Franziskus

3,5 / 5 Sterne

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Originaltitel: Francesco
Anbieter : Arthaus
Genre: Historienfilm
Produktionsjahr: 1989
Produktionsland: Italien/Deutschland
Kinostart: 16.11.1989
Lauflänge: ca.150 Minuten

Technische Angaben
DVD Bild: 1,85:1
DVD Sprachen/Ton: Deutsch, Italienisch (Mono Dolby Digital)
DVD Untertitel: Deutsch
DVD Extras: Trailer

Mit FRANZISKUS präsentiert Kinowelt in einer Reihe von Wiederauflagen moderner 'übersehener' Klassiker eine Kuriosität der italienische Skandalregisseurin Liliana Cavani. Cavani war zunächst mit engagierten politischen Dokumentationen und Spielfilmen aufgefallen und später durch DER NACHTPORTIER zu Weltruhm gelang. Der heilige Franziskus - Franz von Assisi - beschäftigte sie ihr mehrere Jahrzehnte hindurch. Und wurde zum Fokus zweier sehr unterschiedlicher Spielfilme...

Liliana Cavani wurde am 12. Januar 1936 nahe Modena / Carpi in der Region Emilia geboren. Nach dem Abitur studierte sie zunächst klassische Literatur an der Universität in Bologna, wo sie bereits ihre Filminteressen im dortigen Filmclub kultivieren konnte. Nach ihrer Promotion, dem Doktortitel in Linguisitik, wechselte sie 1960 nach Rom und belegten den Regiekurs der Filmhochschule Centro Sperimentale di Cinematografica. Zwei Kurzfilme waren das fruchtbare Ergebnis ihrer dortigen Arbeit, beide Filme widmeten sich sozialen und interkulturellen Problemen: In IL CONTRO NOTTURNO(1961) beschrieb sie die problematische Freundschaft zwischen einem Weißen und einem Afrikaner, in L'EVENTO (1962) geht es um eine Touristengruppe, die „aus Spaß“ einen jungen Italiener ermordet. Bald gelang es ihr, mit viel Glück (Peter Bondanella sagt: „she won a competition [out of ten thousand candidates]“) einen Arbeitsplatz bei dem italienischen Fernsehsender RAI zu ergattern, wo sie zwischen 1962 und 1965 einige aufsehenerregende Dokumentationen drehte. Mit einigen Dokumentarfilmen, der monumentalen STORIA DEL TERZO REICH (1963), LE DONNE DELLA RESISTENZA (1963) und PHILIPPE PÉTAIN - PROCESSO A VICHY (1965), etablierte sie sich als Spezialistin für das Dritte Reich und den Nationalsozialismus. Als erklärte Marxistin blieb sie diesem Themenbereich lange treu. PHILIPPE PÉTAIN erhielt bei den Filmfestspielen in Venedig 1965 die Goldene Palme als beste Fernsehproduktion. In einen nachhaltigen Konflikt geriet sie aber noch im selben Jahr mit der fernsehinternen Zensur: Ihr vierstündiger Film LA CAS IN ITALIA über Spekulationen auf dem italienischen Wohnungsmarkt schürfte offenbar zu tief in den Fakten. Erstmals wird hier Cavanis radikale Bereitschaft, auch problematische Positionen zu halten, deutlich. Sie ist eine unbequeme Filmemacherin, eine engagierte Querdenkerin. Und statt sich vom Fernsehen verbeamten zu lassen, schlug sie den Weg der Künstlerin ein.

Cavanis erster fiktiver Fernsehfilm, das marxistisch neuinterpretierte Heiligendrama FRANCESCO D'ASSISI (1966), konnte ebenfalls erst nach heftigen Auseinandersetzungen gezeigt werden und läutete einen immer wiederkehrenden Kampf der Regisseurin gegen die Kunstzensur ein. Gemeinsam ist all ihren Werken ein tiefverankertes Mißtrauen in diktatorische staatliche und religiöse Instanzen. „Als Atheistin hatte ich niemals auch nur den geringsten Wunsch, einen Film über das Leben eines Heiligen zu machen, bis ich das Buch eines französischen Protestanten las, der das Leben des heiligen Franz unter humanen und sozialen Aspekten studiert hatte. Zu meiner Überraschung spaltete der Film die Nation in zwei Lager, das ging bis zur empörten Anzeige vor dem Parlament mit der Begründung, ich hätte den meistverehrten Heiligen Italiens verunglimpft. Tatsächlich machte ich einen Film über den ersten Hippie in der Geschichte,“ sagte Liliana Cavani in einem zeitgenössischen Interview. Eine so verwirrende wie radikale Neuinterpretation ausgerechnet dieses Stoffes wagte die Regisseurin 1989 mit der aufwendigen europäischen Koproduktion FFRANZISKUS, der hier von Mickey Rourke, dem Kinorebellen der achtziger Jahre verkörpert wurde. Diesmal schilderte sie den Lebensweg des früheren Ritters und schließlich frustrierten Ordensgründers in zahlreichen Rückblenden aus Sicht ihm nahestehender Personen. Doch an Franzikus‘ Erleuchtung gibt es hier keinen Zweifel: Der Film strebt nach der spirituellen Ebene, die Liliana Cavani bereits 1974 mit dem buddhistischen Lehrstück MILAREPA etabliert hatte.

FRANZISKUS erzählt die zentralen Stationen der Lebensgeschichte des Protagonisten in einem aufwändigen, bunten Bilderbogen. Als verwöhnter Sohn reicher Kaufleute führt Franziskus ein Leben in Luxus. Leid und Elend sind ihm fremd. Das ändert sich, als er die Schrecken des Krieges persönlich miterlebt. In der Kriegsgefangenschaft fällt ihm eine Bibel in die Hände. Geläutert durch die Lektüre entsagt er von da an allen weltlichen Reichtümern und Erbansprüchen, um ein Leben in gottesfürchtiger Armut zu leben. Seine Familie und seine Umwelt reagieren schockiert und ohne Verständnis. Verbittert zieht sich Franziskus in die Wälder zurück und wartet auf ein Zeichen Gottes. Anders als in der politischen Parabel der ersten Version thematisiert Cavani hier deutlich die Stigmata und widmet sich der Heiligengeschichte...

Wie die aktuelle Produktion LUTHER sieht man FRANZISKUS die Ambition an, hohe Produktionswerte aus internationalem Kapital mit einem gefällig-narrativen Zugang zu verbinden. Das garantiert einen äußerst unterhaltsamen Spielfilm, vielleicht etwas merkwürdig besetzt mit dem enfant terrible der 80er: Mickey Rourke - doch aus der Distanz wohnt dieser Entscheidung durchaus eine gewisse Logik inne.

Kinowelt hat keine Bonusmaterialien zu dem Film aufgetrieben, nicht einmal ein Originaltrailer ist in der Trailershow vorhanden. Ein Faktum macht diese Scheibe jedoch kaum verzichtbar für Fans von Cavani, Rourke, Helena Bonham Carter etc.: Erstmals liegt die ungekürzte Fassung dieses Films in Deutschland vor. Damals aus Straffungsgründen gekürzte Sequenzen sind hier untertitelt wieder eingefügt. Man könnte sich eine sorgfältigere Edition vorstellen, aber technisch können Breitwandbild und sorgsam bewahrter Synchronton durchaus überzeugen. Ärgerlich ist allerdings, dass nur ein italienischer Ton vorliegt, Rourke aber englisch gesprochen haben dürfte. Von daher kann man gerade einmal eine Synchro mit der anderen ersetzen...

Marcus Stiglegger