Maska Genetik

Strada

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Label: Galakthorrö
Format: CD, LP
Veröffentlichung: 01.06.2011

Das deutsche Label Galakthorrö, das auch Haus Arafna beherbergt, veröffentlicht mit Maksa Genetiks „Strada“ ein außergewöhnliches Album, das den Hörer ab der ersten Minute gefangen nimmt. Hinter diesem Projekt verbirgt sich der Moskauer Künstler Amon Radek, der auf diesem Werk die Tiefen der menschlichen Psyche auslotet. Musikalisch bewegt er sich hierbei zwischen düsterem Synth-Pop und Post-Industrial, was Galakthorrö nicht untreffend mit Angst-Pop umschrieben haben.

Das Album beginnt mit dem Titeltrack „Strada“, der durch seine pulsierenden Synthesizer Patterns direkt zum Hörer vordringt und diesen auf die akustische Klaustrophobie der kommenden Stücke vorbereitet. Im zweiten Titel dient Rainer Maria Rilkes Gedicht „Ernste Stunde“ als Textgrundlage, das auch im Booklet der CD abgedruckt ist und so gewissermaßen die Programmatik des Werkes symbolisiert. „Ernste Stunde“ wird von einem stoischen Beat nach vorne getrieben, der in seiner Eindringlichkeit an die No-Wave Wegbereiter Suicide denken lässt. Der Gesang, der auf der gesamten Platte eher einen beschwörenden Gebetsduktus verfolgt als tatsächlich konventionell vorgetragen zu werden, tut sein übriges und verleiht „Strada“ eine faszinierende Bedrohlichkeit. In den langsameren Titeln die sich immer am Rande der Selbstauflösung befinden und nur durch einen seidenen Faden zusammengehalten zu sein scheinen, wirkt Radeks verzerrte und oft völlig unverständliche Stimme wie ein verzweifelter Klageruf aus einer anderen Welt.

Besondere Beachtung verdient die hohe Homogenität des Albums, das immerhin Material aus einem Zeitraum zwischen 2002 und 2005 enthält. Vor allem wenn ein Künstler so sehr auf Stimmung setzt, wie Maksa Genetik dies tut, ist eine zusammenhängende Atmosphäre sowohl in Komposition als auch in Produktion notwendig. Diese wurde auf vortreffliche Weise geschaffen und verschmilzt „Strada“ zu einer untrennbaren Einheit. Die Befürchtung seitens Galakthorrö mit „Strada“ Radeks ersten und wahrscheinlich letzten Longplayer veröffentlicht zu haben wird sich hoffentlich nicht bewahrheiten – zu eigenständig ist dieses Werk und ruft nach Fortsetzung. Über die gesamte Länge wird eine zermürbende Spannung aufrechterhalten und durch monotone Rhythmusfiguren und teils fast debil anmutende Synthesizer-Oszillationen zur psychischen Belastungsprobe getrieben.

„Strada“ von Maska Genetik sei all jenen zu empfehlen, die sich auf die konsequente Klang-Dystopie und deren Untiefen einlassen wollen. Georg Büchner schreibt in seinem Woyzeck: „Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Über hundertsiebzig Jahre nach der Abfassung dieser Zeilen liefert „Strada“ erneut den musikalischen Beweis für diese Prognose. Eine großartige Veröffentlichung, der vielleicht ein etwas passenderes Cover besser gerecht würde, die ansonsten jedoch höchste künstlerische Qualität aufweist.

Patrick Kilian