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„No Talk“
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Anbieter: Epix Media/ Euro Video
Regie & Konzept: Uli Wilkes
Laufzeit: ca. 30 min (insges.: ca. 180 min); Produktionsland: Deutschland
1998
FSK: o.A.
Genre: TV-Experiment
Bildformat: 4:3
Sprache: Deutsch; Ton: DD 2.0 Surround
Ländercode: 2
Extras: Multi-Angle-Funktionen, Interview mit Uli Wilkes, Szenen nach
der Sendung, Fotogalerie, Biografien von Regisseur und Moderatoren.
Die Kameras laufen. Sechs Menschen sitzen im Halbkreis
zusammen. Keiner spricht. Dreißig Minuten lang. Nicht, dass sie
nicht reden wollen oder keinen Blickkontakt suchen würden, im Gegenteil;
doch das Format heißt „No Talk“ und nimmt seinen Titel
ernst.
Als Abschlussprojekt wurde „No Talk“ 1998 von
Uli Wilkes im Zuge seiner Diplomarbeit an der Kunsthochschule für
Medien (Köln) realisiert, entstand also zu einer Zeit, in der die
Talkshow ihren Siegeszug im Kabelfernsehen angetreten hatte und nicht
nur die nachmittäglichen Sendeplätze füllte. Reden war
hier Programm, mit jedem und über jedes Thema, ohne dass deswegen
gleich jeder, der in einer der zahlreichen Shows aufgetreten wäre,
viel zu sagen gehabt oder vor der Kamera viel preisgegeben hätte.
Das gab es zwar gelegentlich auch (und gibt es immer noch), ist aber die
Ausnahme. Im Regelfall gilt als Prinzip nach wie vor: wer sich wortgewandt
oder –gewaltig vor der Kamera produzieren kann, macht eine gute
Figur und gibt im Idealfall nur das preis, was preisgegeben werden soll;
Worthülsen als Verkleidung, als Schutz oder als gefälliger Small
Talk, der keine Luft in die Unterhaltung einziehen lässt.
Was aber passiert, wenn diese Grundlage der (Fernseh-)Kommunikation
entzogen wird? Im Rahmen dieser Frage wurde „No Talk“ entwickelt,
eine ungewöhnliche und so einfache wie experimentelle Reaktion auf
das Fernsehen der Neunziger Jahre:
Wilkes führt in einem kleinen Studio die TV-Größen Alfred
Biolek, Giovanni di Lorenzo, Jürgen Domian, Arabella Kiesbauer, Bärbel
Schäfer und Roger Willemsen zusammen und damit eine kleine Gruppe
Prominenter, die einander zwar durch ihre TV-Präsenz bekannt sind,
einander aber nicht unbedingt näher kennen. Er gruppiert sie in einen
Halbkreis und fixiert alle mit Kameras; eine an jedem Sitzplatz, zudem
weitere im Raum verteilt. Die Sendung beginnt sofort, ohne einleitende
Worte oder präzise Aufgabenstellung, einziges Memo: es wird nicht
geredet. Der vor allem psychologische Reiz dieses 30minütigen Experiments
liegt in genau dieser Aufgabenstellung: wie gehen Personen, die normalerweise
routiniert und lässig vor der Kamera stehen, damit um, plötzlich
schweigen zu müssen und doch im Blickfeld der Kamera zu sitzen?
Zu Beginn herrscht Skepsis, werden verstohlen Blicke ausgetauscht,
wird gekichert und gehüstelt. Und doch reagiert von den ersten Minuten
an jeder anders, sucht den Blick der Kamera, des Gegenübers oder
vermeidet beides, blickt gedankenverloren vor sich hin oder beginnt ungeduldig
hin- und herzurutschen. Dann greift Wilkes kurz ein, verteilt Fragebögen
(die für die Zuschauer nicht einsehbar sind) und stellt schließlich
eine Kiste voller Bücher in die Runde – für alle eine
willkommene Ablenkung, wenn auch das Schweigen immer schwerer fällt…
Nach seiner Fertigstellung war „No Talk“ 1999 bereits im WDR
zu sehen und wurde im selben Jahr für den Grimme Preis nominiert.
Auf DVD veröffentlicht wird nun allerdings nicht nur der bereits
bekannte 30minütige Zusammenschnitt des Materials, sondern zusätzlich
auch große Teile des mehrere Stunden füllenden Rohmaterials,
so dass man nun per Fernbedienung zwischen den einzelnen Kameras hin-
und herschalten und sich den eigenen Blickwinkel wählen kann. Vervollständigt
wird das Bonusmaterial durch Informationen zu den Moderatoren, ein ca.
15 minütiges Interview mit Wilkes sowie einige bislang unzugängliche
Materialergänzungen der Sendung wie z.B. die Fragebögen und
einige, exemplarische Antworten, oder ein kurzer Zusammenschnitt der ersten
Minuten nach Ende der Aufnahme, in denen die Moderatoren sichtlich befreit
wieder mit- und durcheinander zu reden beginnen.
Sebastian Lauritz
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