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CO.Caspar
Pass the Times
(Hau Ruck! 2003) CD 11 Tracks
His Divine Grace
Die Schlangenkönigin
(Hau Ruck! 2003) CD 10 Tracks
Our God Weeps
Unity
(Hau Ruck! 2003) CD 10 Tracks
Das Wiener Label Hau Ruck! hat es zum Programm erhoben,
immer wieder mit Überraschungen aufzuwarten. Das soll nicht heißen,
dass es keine klare künstlerische Linie des Labels gibt: man hat
sich der atmosphärischen und rituellen Post-Industrialmusik verschrieben;
doch die Ausformungen dieser vagen Richtung sind unberechenbare Hydrahäupter,
mal verführerisch und schlicht, man häßlich und grausam.
Und so verwundert es nicht, dass in einer Reihe jüngst drei völlig
unterschiedliche CDs erschienen, die auf den ersten Blick allenfalls eine
vermeintlich pessimistische Untergangsstimmung verbindet. Die Wahl ihrer
Mittel sind jedoch frei...
CO.Caspar gehört zum
"Urgestein" der Industrial- und Experimentalszene, er begann
in einer Zeit, die den Begriff "Industrial" noch nicht einmal
kannte. Doch wer den in Würde ergrauten, noch immer höchst vitalen
alten Mann einmal bei seinen zahlreichen Performances erlebt hat, wird
begreifen, dass es sich bei dieser Richtung nie um eine Zeiterscheinung
handelte, sondern um eine nahezu zeitlose Ausdrucksform. Das Problem dieser
neuen CD "Pass the times" ergibt sich allerdings aus genau diesem
Faktum: Caspar ist ein origineller Live-Performer, der mit bizarren Konstruktionen
und zahlreichen strategisch plazierten Tonabnehmern ein Labyrinth der
Geräusche entwickeln kann, das ungeachtet seiner krachigen Natur
niemals abstößt. Doch diese faszinerenden Experimente wirken
auf der rein akustischen Ebene leider reduziert und äußerst
anstrengend. Da kracht und knackt es immer wieder bedenklich in den Boxen
(v.a. Track 1). Manchmal entfalten sich finster grollende Soundwälle,
münden aber unvermittelt in chaotische Geräuschekaskaden und
lösen sich auf. Diese ihrem Cover nach zu urteilen durchaus augenzwinkernde
Geräuschkunst wird sich eher dem hartnäckigen und abenteuerlustigen
Fan öffnen.
His Divine Grace wurden von
ihrem ersten Tonträger an als "geheimnisvolles Projekt"
gehandelt, über das nichts weiter bekannt sei. Die Präferenz
der deutschen Sprache und der Literatur Ernst Jüngers (namentlich
"Auf den Marmorklippen") lässt jedoch zumindest die Herkunft
vermuten. Die einzelnen Tracktitel der "Schlangekönigin"
bezeichnen deutlich Jüngers Novelle als Inspirationsquelle: "Marina",
"Die Rautenklause", "Das Rote Waldvögelein".
Interessant, dass gerade gegenwärtig ausgerechnet dieses eher phantastische
Abenteuerbuch, das als Manifest von Jüngers 'Innerer Emigration'
während des Zweiten Weltkrieges betrachtet wird, vielfach zu neuen
Ehren kommt, sei es auf dem Theater, in Lesungen oder eben im Bereich
experimenteller Musik. Wie meist bestimmen ruhig ambiente Klänge
diesen etwas zaghaften Soundtrack. Naturgeräusche malen ein Bild
der Marina in ihrer unberührten Schönheit, doch in der Ferne
sammeln sich die Gewitterwolken. Immer wieder erklingen vorgetragene Passagen.
Die Stimme gehört Christian Brückner, dem Synchronsprecher Robert
de Niros, es ist also zu vermuten, dass hier dreist aus vorhandenem Material
gesampelt wurde (evtl. dem Hörbuch zu "Auf den Marmorklippen").
Die Qualität dieser Stimmsamples ist allerdings teilweise von erschreckend
schlechter Qualität. Doch insgesamt bleibt ein sehr ansprechender,
fast meditativer Eindruck von dieser CD. Kein spektakuläres Werk,
aber angenehm und unterhaltsam.
Die ungarische Gruppe Our God Weeps
verbreitet auf ihrem ersten langen Tonträger "Unity" mittels
neoklassischer Elemente, Militärtrommeln, barocker Spinettsounds
und eines monotonen ungarischen Sprechgesangs mystische und apokalyptische
Stimmung. Da die Texte in englischer Übersetzung beigelegt wurden,
lässt sich hier ein stark christlich geprägter Kulturpessimismus
ausmachen, der auf eine dualistische Perspektive baut und eine mystische
Weltsicht beschwört. Da wird mit Blick auf Nietzsche (Track 2) die
Abwesenheit Gottes beklagt, dessen Janusköpfigkeit (Track 6) besungen,
um im Lament auf die "verlorenen Wurzeln" zu enden. In seiner
Beschwörung der 'Inneren Welt' mag dieser Tonträger als Dokument
für eine neue Tendenz der 'Inneren Emigration' angesichts einer krisenerschütterten
Welt stehen, deren spirituelle Dimension sich ihrerseits in drastischem
Dualismus aufzulösen scheint. Ob eine solche CD dann Trost spendet,
die Weltsicht affirmiert oder als Eskapismus erscheint, bleibt der Neigung
der HörerInnen überlassen. Musikalisch bleiben Our God Weeps
zumindest in engen Grenzen, die man getrost der Gothic-Kultur zurechnen
kann. (Aufgrund des ungarischen Sprechgesangs und der klassizistischen
Tendenzen lassen sich auch Vergleiche zu den Landsleuten Scivias
ziehen.)
Christoph Donarski
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