Liars

WIXIW

BESTELLEN

Label: Mute Records
Format: CD; Vinyl+CD
Veröffentlichung: 04.06.2012

„WIXIW“ ist das sechste Studioalbum der Experimental-Formation Liars. Rast- und ruhelos hat sich die Band in den letzten Jahren immer wieder grundlegend neu erfunden. Nach dem in New York aufgenommenen und von der Presse sehr positiv rezipierten klassischen Wave-Punk Erstling (2001) folgte zwei Jahre später der radikale Bruch: Personelle Veränderungen und die Entscheidung ihr nächstes Album nicht im Big Apple sondern in einer Hütte in den Bergen aufzunehmen, brachten ein Werk hervor, das noch heute nur schwer hörbar ist. Das Konzeptalbum „They Were Wrong, So We Drowned“ (2003) thematisierte die Hexenprozesse von Salem und war klanglich in ein extrem sperriges No-Wave/Noise-Gewand gekleidet. Danach folgte das 2006 veröffentlichte rhythmisch-hypnotische „Drum’s Not Dead“ für das die Band nach Berlin umzog. Gewissermaßen ganz im Stile David Bowies oder Lou Reeds. 2007 suchte die Gruppe dann auf dem selbstbetitelten „Liars“ nach ihren Wurzeln im Rock, um sich 2010 auf „Sisterworld“ in Richtung Ambient zu bewegen. Diese Bewegung führt „WIXIW“ nahtlos weiter.

Das erste Stück „The exact color of doubt“ erhebt sich sehr behutsam aus einem Synthie/Ambient-Fundament. Die beschwörend, tiefe Stimme von Sänger Agnus Andrew wird hierbei nur durch arbiträre Schlagzeugeinsätze unterbrochen. Der zweite Titel „Octagon“ beginnt ohne langes Vorspiel mit monoton pulsierenden Bässen und einem vertrackten Beat, der an ruhigere Autechre Stücke denken lässt. Auch im weiteren Verlauf bleibt das Album auf einem hohen Spannungsniveau, welches das Trio durch ein sehr konzises Sounddesign und repetitive Kompositionen zu erzeugen weiß. Düstere Klänge treffen dabei auf sporadische Gitarren-Akzente, vereinzelt wird der elektronische von einem akkustischen Beat überlagert und über allem thront Andrews lethargischer Gesang, der das ‚Hexenprojekt’ nie ganz überwunden zu haben scheint. Mit „Annual moon words“ endet „WIXIW“ versöhnlich und löst sich – ganz so wie es begonnen hatte – wieder in Formlosigkeit auf.

Erneut ist es den Liars gelungen ein Album zu produzieren, das seiner Zeit weit voraus zu sein scheint. Während sie auf ihren vorangegangen Alben Tonalität (2003), Rhythmik (2006) oder musikalische Genrekonventionen (2007) problematisiert haben, widmet sich „WIXIW“ ganz der klanglichen Oberfläche und Textur der Musik. In fast vollständig synthetisierter Klangästhetik legt die Band Schicht über Schicht und beweißt damit, dass Komposition nicht nur in der zeitlichen Aneinanderreihung von Tönen bzw. Tonfolgen, sondern eben vor allem im Arrangement von Klängen in einem Moment. Ohne dabei zu übertheoretisieren berührt „WIXIW“ musikalische meta-theoretische Diskurse. Trotz seiner 43 Minuten Spielzeit erscheint das Album als ein einziger Moment, nur dass dieser eben auf Albumlänge gedehnt wurde.

Die unterkühlte Klangästhetik wird von dem nüchtern-minimalistischen Artwork großartig antizipiert und mit gleicher Konsequenz umgesetzt. In der ersten Zeile der Platte singt Andrew: „I wonder where you go...“ – diese Frage muss der Hörer nach diesem Album an die Liars zurückgeben; ohne Rücksicht auf Publikum oder Presse bleiben sie weiterhin die Künstler der Verwandlung, schlagen Haken, sind ungreifbar aber faszinierend und impulsgebend. Ohne Zweifel liegt hier eines der Alben für 2012 vor!

Patrick Kilian