UN BIANCO VESTITO PER MARIALE

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Label: Camera Obscura
Laufzeit: 85 min.
Regionalcode: 2
Produktionsjahr: 1972
Produktionsland: Italien
Regie: Romano Scavolini
Bildformat: 2.35:1, 16:9 Anamorphic Widescreen
Ton: Italienisch (Dolby Digital 2.0 Mono)
Untertitel: Englisch, Deutsch
Extras:
Audiokommentar von Marcus Stiglegeger und Christian Keßler
Featurette „Esoteric & Cryptic“ (Interview mit Romano Scavolini)
Deleted Scenes
Trailer (Italien, Frankreich)
Foto-Galerie
Booklet von Kai Naumann

Ein abgelegenes, altes Schloss in Mitten eines fast verwunschen wirkenden Gartens. Ein gruseliger Diener. Eine eingesperrte, traumatisierte junge Frau. Eine dekadente Orgie mit kostümierten Gästen und ein Keller voller handgenähter Puppen. Was klingt wie der Stoff aus dem albtraumhafte Horrormärchen gemacht sind, ist das Setting von Romano Scavolinis erstem Genre-Film UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ (SPIRITS OF DEATH, 1972).

Der Film beginnt mit einer verheißungsvoll paradiesisch wirkenden Szene, in der die junge Marialé den Mord an ihrer Mutter und ihrem Geliebten durch den Vater – der sich schließlich selbst erschießt – miterleben muss. Diese technisch versierte und überaus ästhetisch fotografierte Rückblende eröffnet nicht nur den Zugang zu Marialés Trauma und damit in ihre zerrüttete Psyche, sondern bildet auch die narrative und stilistische Klammer des Films.

Die Haupthandlung spielt sich in einem alten Schloss ab, in dem die inzwischen erwachsene Marialé (Ida Galli) – abgeschottet vom Rest der Welt – mit ihrem eigensinnigen Ehemann (Luigi Pistilli), besagtem unheimlichen Diener (Edilio Kim) und dessen eingesperrten Tieren lebt. Als unerwartet einige Gäste auftauchen, die Marialé heimlich eingeladen hat und deren dekadente Party zu einer abstrusen Orgie ausartet, gerät die Situation außer Kontrolle, wobei immer mehr Partygäste einen gewaltsamen Tod erleiden müssen. Zum Schluss bleiben nur Marialé, ihr ehemaliger Geliebter (Ivan Rassimov), ihr Ehemann und seine gleißende Eifersucht…

Stilistisch lässt sich Scavolinis Werk zwischen Giallo und italienischem Gothic Horror verordnen und kann thematisch als Vorläufer zu seinem weitaus bekannteren Genre-Klassiker NIGHTMARE (NIGHTMARE IN A DAMAGED BRAIN, 1981) gesehen werden. Dass UN BIANCO VESTITO PER MARIALÉ, der ausschließlich mit italienischer Tonspur vorliegt, nun erstmals dem internationalen Markt zugänglich gemacht wird, ist dem für seine außerordentliche Qualität bekannten Label Camera Obscura zu verdanken, das den Film als No.11 seiner 'Italien Cinema Collection‘ herausbringt.

Dabei erscheint die DVD nicht nur äußerlich in gewohnt ansprechender und qualitativ hochwertiger Qualität – auch der Film selbst liegt in sehr guter Auflösung mit tiefen, kontrastreichen Farben vor. Auch die italienische Dolby Digital 2.0 Mono Spur klingt klar und bringt den tollen Soundtrack der Großmeister Fiorenzo Carpi und Bruno Nicolai toll zur Geltung.

Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Extras, die dieser DVD beigefügt sind. Neben den beinahe obligatorischen „Deleted Scenes“, italienischem und französischem Trailer und der Foto Gallerie, findet sich das eigens für Camera Obscura produzierte Featurette „Esoteric & Cryptic“, das ein fast vierzig-minütiges Interview mit Scavolini liefert, in dem er neben interessanten Hintergrundinformationen zur Produktionsgeschichte von MARIALÉ auch auf seinen Werdegang als Filmemacher eingeht.

Eine sehr gezielte, überaus fundierte und interessante Analyse zu MARIALÉ findet sich in dem von Kai Naumann verfassten Booklet. Er geht darin nicht nur auf die Nähe des Films zum Giallo und dem Gothic Horror ein, sondern entschlüsselt auch die stark psychoanalytischen Motive des Films und verordnet diesen in einem literatur- und filmhistorischen Kontext, wodurch das Werk für den Rezipienten sehr an Tiefe gewinnt.

Noch weitaus intensiver gehen Marcus Stiglegger und Christian Keßler in ihrem nicht nur technisch sehr hochwertigen Audiokommentar auf die Einordnung des Werkes im Großen und Ganzen ein. Dabei behandeln sie mit einem erstaunlichen Hintergrundwissen – aber stets mit dem nötigen Humor – Scavolinis Œuvre, welches sie filmhistorisch kontextualisieren und zu einigen anderen (italienischen) Genre-Filmen von Größen wie Pasolini, Bava oder Fulci in Bezug setzen. Zudem bieten die beiden Filmwissenschaftler einen Exkurs in psychoanalytische und filmwissenschaftliche Theorien und Ansätze, die maßgeblich zum Verständnis des Films beitragen und die Analyse vorantreiben. Dabei schaffen sie es jedoch immer den Unterhaltungsfaktor nicht zu kurz kommen zu lassen.

Alles in allem also wieder eine absolut herausragende Veröffentlichung von Camera Obscura – dem Label, dass kinematographischen Perlen die Aufmerksamkeit widmet, die sie verdient haben. Diese Veröffentlichung kann man wirklich nicht nur Genre-Kennern ans Herz legen.

Semra Serhadli