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Flückiger, Barbara
Visual Effects - Filmbilder aus dem Computer
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528 S.
Klappbr., in Farbe
ISBN: 978-3-89472-518-1
Preis: 38,00 €
Die Züricher Filmwissenschaftlerin Barbara Flückiger
hat mit ihrer renommierten Untersuchung "Sound Design" bereits
ein grundlegendes Werk hinterlassen, an das ihre neue Forschungsarbeit
"Visual Effects" hervorragend anschließt. Sie widmet sich
hier nicht etwa - dieser Unterschied muss klar sein - grundsätzlich
den Special Effects im Film, wie das in der Vergangenheit vor allem Rolf
Giesen unternommen hatte, sondern untersucht speziell die Geschichte und
Ästhetik computergenerierter Bilder.
Beginnt die virtuelle Realität bereits mit den frühen
Versuchen eines Internets in den 1970er Jahren, kann man den Einzug des
digitalen Technik in den kommerziellen Spielfilm deutlich benennen: Francis
Ford Coppola verkündete bereits 1979 die digitale Wende im Filmemachen
und simulierte mit größtem technischem Aufwand den Schauplatz
Las Vegas für sein Melodram ONE FROM THE HEART (1982), um seine Thesen
zu belegen. In einem ungewöhnlichen Prozess nahm er all jene Arbeitsschritte
vorweg, die heute üblich sind. Walt Disneys Science-Fiction-Produktion
TRON (1982) bezog sich im selben Jahr als erster auf die Abenteuer in
einer virtuellen Welt und kombinierte Computergrafiken mit realen Filmaufnahmen.
Es folgte der B-Film THE LAST STARFIGHTER (1984) von Nick Castle, in dem
die Raumfahrzeuge digital produziert wurden. Ansonsten wurde vor allem
das Format des Musikvideoclips genutzt, um mit computergenerierten und
-manipulierten Bildern zu experimentieren, etwa in Form des Morphings,
das bruchlose Transformationen verschiedener Körper ineinander bezeichnet.
Die grundlegende Digitalisierung des Kinos setzt jedoch
erst in den 1990er Jahren mit der Digitalisierung des Filmsschnitts endgültig
ein, nachdem computergenerierte Bilder bereits etabliert waren. Es folgte
der digitale Ton und seit der Jahrtausendwende vollzieht sich die Digitalisierung
als ein langsamer, unmerklicher Prozess auch in jenen Bereichen der Filmherstellung,
die man bis dahin fest in den traditioneller Verfahren verankert glaubte:
der Aufnahme und Projektion von Kinofilmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte
sich speziell in Japan bereits seit Jahren ein explizites V-Cinema (Video-Kino)
etabliert, dem die differenzierte Digitalisierung zu steigender Qualität
und Popularität verhalf (ein Umstand, den Flückinger nicht berücksichtigt).
Im westlichen Medienmarkt galt das allenfalls für günstig produzierte
Pornofilme auf dem Heimmedienmarkt (aufwändige Genrevarianten wie
LATEX und SHOCK mit ihren visuellen Effekten wären ohne diese Technik
im Hardcorebereich kaum denkbar).
Die Einführung von High-Definition-Videoformaten in
den letzten Jahren gilt als ein weiterer wesentlicher Schritt in Richtung
eines vollständig digitalisierten Produktionsprozesses. Zugleich
kann man von einer digitalen Wende auch in den Sehgewohnheiten des Publikums
sprechen. Die vermehrte Nutzung digitaler Medien wie Computerspiele und
Internet schuf nicht nur neue Marketingmöglichkeiten für die
Filmvermarktung, sondern auch eine Gewöhnung an die reduzierte Bild-
und Tonqualität der audiovisuellen Angebote im Netz. Auf nutzerorientierten
Plattformen wie Youtube.com oder Myspace-TV lassen sich in allen Sprachen
Fernsehsendungen, Videoclips, Ausschnitte aus Filmen Trailer und natürlich
unzählige Privataufnahmen abrufen – das allerdings in meist
minimaler Auflösung und mit blechernem Ton. Diese reduzierte Qualität
erscheint jedoch nicht nur akzeptable, sondern garantiert zudem Restbestände
des Realen, denn zahlreiche Angebote kann man als primitive Form der filmischen
Dokumentation begreifen, deren Qualität als Zeugnis vorfilmischer
Realität kaum diskutiert wird. Im Gegensatz dazu erscheint die Qualität
von CGI im Kino immer perfekter...
Flückigers umfangreiche und reich farbig illustrierte
Ausführungen widmen sich mit klaren Worten den technischen Hintergründen
der CGI (computergenerierten Bildern) und erklären schließlich
die ästhetischen Konsequenzen dieser 'digitalen Wende' in der Filmproduktion.
Ihr Buch vermittelt so einen verständlichen Einblick in sämtliche
Stadien der Entstehung computergenerierter Szenen: Modellieren, Materialisieren,
Animation, Beleuchtung, Rendern und Compositing. Dabei zieht Barbara Flückiger
eine enorme Menge an Beispielen und Dokumenten heran, ergänzt alles
mit einem umfangreichen Verzeichnis und einem unverzichtbaren Glossar.
Auch ein Filmtitelverzeichnis findet sich - sonst im Schürenverlag
eher unüblich.
"Visual Effects"
ist so mehr noch als das inzwischen bereits leicht veraltete "Sound
Design" (1) ein eindrucksvolles Grundlagenwerk zu einem immer
wichtigeren medialen Phänomen, das einige ältere Publikationen
ersetzt.
Marcus Stiglegger
(1) Dort vermist man z.B. eine Thematisierung der
experimentellen Tonebenen von Filmen aus Frankreich (IRREVERSIBEL, LA
VIE NOUVELLE, INSIDE, HAUTE TENSION usw.).
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