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Joolie Wood
Tales of Colour and White
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(10 To 1 2006) MCD 4 Tracks
Von Zeit zu Zeit erreicht den verwöhnten Musikrezensenten
eine CD, die ihm die Tränen in die Augen treibt. Ein Stück Musik,
das wehmütigste Erinnerung aufkommen lässt, das auf allen Ebenen
vereinnahmt und zugleich die passenden Worte missen lässt. So eine
CD ist das kurze (4 Songs) Solo-Debüt von Joolie Wood, die seit 15
Jahren bei Current 93 geigt und singt. War
sie zunächst ein Ersatz für die Engelszunge von Rose McDowall,
wurde bald deutlich, dass sie einen ganz eigenen Akzent mit in David Tibets
Projekt einbrachte. Und es sollte viele Jahre dauern, bis sie sich durchrang,
ein eigenes Werk zu veröffentlichen. Wer Joolie Wood bislang für
ein gereiftes Hippie-Mädchen hielt, wird mit "Tales of Colour
and White" auf ganzer Linie bestätigt. Im besten Sinne allerdings.
Mit der instrumentellen und stimmlichen Unterstützung
ihrer Current 93-Kollegen Simon Finn, Karl Blake, Baby Dee und Maja Elliot
erschuf sie ein Kleinod bestechender Folkmusik - jedes Stück getragen
von einem eigenen Charakter und Stil, jedes Stück für sich ausdrucksstark
und emotional. Während der "Jewel Song" noch als atmosphärisches
Vorspiel durchgeht, ist das pantheistische "You Own the Universe",
das Verse aus dem Buch Jesaja zitiert, ein faszinierender Ohrwurm. Joolies
mädchenhafte Stimme klingt lange nach, die bewusst organisch gezupften
Saiten (mit Quietschen und Klicken) schaffen eine Intimität, die
vielen aktuellen Folkproduktionen abgeht. "Where all Flowers Grow"
ist vermutlich inspiriert von einer persönlichen Verlusterfahrung,
die sich radikal und in beklemmender Melancholie auf den Hörer überträgt.
Karl Blake grummelt den Text parallel zu Joolies klarer Stimme und schafft
einen irritierenden Kontrapunkt, der sich dennoch harmonisch ins Gefüge
einpasst. "Melt With the Snow" unternimmt Ähnliches, indem
Blake hier eine schrammelige, dronige E-Gitarre einsetzt, doch auch dieses
Stück entfaltet sich zur holistisch-spirituellen Folkhymne.
Wer Joolie Wood live erlebt hat, äußerte
nicht selten den Wunsch nach einem Album, und auch diese Mini-CD kann
nur als Vorgeschmack auf ein großes, zutiefst persönliches
Werk gelten, das sich hoffentlich am Horizont abzeichnet. Wer den weiblichen
Aspekt von Current 93 in dieser Intensität seit Jahren vermisst,
soll auf Joolie Woods Debüt auf keinen Fall verzichten. Ein wunderbares
Kleinod...
Marcus Stiglegger
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