Godflesh
A World lit only by fire
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LP, 10 Tracks (Avalanche Recordings AREC034)
Manche Musiker experimentieren einmal, manche immer.
Bei Godflesh klang bisher kein Album wie das andere, klar gab es ein paar
gemeinsame Nenner, tiefergestimmte Gitarren und Bässe gepaart mit
dem bewusst künstlich klingenden Drum Computer. Die Arrangements
dahinter waren jedoch sehr unterschiedlich und reichten von stampfenden
Metal Sounds, Lo-Fi und minimalistisch, auf den Frühwerken, hin zu
komplexen Breakbeat bzw. Rap orientierten Spätwerken.
Das bewundernswerte dabei bleibt, dass jedes dieser Alben
seine Daseinsberechtigung hat und wert ist gehört zu werden. Selbst
„Us and Them“, das den Musikern selbst ein Dorn im Auge ist,
besticht durch eine Eigenartigkeit und Raffinesse, die anderen Musikern
auf der Höhe ihres Schaffens nicht zu zutrauen ist.
2002 war dann Schluss, und die Welt um ein bemerkenswertes
Projekt ärmer: G.C. Green, der Bassist, war bereits ein Jahr vorher
ausgestiegen und laut Justin Broadrick, dem Gitarristen, lies sich dieses
Loch niemals wirklich füllen.
Die Lücke die sie hinterließen wurde nie geschlossen, auch
wenn ihr Einfluss bis in den Mainstream reichte. Bands wie Fear Factory,
die zu ihrer besten Zeit Millionen scheffelten, würden ohne Godflesh
anders klingen oder vermutlich gar nicht existieren.
Broadrick startete nach einem Nervenzusammenbruch das Projekt
Jesu, kooperierte mit einer Vielzahl an wichtigen Musikern, unter anderem
Jarboe, und blieb sich treu damit hochwertige und innovative Musik zu
machen.
G.C. Green dagegen lies nichts von sich hören und verschwand von
der Bildfläche.
Nach einer überraschenden Wiedervereinigung für
ein paar Konzerte 2010 und einer im Frühjahr 2014 veröffentlichten
EP, die ohne zu selbstreferenziell zu sein eher an die Frühwerke
anknüpfte, erschien nun im Oktober das Reunion Album „A World
lit only by Fire“.
Ohne große Exposition oder Aufwärmübungen
wird schnell klar gestellt, dass man nur gelernt aber nichts vergessen
hat. Der Opener wirkt wie eine moderne Variation von Stücken wie
„Streetcleaner“ oder „Mothra“, sprich eindeutig
Godflesh - und doch frisch und unverkrampft. Die Musik walzt bassig und
kalt alles nieder. Es ist bemerkenswert wie Godflesh es schaffen trotz
so warmer im unteren Bereich angesiedelten Sequenzen so kalt und maschinell
zu wirken.
Ob Bass oder Gitarre, die eigentlichen Riffs, Akkorde und
Noten sind simplizistisch, es ist das „wie“, das der Musik
ihren einzigartigen Klang verleiht. Der Spannungsbogen des Albums erschöpft
sich auch nicht in Nostalgie, im Verlauf der Stücke werden immer
wieder neue und moderne Einflüsse mal leise angespielt, mal in den
Vordergrund getragen.
Es gibt wenige Bands, die so eindeutig klingen können
und dabei doch soviel variieren. Auch wird erneut deutlich, dass Godflesh
sich nie als Metal Band verstanden haben, und durch das Verweigern dieses
Korsetts blieb die Möglichkeit zu experimentieren, man musste sich
nie die Frage stellen „Ist das noch Metal?“ sondern höchstens
„Sind das noch wir?“.
Einen kreativen Geist so frei drehen zu lassen ist sicher nie schädlich
für das Resultat. Der Konsens der Stücke ist weniger musikalische
Stilistik, als eine eindeutige Atmosphäre, die etwas derart repressiv
Bösartiges an sich hat, dass man die Grenzen des Rock weit hinter
sich lassen muss und vielleicht im Industrial Umfeld der frühen SPK
und Throbbing Gristle fündig wird. Definitiv mehr „Hamburger
Lady“ als „Reigning Blood“.
Satte 13 Jahre nach ihrem letzten Album wirken Godflesh
so lebendig und spannend wie eh und jeh, durch und durch Godflesh und
doch ganz eigen. Mit Sicherheit einer der Höhepunkte dieses Jahres
und vielleicht sogar ein neuer Standard.
Daniel Novak
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