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Film-Spiel aus Spielfilmen
„Heavy Rain“ schlägt die Brücke
zwischen Videospiel und Kinofilm
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Das von David Cage entwickelte Videospiel "Heavy
Rain" hat schon vor etwa einem Jahr für Aufsehen erregt, als
erste Details daraus auf Spiele-Messen bekannt wurden. Nachdem sein Studio
mit "Fahrenheit" bereits ein Videospiel zum Thema Serienmord
veröffentlicht hatte, sollte "Heavy Rain" das Motiv wieder
aufgreifen. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden ist die Komplexität
der Handlungsentwicklung. Das Studio Quantic Dreams hat dabei eine weitestgehende
Annäherung an die Spielfilmästhetik angepeilt - unter anderem
auch dadurch, dass in "Heavy Rain" etliche (Film)Genre-Elemente
integriert wurden.
Im Spiel übernimmt man die Perspektive von vier verschiedenen
Figuren - allesamt "Altbekannte" aus dem Serienmörder-Film:
Ein Vater, dessen Sohn offenbar vom Killer entführt wurde, eine Journalistin,
ein Privat-Detektiv und ein FBI-Beamter, der über recht utopische
Ermittlungstechnologien verfügt. Insbesondere letzterer stellt die
Ambivalenz von Ermittler-Figuren in der Filmgeschichte deutlich aus, ist
er doch selbst drogenabhängig, verhilft auch schon mal Verdächtigen
zur Flucht, um seine Ermittlung zu unterstützen und nicht zuletzt
billigt er Gewalt gegen Gefangene, wenn er nicht sogar selbst handgreiflich
wirkt.
Das wirkt nun so, als hätte die Spielfigur ein fest
gefügtes moralisches Korsett, nach dem sie agiert, dem ist aber nicht
so und das macht die Besonderheit von "Heavy Rain" aus, denn
im Prinzip können alle Figuren auch "anders". Ob der Ermittler
den nächsten Trip bekommt, ob er dem Gefangenen fliehen hilft oder
ob er zuschlägt, liegt in der Wahl des Spielers und je nachdem, für
was sich dieser entscheidet, wird die Figur charakterisiert und verläuft
die Erzählung anders. Das geht so weit, dass der Vater des entführten
Jungen fünf Aufgaben vom Killer gestellt bekommt, in denen er entscheiden
kann, ob er sich selbst schuldig (etwa durch Mord) macht oder gar verstümmeln
will. Die jeweilige Entscheidung, die bei einigen Figuren sogar deren
Tod nach sich ziehen kann, bedeutet dann allerdings nicht etwa das Ende
des Spiels, sonder lediglich einen alternativen Fortgang.
Eine derartige Fülle von Handlungsoptionen, gepaart
mit bis dato ungekannter, fotorealistischer Darstellung von Settings und
Figuren, stellt enorme Anforderungen an Speicherplatz, die derzeit wohl
nur die PlayStation 3 und das Medium Blu-ray-Disc bieten können.
Für diese Plattform ist "Heavy Rain" dann auch proprietär
entwickelt worden. Dabei hat man altes mit neuem kombiniert: So nutzt
das Spiel ein neues Steuerungsprinzip, bei dem Bewegungsabläufe am
Controller möglichst ähnlich zu denen der Figuren im Bild verlaufen
sollen. Zudem drücken sich "Schwierigkeiten" der Spielfiguren
- etwa wenn sie Angst hat - in schwierigen Steueraktionen aus: zeitweise
verwischt die Schrift für Dialog-Antworten, so dass man nur panikartig
reagieren kann. Oder die moralische Tragweite einer Aktion (etwa das Abschneiden
des eigenen Fingers) ist so schwer, dass dafür drei verschiedene
Tasten am Controller nacheinander gedrückt und dann zusätzlich
eine vierte rhythmisch angeklickt werden müssen. Dabei kann man durchaus
versagen - zumal solche Aktionen oft gegen die Zeit gespielt werden.
Für die Zeitinszenierung bedient sich "Heavy Rain"
an deutlichsten filmischen Vorgaben. So gibt etwa eine ständig steigende
Regenwasser-Säule an, dass der nächste Mord nahe ist; ein Motiv,
das von Tarsem Singhs "The Cell" inspiriert zu sein scheint.
Verfolgungsjagden oder Fluchtsituationen aus scheinbar ausweglosen Räumen
werden zudem nicht selten via Split-Screen verwirklicht. Neben der funktionale
Verwendung dieser Optik, zeigen sich hier deutliche Anspielungen an Richard
Fleischers Serienmörderfilm "The Boston Strangler", der
diese Optik in das Genre eingeführt hatte.
"Heavy Rain" nähert sich mit seinen Ästhetiken
weitestgehend an den Spielfilm an, es "interaktiviert" ihn förmlich.
Die Tatsache, dass es dem Spieler zahlreiche Möglichkeiten der Handlungsentwicklung
gibt - allein schon darüber, dass er jede der vier Figuren eigenständig
moralisch kolorieren kann - öffnet gleich einen ganzen Strauß
an Spielmöglichkeiten. Das Spiel nur einmal durchzuspielen würde
bedeuten, seine Möglichkeiten nur zu einem Bruchteil kennenzulernen.
Der Serienmörderfilm, der nach seiner Postmodernisierung
in einer ästhetischen Sackgasse, gefangen zwischen Authentizitätsanspruch
und Doppelcodierung, gefangen scheint, bekommt durch "Heavy Rain"
neue Impulse. Allerdings liegen die in der Interaktivität von Plotverlauf
und Spielerhandlungsoption - eine Strategie, die dem Spielfilm aufgrund
seiner Einkanaligkeit verstellt ist. Am ehesten ließe sich also
von einem Beerben des Serienmörderfilms durch "Heavy Rain"
sprechen. Und dieses Erbe ist durchaus reichhaltig.
Stefan Höltgen
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