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Guitar Noise Mai 2004 von Ivo Ritzer
King Khan & The Shrines
Mr. Supernatural
LP/CD Hazelwood Vinyl Plastics 2004, 11 Tracks
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Da prangert das Universal-Logo auf dem neuen King Khan-Album
und man befürchtet bereits Schlimmes. Doch umsonst, wie sich schnell
herausstellt: Noch immer zelebriert der Indokanadier mit seiner deutschen
Band augenzwinkernd eine wahnwitzige Voodoo-Seance, sowohl beeinflusst
von dem infernalischen Okkult-R&B eines Screamin’ Jay Hawkins,
dem hypermotorischen Boogaloo-Soul eines King Coleman als auch dem konvulsivischen
Sex-Funk eines James Brown. Universal hin oder her, die Garage-Punk-Reminiszenzen
der frühen Aufnahmen sind tatsächlich nahezu vollkommen verschwunden,
doch gereicht das Mr. Supernatural nicht wirklich zum Nachteil, da Platz
gemacht wird für authentischen 60s-Sound und die kompakte Produktion
weiterhin aus dem dreckigsten Hinterhof von ganz New Orleans zu kommen
scheint.
The Psychedelic Avengers
And The Curse Of The Universe
CD Fünfundvierzig 2004, 16 Tracks
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Unendliche Weiten, wo nie ein Mensch zuvor gewesen
ist... Bereits das sorgfältig gestaltete Cover zeugt davon: Hier
war der Zeichner zahlreicher Perry-Rhodan-Cover am Werk. Ein akustische
Space-Opera kündigt sich an...
Was von den diversen Musikern des Psychedelic Avengers-Projekts
als innovativer Soundtrack zu einem imaginären Perry Rhodan-Film
verstanden werden will, erweist sich in 3 Kapiteln und 16 Tracks als mitunter
recht zähes Konglomerat disparater musikalischer Genres, welches
sich nicht durchweg zu einem stimmigen Ganzen homogenisieren will. Da
man zudem fast ausschließlich auf elektronischem Sound rekurriert,
dürften diejenigen, welche eine authentische Verquickung von trashiger
Sci-Fi-Ästhetik und psychedelischem Rock’n’Roll im Stile
genuiner 60s-Popkultur erwarten, hier trotz bemüht eingestreuter
Retro-Stilismen ihren Gral nicht finden und mit dem ebenfalls neu erscheinendem
Album Crystal Skies der großartigen Hypnomen aus Finnland sicherlich
besser harmonieren, das einmal mehr souverän handgemachte Trips von
der Garage hinaus ins Weltall kredenzt.
Destruction Unit
Self-Destruction Of A Man
LP/CD Empty Records 2004, 9 Tracks
Final Solutions
Disco Eraser
LP/CD Misprint Records 2003/2004, 14 Tracks
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Anfang 20 und schon eine kleine Legende – Jay Reatard
ist sowohl das Wunderkind als auch der Workaholic unter den Garage-Punks.
Begonnen hat alles 1998, als Jay dem hochprozentigen Garage-Punk-Blues
der ebenfalls in Memphis ansässigen Oblivians verfiel und zusammen
mit seinen Reatards das grandiose Teenage Hate-Album einspielte. Es folgte
eine zweite Platte, danach löste sich die Band auf. Zusammen mit
Eric Oblivian und King Louie Brankston von den Persuaders respektive Royal
Pendletons gründete Jay die Bad Times, welche ein Album aufnahmen,
ein Konzert spielten und sich daraufhin wieder trennten. Jays aktuelle
Band sind - abgesehen von diversen Nebenprojekten wie den Oscars, den
New Memphis Legs oder den CC Riders – die Lost Sounds. Eine Band,
mit der sich Jay recht weit von seinen Wurzeln entfernt und ein äußerst
finsteres Gebräu aus Garage-Noise und New Wave-Goth anrührt.
Die Destruction Unit vereint Jay wieder mit Ryan Wong,
dem ehemaligen Schlagzeuger der Reatards. Hinzu kommt noch Alicja Trout,
ihrerseits auch zuständig für Gitarren, Gesang und Keyboards
bei den Lost Sounds. So klingt die Destruction Unit dann durchweg wie
ein Spin-Off der Lost Sounds, nur noch dunkler, gemeiner, lärmender.
Der Band-Name ist hier definitiv Programm und in dem orgiastischen Inferno
aus verzerrten Schreien, übersteuerten Gitarren-Akkorden, fiebrigen
Keyboard-Riffs und minimalistischem Schlagzeug-Beat werden keine Gefangenen
gemacht. Der abschließende Titel-Track Self-Destruction Of A Man
ist dann konsequenterweise auch schon mehr Industrial-Klangkollage als
Rock’n’Roll.
Die Final Solutions mit Jay Reatard an den Drums sind dagegen
weitaus mehr im Garage-Punk verwurzelt. Zwar gibt es auch bei den Final
Solutions durch Keyboard-Einsätze unübersehbare New Wave-Reminiszenzen,
doch klingen diese hier weniger düster gothic als vielmehr wütend
punkig. Generell ist Disco Eraser ein extrem aggressives Album, dem der
kompromisslose Hass auf alles und alle aus wirklich jeder Vinyl-Rille
quillt und vor allem denjenigen entgegen kommen dürfte, denen die
Lost Sounds immer etwas zu wenig Garage waren. Jay Reatard kehrt hier
zumindest übergangsweise wieder zu seinen Ursprüngen zurück.
Und das ist durchaus auch gut so. Wenigstens bis das neue Lost Sounds-Album
demnächst auf In the Red erscheint.
Coachwhips
Bangers Vs. Fuckers
LP/CD Narnack Records 2004, 11 Tracks
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John Lee Hooker Is My Heavy Metal, so definierten sich die
Blues-Rock-Punks von den Quadrajets auf ihrem mittlerweile zum Klassiker
avancierten Album When The World’s On Fire einmal wunderbar selbst.
Ein Leitsatz, den sich zweifelsohne auch die Coachwhips aus San Francisco
zu Eigen gemacht haben, denn mit welcher Brachialität sie sich auf
Bangers Vs. Fuckers irgendwo zwischen den Gories und Le Shok in elf Songs
und 18 Minuten immer wieder durch das zwölftaktige Blues-Schema fräsen,
ist mehr als beachtlich. Dachte man vor kurzem noch, mit dem 2003er Debütalbum
der Come N’Go sei nun erst einmal wirklich das letzte Wort bezüglich
Lo-Fi-Punk-Blues gesagt, transzendiert John Dwyer, seines Zeichens ebenfalls
Mitglied des Avantgarde-Noise-Rock-Duos Pink & Brown, hier mit seiner
Zweit-Band nochmals sämtliche Garage-Standards, was Minimalismus,
Brutalität und Verzerrung auf allen Ebenen anbelangt. Ein Album,
das bei jedem Extrem auch noch richtig tanztauglich ist und die vorangegangen,
durchweg ebenfalls sehr empfehlenswerten Releases der Coachwhips schnell
in den Schatten stellt. Wenn es einen Himmel gibt, dann lächelt John
Lee Hooker von dort herunter.
Dexateens
S/T
CD Estrus Records 2004, 13 Tracks
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Mit einer Band wie den Dexateens aus Tuscaloosa, Alabama
musste man nicht unbedingt rechnen. Umso größer dann das Vergnügen,
das Debütalbum dieser halbwüchsigen Punk-Rocker für sich
zu entdecken. Die Dexateens mischen traditionellen Delta-Roots-Rock (Sticky
Fingers-/Exile on Main Street-Ära Rolling Stones) mit lärmendem
Avantgarde-Proto-Punk (White Light White Heat-Ära Velvet Underground)
sowie einem guten Schuss abgründigen Psychedelic-Garage-Rock (Psychedelic
Sounds of-Ära 13th Floor Elevators) und das so frisch und stimmig,
wie dies wohl wirklich nur auf den Blues gekommenen Punks aus dem Süden
der USA möglich ist. Produziert hat das Album einmal mehr Tim Kerr
(Big Boys, Poison 13, Monkeywrench etc. etc.), der auch hier wieder ein
goldenes Händchen am Mischpult beweist und die Dexateens so klingen
lässt, wie sie einfach klingen: erdig, ehrlich, essentiell.
Mr. Airplane Man
C’mon DJ
LP/CD Sympathy For The Record Industry 2004, 13
Tracks
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Die beiden bezaubernden jungen Damen von Mr. Airplane Man,
welche ihre Band stilvoll nach dem klassischen Howlin’ Wolf-Song
benannt haben, legen mit C’mon DJ ihr drittes Album auf Sympathy
For The Record Industry vor und setzen damit den bereits auf dem Vorgänger
Moanin’ eingeschlagenen Weg fort. Der ungefiltert raue Garage-Punk-Blues
des Debüts Red Lite vermischt sich immer stärker mit laszivem
60s-Girl-Group-Sound, was vielen Songs einen dezent poppigen Anstrich
verleiht. Dieser wird aber durch die jederzeit sehr reduzierte Produktion
des Albums (Greg „Oblivian“ Cartwright!) wieder relativiert,
welche das polternde Schlagzeug und die zwischen Robert Johnson und Stooges
changierenden Gitarren-Riffs äußerst roh belässt, so dass
sie wundervoll mit der hypnotischen Sopranstimme von Margaret Garret kontrastiert
werden. Schon immer für ihre stilvollen Cover-Versionen bekannt,
liefern Mr. Airplane Man diesmal u.a. sehr gelungene Variationen von Sun
Going Down (Outsiders) oder Hang Up (Wailers). Anders als die vielen übrigen
Interpretationen des Wailers-Klassikers (z.B. Cramps, Monomen etc.) versuchen
Miss Garret und Miss McManus das Original dabei einmal nicht an Fuzz und
Distortion zu überbieten, sondern verdichten dessen Verzweiflung
zu einer herzzerreißenden Ode an den Blues. Das können so derzeit
wirklich nur Mr. Airplane Man.
Boomhauer
Wild Human Condition
LP/CD Stupido Records 2003; CD TUG Records 2004,
16 Tracks
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Die spinnen, die Finnen: Bei Boomhauer geht Garage-Punk
eine ganz und gar eigenwillige Verbindung mit Stand Up-Comedy ein. Und
das Beste daran: es funktioniert tatsächlich. Denn die Texte des
Trios sind allesamt höchst amüsant und würden auch den
Modern Lovers in ihren komischsten Momenten zur Ehre gereichen. Egal,
ob nun gnadenlos lakonisch über das Verspeisen von Eiscreme in Let’s
Have Some, das Angeln bösartiger Hechte in Sal Caught A Fish oder
das Gären von Wein in Homewine Bucket Blues philosophiert wird, Boomhauer
sind so originell wie durchgeknallt und machen schlichtweg großen
Spaß. Musikalische Inspirationen finden die Finnen deutlich bei
der Jon Spencer Blues Explosion oder auch ihren Landsmännern Sweatmaster,
will heißen, sie kredenzen spastischen Garage-Rock auf solider Blues-Basis
mit einem überbordender Maß an Hyperaktivität. Immer wieder
lassen Boomhauer aber daneben auch deutliche Hillbilly-Einflüsse
durchschimmern, was in Verbindung mit ein paar wenigen ruhigeren Nummern
ein abwechslungsreiches Album garantiert, das nicht nur aufgrund seines
absoluten Unikatcharakters gelungen ist.
The Fuse!
Fisherman’s Wife
LP/CD In the Red Records 2003, 15/14 Tracks
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The Ponys
Laced With Romance
LP/CD In the Red Records 2004, 12 Tracks
Larry Hardy eröffnet das Jahr 2004 mit zwei eher ungewöhnlichen
Releases auf In the Red. Zum einen sind da The Fuse! aus Downey, Kalifornien,
deren Debüt-Album Fisherman’s Wife sich irgendwo zwischen dem
avantgardistischen Noise-Rock von The Fall oder Birthday Party einerseits
und dem bluesigen 60s-Garage-Punk der Headcoats oder Mighty Caesars andererseits
bewegt. Die für In the Red sonst so typischen brachialen Rückkoppelungsorgien
bleiben dabei weitestgehend ausgespart, ansonsten ist die Platte aber
wie gewohnt so brutal wie nur möglich produziert. Dies verdeckt allerdings
nicht, dass die drei Anzugträger von The Fuse! wirklich große
Ahnung von Song-Writing besitzen und ihre Stücke wiederholt auch
an die großen frühen Werke der britischen Intellektuellen-Punk-Bands
wie Gang of Four oder insbesondere Wire erinnern. Trotzdem hinken diese
Vergleiche letztlich natürlich und geben den genuinen Sound der Band
nicht wirklich adäquat wieder, welcher in seiner Hektik-, Sperrig-
und Kantigkeit definitiv einzigartig ist.
Die Ponys aus Chicago klingen nicht unähnlich der Fuse!, dann aber
doch wieder ganz anders. Auch sie verweisen sowohl auf 60s-Garage als
auch Art-Punk-Gruppen wie Richard Hell & the Voidoids oder die frühen
Television und sind ebenfalls sehr rau produziert, doch verbergen sich
hinter allen wüsten Verzerrungen eingängige Songstrukturen.
Den Ponys gelingt damit das große Kunststück, stets virtuos
die Balance zwischen Pop und Avantgarde zu halten und Laced With Romance
zu einem außergewöhnlichen Debüt-Album zu machen, dem
man von ganzem Herzen mehr als die üblichen 500 verkauften Kopien
wünscht.
Cellophane Suckers
Can’t Say No
LP/CD Subway Records 2004, 10 Tracks
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Die Cellophane Suckers sind erwachsen geworden – nein,
natürlich sind sie das nicht. Trotzdem: Cant’ Say No klingt
anders als das Debüt Burnin’ Miss City (1996), anders als die
Nachfolge-Platte Hell Yeah (1998), anders als das dritte Album Too Much
Temptation (2001). Die sympathischen Kölner/Berliner tun es einmal
mehr ihren großen Idolen von den New Bomb Turks gleich und beschränken
sich fortan nicht mehr nur darauf, möglichst verzerrt und rasant
zu punkten – obwohl sie das zwischendurch songweise selbstredend
weiter perfektionieren -, sondern erlauben sich auch einmal, mitsamt perlender
Orgel-Begleitung relativ relaxt im Midtempo-Bereich zu verweilen. So gibt
Can’t Say No dann auch erstmals adäquat alle Einflüsse
der Suckers wieder: da sind die Stooges und MC5 mit ihrer souligen Detroiter
Proto-Punk-Schule, da sind die Nomads und Union Carbide Productions mit
ihrem energetischen skandinavischen Garage-Rock und da sind die Cosmic
Psychos und Radio Birdman mit ihrem verschwitzten australischen Rawk’n’Roll,
aus all deren musikalischem Fundus hier perfekt zitiert wird. Dazu noch
die gewohnt tollen Texte (insbesondere Natural Born Douchebag oder das
köstliche Turbo White Strokes) und man kann hier tatsächlich
einfach nicht nein sagen.
Ivo Ritzer
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