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Martial Frühjahr 2010
Der Großimperiale Traum. Rom steht emblematisch
für den Fall einer Großmacht, welcher von Größenwahn,
dekadentem Lebensstil und räumlicher Überdehnung befeuert wurde.
Die glorreichen Zeiten auf den Höhepunkt des römischen Reiches
werden immer wieder gerne besonders im bombastisch geprägten NeoKlassik-Bereich
gefeiert.
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Dabei sind die meisten Formationen recht einfallslos und
ergeben sich im Zitieren des Gladiator-Soundtracks, was auch auf Ignis
Urbis Mithrae (WAR Records) zutrifft. Besonders die billigen Keyboardflächen
sind nicht mehr zeitgemäß und hätten bereits in den späten
90ern antiquiert gewirkt. Dazu gibt es ein paar eingesungene Chöre,
die ebenfalls dilettantisch und vor allem auffällig nachbearbeitet
wirken – ganz im Gegensatz zu dem professionell gestalteten Artwork.
Ignis Urbis Mithrae wollen Triarii oder The Protagonist sein, stolpern
aber über veraltete Technik und eine lieblose Produktion. Da hilft
auch so manch gelungener Ansatz in den Arrangements nicht: Wer kein Interesse
an Keyboard-Streichern oder synthetischen Bläsern aus der Casio-Soundmaschine
hat, wird mit dem Debüt Sacrae Romanae Origines nicht warm werden.
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Tethrippon (Steinklang) hingegen schielen auf eine andere Klientel. Laut
Eigenaussage will man an Dernière Volonté und Dead Can Dance
anknüpfen – zwei viel zu große Schuhe, welche die Griechen
ins Straucheln bringen. Auch hier herrscht der Plastiksound der Keyboards
vor, klingt aber wesentlich organischer als bei Ignis Urbis Mithrae –
statt Römern gibt es hier einen Bezug auf die hellenistische Kultur,
der sich ganz gut in das Konzept einfügt. Von Derniére Volonté
will man das poppige übernehmen und vergnügt sich mit recht
simplen Refrain/Strophe-Strukturen. Von den eingängigen süßlichen
Melodien der Franzosen sind Tethrippon weit entfernt, die Arrangements
haben jedoch durchaus eine eigene Handschrift und könnten in der
Zukunft ihr wahres Potential entfalten – auf dem Debüt wirkt
aber vieles noch zu gewollt und forciert. Tethrippon haben aber einige
nette Momente zu bieten, welche Military-Pop-Fans zufrieden stellen dürfte.
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Weniger Bombast und mehr Martial-Industrial gibt es zu dem Römer-Thema
bei Hrossharsgrani (Steinklang) zu hören. Die Formation nutzt auf
Pro Liberate Dimicandum Est kratzige Flächen, wummernde Drones und
hörspielartiges Material, um den Brückenschlag in die Vergangenheit
zu vollführen. Das ist auf die Dauer etwas eintönig und kann
die Spannung nicht über die gesamte Strecke des Albums halten –
aber immerhin weniger generisch als das Material von Urbis Ignis Mithrae.
Hrossharsgrani können durchaus Atmosphäre aufbauen, zwängen
sich jedoch unnötigerweise soundtechnisch in das immer gleich Korsett:
Samples aus Sandalenfilmen, die in ihrer Rhythmisierung ein wenig an Bearer
of the inmost sun erinnern, Rauschen im Hintergrund, martialische Elemente
ergänzt durch Soundkollagen, die auch vor manchem Sunn O)))-Gedenkriff
nicht halt machen. Das alles hat einen eigenen Stil und ist nicht direkt
mit anderen Formationen zu vergleichen – ruht sich allerdings darauf
aus und kann im Verlauf der ausgedehnten Stücke nur wenig überraschen.
Insgesamt sind die drei Beispiele ein guter Beleg
dafür, dass der Martial Industrial sich etwas im Kreis dreht und
kaum aus den eigenen Grenzen ausbrechen kann. Pflichttitel für Fans
ist keines der Alben, am ehesten dürfte Tethrippon die Hörerschaft
zufrieden stellen. Innovation sieht allerdings anders aus.
Ivan Kostor
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