Loss
I Am But The Sum Of My Conditions
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Label: Ant-Zen Records
Format: CD
Veröffentlichung: 12. Juni 2013
„I Am But The Sum Of My Conditions“
– bereits der Titel fasst das neue Album des amerikanischen Post-Industrial
Projekts Loss in verdichteter Form zusammen. Nach einer Pause von über
sieben Jahren seit der letzten Veröffentlichung legt Dan Fox nun
ein Werk vor, das sich gerade über sein Facettenreichtum, oder schärfer
formuliert, über seine stilistische Uneinheitlichkeit definiert.
Während die ersten beiden Stück „smear“ und „cruciation“
durch eine offene Akustik sowie rhythmisch-treibende Electro-Grooves gekennzeichnet
sind, schlägt bereits der dritte Track „product of a poor self-esteem
case two: drunk and delusional“ eine andere Richtung ein: aggressive
Verzerrung, verfremdeter Schreigesang sowie harte, mechanische Percussions
zitieren Power-Electronics und durchbrechen dadurch die zuvor entwickelte
Atmosphäre.
Die dann folgenden Stücke „session“ und
„instrumental“ fangen diesen Bruch erneut ab, greifen ins
Ambient über und erweitern damit abermals die Bandbreite des Albums.
Diese stilistische Offenheit und Uneindeutigkeit finden ihr Äquivalent
in der großen Anzahl der verwendeten Klangerzeuger: Synthesizer,
Gitarren, Live-Percussions und Effekte verbinden sich mit Hard- und Software
in einem Brennpunkt vielfältiger Klangmanipulationen. In diesem vielgestaltigen
Soundpool entsteht und definiert sich „I Am But The Sum Of My Conditions“,
um Dan Fox’ komplexen Befindlichkeiten eine musikalische Entsprechung
zu geben.
Dieses Album hat Geständnischarakter und kann als
Geste der bedingungslosen Offenlegung des Innenlebens seines Künstlers
gelesen werden. Kein noch so tief liegendes Trauma, keine noch so verstörende
Neurose soll verborgen bleiben. Das Cover zeigt den computer-tomographischen
Querschnitt eines Gehirns in Draufsicht. Nach mystischer Seelenschau,
religiöser Beichte und psychoanalytischer Behandlung verweist diese
neurowissenschaftliche Ikone unserer Gegenwart auf den Wachtraum der Wissenschaft
zu einer restlosen Aufklärung der Prozesse im Subjekt zu gelangen.
Emotionen werden dabei auf elektrische Impulse reduziert und Gefühle
in einzelnen Hirnarealen verortet. Nur was sich messen und visualisieren
lässt, existiert. Mit „I Am But The Sum Of My Conditions“
hat Loss einen ästhetischen und möglicherweise subversiven Ansatz
gegen dieses hegemoniale Modell entwickelt, der auf die Komplexität
des psychischen Innenlebens gerade in Form ihrer Widersprüchlichkeit
und Uneindeutigkeit verweist. Ein kritischer Kommentar auf den Reduktionismus
der Neurowissenschaften und künstlerisch sehr gelungenes Album.
Patrick Kilian
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