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GRAND THEFT AUTO IV
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(Rockstar Games / Take 2)
Es ist die dunkle Seite des amerikanischen Traums. From
rags to riches, ein Aufstieg vom unterbezahlten Ein-Euro-Jobber zum Top-Manager
mit Schweizer Konten, allerdings auf der Seite des organisierten Verbrechens.
GTA war nie zimperlich, was den Plot und das Setting angeht: Ob als Mafioso
in GTA III oder als Gang-Mitglied in GTA San Andreas – stets musste
ein abgebrühter und desillusionierter Outcast sich beweisen und den
machiavellistischen Alptraum des Kapitalismus durchleiden, seine Karriere
mit rüpelhafter Effizienz und Bauernschläue vorantreiben, um
selbst ein Stück vom Kuchen des American Way of Life abzubekommen.
Immigranten, Außenseiter, Fremde haben in der Welt von GTA keine
große Wahl: Sie sind nicht willkommen im Bürgertum, sie fangen
ganz unten an, im rattenverseuchten Hinterhof eines schmierigen Krediteintreibers.
Von dort aus startet der Feldzug für ein besseres Leben, doch zunächst
gilt es die miesen Jobs zu verrichten: Chauffeurjobs, Drogendeals, Diebstahl.
Später Auftragsmord, Bandenkriminalität, Bankraub – die
Moral bleibt bei solche einem Strafregister auf der Strecke. Loyalität
gegenüber den Mittätern ist zudem eine sehr wacklige Sache:
Wer unten ist will nach oben, wer oben ist will dort bleiben und kann
sich keine aufstrebenden Untertanen leisten. Verrat und Intrigen zerfressen
jeden in Liberty City.
Genau deswegen ist Nico Ballic in diese New-York-Kopie gekommen,
in einen Moloch, eine Stadt grau in grau, ein veritables Hellhole, dass
genauso wie das reale Pendant mit fast schon hämischen Symbolen wie
dem Riesenrad und der Freiheitsstatue ausgestattet ist. In diesem runtergekommenen
Post-911-Sumpf ist der Einwanderer Nico auf der Suche nach einer ganz
bestimmten Person und dafür geht er über Leichenberge. Der Krieg
in Serbien hat in ihm tiefe Spuren hinterlassen, er kennt keine Skrupel
und keine Vergebung – er ist ein Sohn der Stahlgewitter, einer,
der nur mit Waffen kommunizieren kann. Ein Loner des klassischen Westens,
allerdings aus dem Osten. Stille und etwas tapsige Machos mit dunkler
Vergangenheit haben bereits seit dem Film Noir ihren ganz eigenen Verve,
auch wenn das Flirtpotential von Nico bei einem „You look pretty“
endet. Durch diese gezeichneten Antihelden darf der Spieler sogar Milde
walten lassen, wenn es ihm beliebt: An einigen Stellen steht der Spieler
vor der Entscheidung, ob Nico bis zum Äußersten geht, oder
eben doch noch einen Funken Menschlichkeit zeigt, nicht ganz zum mordenden
Monster mutiert. Durch das Motiv der Rache bekommt Nico zudem Sympathien:
Eine Geste, dem Spieler die Gewissenbisse zu erleichtern.
Doch GTA ist kein Generator für Gewissensfragen, hier
darf man auch einfach so böse sein, ohne danach im Beichtstuhl um
Ablass flehen zu müssen. Fußgänger überfahren, willenlos
auf der Straße Prügeleien anzetteln oder wahllos in die Menge
schießen – das alles ist möglich, verliert sich aber
mit der Zeit in der Banalität des Bösen: Es macht auf Dauer
einfach keinen Spaß und verfolgt kein Ziel, auch wenn das Schrotten
beliebter Nobelkarossen auch nach Stunden noch eine exquisites Vergnügen
bietet, zumal malerische Explosionen einen eindrucksvollen Endpunkt setzten.
Die stets wachen Ordnungshüter sind jedoch allzu krawalligen Auswüchsen
sofort auf der Spur. Das Chaos ist vorprogrammiert, high speed chases
sind an der Tagesordnung. Meist enden diese unsanft an einer Mauer oder
im Knast - doch bist dahin ist man der Regisseur des eigenen 70er Action-Blockbusters.
Danach geht man also wieder zu den Missionen über, die vor grimmigem
Witz und surrealen Momenten nur so strotzen.
GTA IV wirkt noch fieser, zynischer als die vorhergehenden
Teile, die Mafia-Posse zeigt ein Amerika voller psychotischer Egomanen,
die sich alle gegenseitig Auffressen: Homo homini lupus est. Der Kapitalismus
als bester Nährboden für organisiertes Verbrechen: Selbst aus
den Bekanntschaften, die Nico in Liberty City macht, kann er das Maximum
rausholen. Es gilt, Kontakt zu halten, mit den verschiedenen Personen
seines Bekanntenkreises des Öfteren mal eine Runden Billard spielen
zu gehen oder die nächst gelegene Stripbar auf zu suchen –
dann klappt es auch mit der nächsten Waffenlieferung. Kontakte sind
da, um optimiert zu werden, networking sind auch im Untergrund essentiell.
Der dauerkiffende Jamaikaner, der nur mit Untertitel verständlich
wird, und der tölpelige notgeile Cousin sind nur zwei von stereotypischen
Figuren, die in ihrer Überzeichnung kaum noch als real gelten können
und die mit Nico gerne ihre reichliche Freizeit verbingen. Überhaupt
ist der Realismuswahn bei GTA immer wieder vielmehr ein Ausdruck des comichaften,
der Groteske: Blut am Kühlergrill von ein paar überfahrenen
Passaten beim Abholen der Liebsten zum Rendezvous hat Pythonesque Züge.
Es sind diese Überspitzungen und Überschreitungen, welche der
Reihe schon immer einen ganz eigenen Charme verliehen haben. Zudem sind
die popkulturellen Bezügen wieder Legion – ob The Warriors
oder Heat, besonders im cineastischen Bereich ist die schiere Menge an
Referenzen eindrucksvoll und dürfte wieder mit dem Sticker „Achtung
Postermoderne“ bedacht werden. Die Liebe zu den Details ist es aber,
was GTA immer noch von den meisten anderen Spielen gleicher Couleur unterscheidet
und so gibt es überall in der riesigen Stadt immer etwas zu entdecken,
was selbst das sinnloseste Gleiten durch die engen Straßenschluchten
rechtfertigt. Und genau an diesem Punkt steigt das Spiel vom eigenen Leistungsdruck
aus: Stundenlanges Düsen durch die umfangreiche Betonwüste ist
immer noch ein Erlebnis, welches kaum ein Spiel zu bieten vermag –
einfach mal in einem Game Nichtstun, keine Missionsziele absolvieren,
keine Punkte sammeln, nicht den Charakter aufleveln – es ist digitales
Flanieren, virtuelles Bummeln, wie man es höchsten von Animal Crossing
kennt. Die Wahl liegt beim Spieler, wie er seine Zeit im Spiel nutzen
will. An diesem Punkt entschleunigt sich das Spiel selbst. Einfach nur
zusehen, wie die Sonne im Meer versinkt oder wilde Verfolgungsjagden –
GTA IV bietet alles in einem.
GRAND THEFT AUTO IV ist erhältlich für Xbox 360 und PlayStation
3.
http://www.youtube.com/watch?v=UTYMb79BPGc
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