THE HITCHER

Bewertung: 4,5/5

Hitcher - Der Highway-Killer

Anbieter: Kinowelt (D)
USA 1986
Farbe, Scope (1:2,35)
Länge: 97 Minuten (ungekürzt)
R: Robert Harmon
Sprachen: Englisch (5.1), deutsch, div. Untertitel
Bonus: 2 Kurzfilme, darunter einer von und mit Rutger Hauer sowie das Debüt von Robert Harmon, Making-Of-Doku (neu), Trailer, Teaser (Doppel-DVD) - Extras nicht deutsch untertitelt

Das deutsche Label Kinowelt hat gerade eine exklusive Special Edition von HITCHER - DER HIGHWAY-KILLER auf zwei DVDs herausgebracht, die mit einer Menge Bonus und dem Film selbst in einer anamorphen Breitwandabtastung aufwartet. Dieser Version ist die weltweite Referenzversion, da der Film hier erstmals im korrekten Bildformat (1:2.35) vorliegt. Auch die Zusatzmaterialien sind hervorragend produziert und ausgewählt: So bietet eine neue Dokumentation Interviews und Einblicke in die Produktion (interessant die verschiedenen Lesarten des Films, die dabei auftauchen). Vor allem der erste Kurzfilm von Robert Harmon - bereits kinoformatig produziert - trägt deutliche Züge des Hauptfilms: es geht um einen psychopathischen Motorrad-Cop (Charles Napier aus den Russ-Meyer-Filmen). Und auch Rutger Hauers melnacholisches Regiedebüt ist einen Blick wert. - Wer also die Qualitäten dieses unterschätzten 80er-Jahre-Klassikers HITCHER neu würdigen möchte, sollte auf diese Edition nicht verzichten:

Um während einer langen Überlandfahrt nicht am Steuer einzuschlafen, nimmt der junge Jim Halsey (C. Thomas Howell) den mysteriösen Anhalter John Ryder (Rutger Hauer) mit, der ihn zunächst durch sein Schweigen befremdet. Als der wortkarge Fremde ihn jedoch plötzlich mit einem Messer bedroht und grausige Geschichten über begangene Morde erzählt, wirft ihn Halsey aus dem fahrenden Auto. Doch dieser kleine Triumph wird nur zum Auftakt eines blutigen Katz-und-Maus-Spiels: Ryder will ihn „herausfordern“. Er tötet eine ganze Familie und schiebt Halsey die Schuld in die Schuhe. Dieser wird von der Polizei festgenommen, kann aber mit Hilfe der jungen Diner-Bedienung Nash flüchten. Er sieht sich gezwungen, selbst immer illegalere Methoden anzuwenden, da ihm niemand Glauben schenkt. Erst, nachdem Ryder ein ganzes Polizeirevier ausgerottet und das Mädchen Nash buchstäblich in Stücke gerissen hat, gelingt es dem jungen Mann, den Psychpathen zum Zweikampf zu stellen. In einem brachialen Akt der Aufbäumung tötet er den destuktiven Schatten und bleibt einsam auf dem Highway zurück.
Rutger Hauer spielt den Serial-Killer John Ryder mit dem lässigen Gestus eines Italo-Western-Banditen. Mit wehendem Staubmantel, dem Gewehr im Anschlag und dem Gewinnergrinsen im Gesicht zieht er die Fäden in einem höllischen Szenario. Jim Halseys dunkle Seite, die er personifiziert, wurde nach The Hitcher zu einem Prototyp.

Neben inoffiziellen Fortsetzungen aus Italien und den USA orientierte sich Richard Stanley 1992 bei seinem Horror-Thriller Dust Devil deutlich an dieser Figur, bis Rutger Hauer schließlich selbst die Rolle noch einmal in BLIND SIDE (1993) von Geoff Murphy verkörpern durfte. Hauers Image als charismatischer bad guy des amerikanischen Genrefilms nahm hier seine prägnantesten Züge an. Zudem konnte der Hitcher ähnlich wie Arnold Schwarzeneggers Terminator-Figur zu einem werbetauglichen Antihelden werden, dessen Gestalt sogar das Filmplakat dominiert.

Der B-Film-Routinier Robert Harmon verfilmte mit HITCHER ein frühes Drehbuch des ambitionierten „Genre-Handwerkers“ Eric Red. Red wurde durch seine Zusammenarbeit mit Kathryn Bigelow bekannt, mir der er u.a. den Vampir-Western NEAR DARK (Near Dark - Die Nacht hat ihren Preis, 1987) verfaßte, bevor er durch einige Thriller und Horrorfilme bescheidene Bekanntheit erlangte: Ähnlich wie HITCHER teilen auch seine Gangsterfilm COHEN AND TATE (Hitman, 1988) und der Western THE LAST OUTLAW (1992) deutlich Versatzstücke des Road Movies und des Italo Westerns. Er beschreibt Welten, die nach einem sozialdarwinistisch anmutenden, alttestamentarischen Mythos gestrickt sind, in denen es das Individuum oft schwer hat, sein Überleben zu sichern. Oft sind es gerade die vermeintlich Schwachen (ein kleiner Junge, der halbwüchsige Jim Halsey), die Red auf eine Initiations-Odyssee schickt, um sie als gestählte „Wesen der Gewalt“ ins Leben zu entlassen.

Tatsächlich muß Jim Halsey lernen, seine Emotionen zu kontrollieren, seinen Haß zu bündeln, um effektiv „Töten und Siegen“ zu können. Alles wird ihm genommen: das Auto, die Freiheit, die Geliebte. Erst, als er nichts mehr zu verlieren hat, wird aus dem Niemand endlich ein Jemand, der sich über das Töten des destruktiven Schattens definiert. Reds Weltsicht scheint Parallelen zu Sam Peckinpahs Western-Protagonisten aufzuweisen, seine maskulinen Phantasien erschöpfen sich jedoch nicht selten in jener vagen Sehnsucht nach einer Welt, in der Initiation und Bewährung durch physische Gewalt wieder essentiell werden können; seine Sehnsucht nach der Wildheit, dem „Primitiven“ ist ähnlich ungebrochen wie bei anderen Peckinpah-Adepten, etwa Walter Hill und John Milius. Um seine Phantasie auszuspielen, beruft er sich auf einen sehr alten und zugleich zwiespältigen „Mythos“: Die Angst vor dem Fremden. Das „Fremde“ ist hier jener Anhalter, vor dem „die Mutter gewarnt hat“. Jim Halseys Schritt vom Weg entfesselt ein Inferno. Seine Begegnung mit dem eigenen Schatten, die im unweigerlichen Western-Showdown gipfelt, wird zum Ritus; einem Ritus, dem das Ziel - die Passage - fehlt. Jim Halsey watet im Blut, um bestenfalls zu einem ausgebrannten, desorientierten Wesen zu werden. Es bleibt ein ironisches „Happy End“, das eine orientierungslose Epoche ohne Konstanten und Werte reflektiert. John Seale hat dieses autoreflexive, selbstzerstörerische Ritual in betörenden Breitwandkompositionen eingefangen, die die latente Kläglichkeit der Bemühungen betont, dominiert von Bildern flirrender Hitze und gleißender Helligkeit. The Hitcher ist eigentlich ein Erbe des desillusionierten Spätwestern, der nicht einmal im Outlaw mehr die verlorene Romantik und Tragik des großen Scheiterns herbeizaubern kann. (MS)