
zu hören. Ein konventionelles Publikum wird sich für PRINCESS
als Synchronfassung trotz seiner großen Stärken wohl nur geringfügig
interessieren. Die Offenheit von Universum für einen derartigen Film
muss in jedem Fall gewürdigt werden und lässt sich hoffentlich
auch hin und wieder auf andere Titel übertragen.
Ein inhaltlich etwas ungeschickter Debütfilm in
einer teilweise undurchdachten Veröffentlichung. Dennoch: Ästhetisch
und erzählerisch hervorragend, technisch sauber aufbereitet und somit
trotz allem sehr, sehr sehenswert.
(Dennis Vetter)
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