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Einstürzende Neubauten
Kalte Sterne - Early Recordings
(Mute 2004) CD
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Pop-Archäologie bei den Neubauten. Bereits mehr als
zwanzig Jahre sind ins Land gegangen, seit die Einstürzenden Neubauten
begannen mit ihrem subversiven Geräuschkompositionen die Hörgewohnheiten
zu stören. Nun gibt es die ersten Lehrstunden über die Anfänge
und Ursprünge des Berliner Krachkollektivs. Damals wurde noch nicht
alles ganz in eine Kakophonie mit Alltagsgegenständen aufgelöst,
sondern trägt vielmehr die Klangfarben des Post-Punk, Indie und der
frühen Gothic-Phase. Mehr Bauhaus als Krachkultur, tauchen stellenweise
schon die inzwischen typischen Bohrer- oder Störgeräusche auf,
doch meist sind die Tracks in dem klassischen Rock-Instrumentarium aus
Bass, Gitarre, Gesang und Schlagzeug realisiert, noch nicht losgelöst
von tradierten Schemen wie kurze Zeit später die „Kollaps“-Aufnahmen.
„Kalte Sterne“ lebte allerdings schon damals vom psychotischen
und eindringlichen Blixa Bargeld-Gesang, der sich kurz danach stark zurücknahm
und erst später wieder in den Vordergrund trat, und von einer maschinell,
abweisenden Atmosphäre. Thematisch ziehen sich die `68er hier durch
das Werk. Die musikalische Terrorsympathie wirkt heute zwar out-of-date
und obsolet, dafür vermitteln die Stücke aber einen rituellen
und sperrigen Charakter, der spröde und sympathisch unprätentiös
erscheint. Die Early Recordings sind also nicht nur für jene interessant,
die gerne in den Geschichtsbüchern des Pop blättern, sondern
sind auch heute noch ein intensives Hörerlebnis.
Martin Kreischer
Perpetuum Mobile
2003 CD
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Ohne Ironie kann man die Postmoderne nicht verstehen, so
zumindest meint Umberto Eco. Ironie ist auch sicher einer der wesentlichen
Aspekte der Einstürzenden Neubauten, genauso wie ihre musikalische
Verdauung der Postermoderne. Alles wird Klang, alles wird Musik, das Objet
Trouvée der Surrealisten findet hier seinen klanglichen Raum. Textlich
ist vieles wieder Dada, Avantgarde, ein Mischmasch aus sprachlichem Rhythmus,
Tempo, narrativen Momenten und dem Spiel mit der Sprache. Assoziationen
werden aufgezogen und gebrochen, neue Bezüge gleich wieder verworfen.
Dabei ist die Masche natürlich inzwischen etwas in die Jahre gekommen,
die Aporien der Avantgarde spiegeln sich auch hier wieder, denn Neubauten
bleiben Neubauten, Unerwartetes greift nicht ein, bleibt außen vor,
die Avantgarde wird zur Wiederholungsschleife. Dafür wieder intellektualisierte
Musik für Denker und Fühler, zugänglicher und weniger sperriger
als einst, weniger subversiv und anklagend, dafür aber auch weniger
anstrengend und leichter konsumierbar. Man schwingt also weiter in der
Richtung des Vorgängeralbums „Silence is sexy“ und, wie
der Titel es schon verrät, diese Bewegung ist nicht endlich.
Martin Kreischer
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