John Maus

We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves

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Label: Upset! The Rhythm
Format: Vinyl, CD
Veröffentlichung: 27. Juni 2011

Der Titel des Albums „We must become the pitiless Censors of ourselves“ ist ein Zitat und entstammt dem Essay „Fifteen Theses on Contemporary Art“ des französischen Philosophen Alain Badiou. Neben der inhaltlichen Bezugnahme verdeutlicht diese intertextuelle Referenz John Maus’ künstlerische Vorgehensweise: Genau wie sein Titel, ist das dritte Studioalbum des Amerikaners ein großes Zitat. Auch als theoretische Grundlage für das Aufgreifen unterschiedlicher Versatzstücke mag abermals auf Badious Essay über zeitgenössische Kunst verwiesen werden: „Art is the impersonal production of a truth that is addressed to everyone“, lautet These 4. Hinter der „impersonal production“ verbirgt sich der Glaubensartikel einer sich zersetzenden Autorschaft, jenem 'Tod des Autors’ den Roland Barthes 1967 erstmals verkündete. Dieses Postulat wurde seinerzeit in der akademischen Welt durchaus von einer gewissen Bestürzung begleitet. Was Barthes ursprünglich in den Diskurs brachte und Badiou hier reproduziert, wird nun von John Maus künstlerisch umgesetzt.

Musikalisch bewegt sich Maus in seinem Kompositionen so ziemlich zwischen allen Genres, die nicht zusammen passen oder zusammen gehören: er mischt Joy Division mit Roxy Music und den Softcore-Kitsch von Alphaville mit der Entrücktheit des Cold Wave. Zuckerglasierte Synthesizer treffen auf trockene 80er Drum-Computer-Beats und teils verstörend depressive Lyrics. Maus’ dunkle und mit Hall-Schwaden überlagerte Stimme liegt dabei zwischen Ian Curtis, Peter Murphy oder David Bowie. Trotz der unbestreitbaren Tanzbarkeit der überwiegend in Mid-Tempo arrangierten Stücke bleibt das Album allerdings zu ambivalent für echten Disko-Appeal. So bricht beispielsweise das Stück „The Crucifix“ nach nur knapp über einer Minute Spielzeit abrupt ab.
Das verwenden von Zitaten macht auf „We Must Become...“ jedoch bei den Komposition nicht halt, auch die Namensgebung der einzelnen Songs verweist auf popkulturelle Traditionslinen: der Titel „Cop Killer“ beispielsweise auf die Band Body Count, „Believer“ lässt an die Monkees denken und „We Can Breakthrough“ antwortet mit mehrstimmigen Kirchenchorälen auf Freddy Mercurys Ausruf.

Obwohl sich John Maus mit seinem Synthie-Wave innerhalb eines gerade aktuellen Diskurs befindet und in einem Atemzug mit Künstlern wie Silk Flowers, Former Ghosts oder Blessure Grave genannt werden kann, muss sein konzeptioneller Ansatz doch von seinen Zeitgenossen unterschieden werden. Während sich andere nicht selten im Revial ergehen und dieses als kohärente Neuinszenierung feiern, bricht Maus durch Konfrontation und stilistische Uneindeutigkeit.

„We must become the pitiless Censors of ourselves“ wirkt auf den Hörer verunsichernd, daran vermag auch ein intensives und wiederholtes Hören nichts zu ändern. Stets bleibt der Eindruck irgendwie einem großen Schwindel zu erliegen, der einem von John Maus präsentiert wird. Zwischen offensichtlichem Kitsch und authentischer Melancholie bietet das Album die ganze Bandbreite der Emotionspalette, allerdings stets in Anführungszeichen – als Metakonstruktion überschattet das Zitat als Stilmittel das gesamte Album. Genau darin mag jedoch der Charme der Platte liegen: sie ist undurchsichtig, vielgestaltig, intertextuell überzeichnet und voller Referenzen. Und da das Album seine vielen Anführungszeichen konsequent stärker betont als die dazwischen stehenden Entlehnungen ist es auch ein Manifest gegen das Plagiat.

Patrick Kilian