Storm of Capricorn / Paranoia Inducta
Jama
(Beast of Prey 2006) CD 7 Tracks
In den letzten Jahren ist ein Schwemme an Darkambient-Veröfentlichungen
zu verzeichnen, die sich mal gelungener, mal diffus mit historischen Epochen
auseinandersetzen. Das ist zunächst einmal etwas bizarr, da es kaum
eine abstraktere musikalische Ausdrucksform als dezent strukturierte Flächen
geben dürfte - folglich muss man sich als Musiker anderer Tondokumente
behelfen: Stimmen, Samples, Rhythmen und gar akustische Instrumente schleichen
sich ins ambiente Konzept und verwischen die Grenzen zu anderen Genres.
Die vorliegende CD von Storm of Capricorn
und den Polen Paranoia Inducta ist ein typisches
und obendrein sehr unterhaltsames Beispiel für diese neue Spielart,
die man Historical Ambient oder Ambient-Ritualmusik nennen kann. Verpackt
in einen querformatigen, monochrom gestalteten Faltkarton bekommt man
hier das Schicksal des Balkans in den vergangenen 100 Jahren vor Augen
(bzw. Ohren) geführt: Es geht also um Krieg, Entbehrung, Identität
und Verlust, inspiriert durch ein Gedicht des kroatischen Widerstandsdichters
Ivan Goran Kovacic, der 1943 von den Chetniks
ermordet wurde. In 7 längeren Stücken wird ein filmischer Spannungsbogen
etabliert, der in jedem Stück die Sounds und Mittel wandelt, ohne
das enge Konzept zu verlassen. Am Anfang stehen die pessimistischen Worte
von Kovacic:
"Blood is my daylight and darkness too.
Blessing of night has been gouged from my cheeks
Bearing with it my more lucky sight.
Within those holes, for tears, fierce fire inflamed
The bleeding socket as if for brain a balm –
While my bright eyes died on my own palm..."
Bleibt Track 1 noch ruhig-atmosphärisch mit einem düsteren
Rezitativ, legt Track 2 mit rituell-repetitiven Drums los und steigert
sich in hymnischen Choralgesang. Track 3 kehrt zum grollenden Ausgang
zurück, lässt aber hier und da Choräle und sogar Flötenklänge
durchschimmern. Auch verhallte Perkussions tauchen hier auf.
Track 4 steigert sich in klagenden Templer-Pathos, wobei
hier die hämmernden Rhythmen und Metallsounds durchaus Industrialcharakter
bekommen. Sehr martialisch auf jeden Fall und wie die Basis eines In
Slaughter Natives-Tracks. Dumpf-brütenden erscheint dagegen
Track 6, doch auch hier fallen die finsteren Vocals positiv auf, während
Song Nr. 7 tatsächlich Balkan-Folklore mit mittelalterlich anmutender
Akustikgitarre bietet. Dieses melancholische Lied passt hervorragend ins
Konzept und vebrindet die Ebenen ästhetisch wie inhaltlich, denn
als Abschluss findet sich hier ein folkig-martialisches Lied mit Snaredrums,
klagenden Streichern und fatalistischem Männer/Frauen-Gesang. Ein
passender Abschluss, etwas dumpf gemischt vielleicht, aber eingängig.
Das überproduktive polnische Label Beast of Prey,
das auch zahlreiche zweitklassige Newcomer bietet, legt mit 'Jama' einen
deutlichen Höhepunkt vor, der allen Fans von Ritual-Darkambient,
Historical Ambient, Military Pop und Martial Folk zusagen dürfte.
Christoph Donarski
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