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Monsterthursday/ Wellenlängen
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Norwegen 2004
Regie: Arild Ostin Ommundsen
Drehbuch: Gro Elin Hjelle und Astrid Ostin Ommundsen
Kamera: Trond Hoines
Schnitt: Erik Andersson
Musik: Nils Erga
Produzentin: Ingrid Festoy Ottesen
Darsteller: Vegar Hoel, Silje Salomonsen, Andreas Cappelen, Kim Bodnia,
Christian Skolmen, Iben Hjelje
Anbieter: Epix
Laufzeit: ca. 99 Minuten
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Bild: 16:9
Audio: DD 5.1
Sprachen: Norwegisch/Dänisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch (in der Originalversion nicht ausblendbar)
Bonusmaterial: Originaltrailer, Musikvideo von Thomas Dybdahl (ca. 4 Minuten),
Bretter, die die Welt bedeuten (ca. 7 Minuten), SFX (ca. 3 Minuten), Biografien,
Epix-Trailershow.
In Anlehnung an BIG WEDNESDAY (John Milius, 1978)
erzählt Arild Ostin Ommundsen eine Liebesgeschichte rund ums Surfen
und Erwachsenwerden im rauen Norwegen. Statt sich in Shorts und Bikini
am Strand in der Sonne zu aalen, trotzen die Sportler in Neoprenanzügen
und Wollpulli der Kälte. Doch anders als in der Vorlage dominiert
hier nicht der Sport sondern das Zwischenmenschliche.
In den ausgehenden 70ern zeigte Milius drei junge Männer
im Wandel über einen Zeitraum von knapp 20 Jahren. Sie schwänzen
als Jugendliche schon mal die Schule, nur um stundenlang die Wellen anzuschauen.
Sie machen einen Roadtrip durch Mexiko auf der Suche nach dem perfekten
Strand. Sie geben Partys mit der Surfclique, verlieben sich, gehen Beziehungen
ein, heiraten und zeugen Kinder. Und immer finden sich die drei Freunde
auf dem Brett im Meer wieder. Selbst der Vietnamkrieg, Rassenunruhen und
neue Trends wie Skateboarding und die Hippies gehen scheinbar spurlos
an dem Trio vorüber. Das Surfen überdauert alles. Inhaltlich
wie visuell fokussiert der Film den Sport und das damit verbundene freie
Lebensgefühl. Er spielt fast ausschließlich am Strand und spart
das Innland aus. In Kalifornien scheint immer Sommer zu sein. Nur mit
Shorts bekleidet reiten die Jungs das Meer, das die gleißende Sonne
in einen weißen Spiegel verwandelt. Die Bilder vom Surfen selbst
sind atemberaubend und innovativ. Von der Bordspitze filmt die Kamera
durch die 'tube’, die Röhre der sich über dem Surfer kreisförmig
brechenden Welle. Milius’ Hommage an den Funsport ruft Erinnerungen
an nie enden wollende Sommerferien in der sorglosen Kindheit wach.
So lässt sich der BIG WEDNESDAY als Übergang
zum Erwachsensein deuten. Der ehemalige lokale Champ Matt (Jan-Michael
Vincent), inzwischen Vater und Poolreiniger, beweist noch einmal sich
und den Zuschauern sein Können, stirbt aber fast bei dem Versuch,
die Monsterwelle zu reiten. Auch sein Freund Jack (William Katt) ist durch
die Nahtoderfahrung im Krieg gereift. Nur der dritte im Bunde, Leroy (Gary
Busey), mag nicht erwachsen werden und streift fortwährend an den
Stränden umher, immer auf der Suche nach der nächsten guten
Welle, Party oder Frau. In der finalen Initiation lassen zwei der drei
Jungs bewusst das unbeschwerte Lebensgefühl hinter sich und verpflichten
sich ihrem Dasein als Ehemann. Sie machen Platz für die nächste
Generation, verkörpert durch einen schnurrbärtigen Jugendlichen,
wie es einst Bear (Sam Melville) tat, der dem Trio fortwährend die
Bretter anfertigt.
Die Rolle des knurrigen Seebären (Skip) übernimmt
in MONSTERTHURSDAY Kim Bodnia (IN CHINA ESSEN SIE HUNDE). Auch er stellt
vor Ort die Surfbretter her. Doch sind außerdem nicht all zu viele
Parallelen zwischen den beiden Filmen zu sehen. Während Milius’
Film sich vollends dem Surfen verschrieben hat, nimmt es bei Ommundsen
eine untergeordnete Rolle ein. Es ist vielmehr Evens (Vegar Hoel) Selbstfindung
und Reifung, die den Film vorantreibt. Durch das Surfen sucht er innere
Balance zu finden und die hochschwangere Karen (Silje Salomonsen) zu beeindrucken,
die er noch immer liebt. Doch muss er als Trauzeuge ihrer Hochzeit mit
seinem besten Freund Tord (Christian Skolmen) beiwohnen, nutzt aber die
Gelegenheit, um ihnen zu sagen, dass dies der schlimmste Tag in seinem
Leben ist. Kurz nach der Hochzeit verschwindet Tord nach Singapur, bittet
Even aber, sich um Karen zu kümmern, die bald entbinden wird. Es
entspinnt sich eine Geschichte aus Loyalität, wieder aufflammenden
Gefühlen und Gewissensbissen. Diese Dreieckskonstellation und Evens
lethargisches Temperament geben dem Film seine melancholische Grundhaltung.
Sie spiegelt sich neben dem dominierenden Musikstück
auch im visuellen Stil wider, der wie ein Negativ zu Kalifornien wirkt.
Vor wolkenverhangenem Himmel peitscht der Wind die Gischt an den Geröllstrand.
Blassgrünes Gras sprenkelt kärglich die zerklüfteten Felsen.
Regen prasselt auf die moosfarbene See nieder. Selbst wenn sich die Sonne
durch Wolkenfetzen quält, wirkt die Landschaft herbstlich-melancholisch,
die Luft dennoch kühl. Ganz im Gegensatz zu Milius’ Leichtigkeit
unterdrückt die schwere Stimmung hier scheinbar alles. Doch auch
die Menschen im kühlen Norden wollen lieben. Und so schwärmt
Evens Freund Beckstrom (Andreas Cappelen), der einem aufgedunsenen Ewan
McGregor erstaunlich ähnlich sähe, immerfort für neue Frauen.
Auch Seebär Skip verlässt nach emotionalem Winterschlaf noch
knurrig seine Höhle und öffnet sich nur behutsam der Meteorologin
Sara (Iben Hjelje, HIGH FIDELITY). Sie prophezeit den Monsterdonnerstag
mit urgewaltigen Wellen. An diesem Tag trifft Even eine Entscheidung,
die alles verändern wird.
In den spärlichen Extras ist unter „SFX“
zu erfahren, dass der zuvor beschriebene düstere Himmel aus dem PC
stammt, und wie Menschen, Vorder- und Hintergründe verschmolzen wurden,
um den gewünschten Effekt zu erzielen. Warum die ohnehin schon finsteren
Originalbilder nicht genüge getan hätten, bleibt unklar. Darüber
hinaus stehen diese digitalen Tricks dem Film visuell und atmosphärisch
eher im Wege, als dass sie ihm hälfen. Die von Geröll gesäumten
Strände, die nur schwach ausgebauten Strassen und die simplen Häuser
in der kargen Küstenlandschaft zeugen von naturverbundenem Leben.
Weil die digitalen Interpolationen unsauber anmuten und natürliche
Konturen verwischen, drängt sich beim ersten Sehen des Filmes ein
distanzierendes Gefühl auf, das eine weitere Identifizierung verhindert.
Milius setzte einst auf authentische Bilder und tat gut daran. Ommundsens
Film versucht indes aus unerklärlichen Gründen, den ohnehin
tristen Charakter der Originalbilder künstlerisch aufzuwerten –
was nicht gelingt –, als vertraue er nicht der den Aufnahmen eigenen
Wirkung. Die digitalen Einschübe machen zwar nur einen geringen Teil
aus, muten aber wie Wellenbrecher in einem Film an, der ansonsten durchaus
einen Sog entwickeln könnte, würde er sich auf sich selbst besinnen
und nicht zwanghaft versuchen, der Geschichte den Fremdkörper Surfen
aufzupflanzen.
MONSTERTHURSDAY orientiert sich an einer schwer zu
imitierenden Vorlage, deren visuellen Stil sie nicht annähernd dupliziert.
Hier stellt sich die Frage, warum überhaupt das Surfen und die damit
verbundenen Einstellungen der Actionsequenzen in einem kleinen Film um
Gefühle im kalten Norden Einzug halten müssen. WELLENLÄNGEN
hätte sehr gut als melancholische Geschichte um enttäuschte
und behutsam aufkeimende Liebe mit vereinzelten komischen Farbtupfern
funktioniert. Das Thema Surfen wirkt wie eine neonpinke Kuh auf einer
herbstlichen Wiese, wie ein Technobeat über einer langsam getragenen
Weise. Deutlich stimmiger mutet indes der Kurzfilm BRETTER, DIE DIE WELT
BEDEUTEN in den Extras an, der aus Filmbildern und nicht verwendetem Material
eine trübsinnige Melange schafft. Die tristen, wenn auch melancholisch
schönen, Bilder ziehen den Zuschauer in ihren Bann und entfalten
eine sogartige Wirkung, die ihn gefangen nimmt wie Bilder in einem Traum.
Der Kurzfilm wirkt wie die Essenz des Hauptfilms, der sich atmosphärisch-visuell
besser an ihm orientiert hätte. So wird eine in sich stimmige Geschichte
um Liebende im rauen Norden leider getrübt durch Anleihen bei unpassenden
Vorlagen. Es ist schade um eine anrührende Filmidee, der Ommundsen
mehr hätte zutrauen sollen.
Ingo Stelte
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