Flesh + Blood
BESTELLEN
Regie Paul Verhoeven
Darsteller Rutger Hauer Jennifer Jason Leigh Tom Burlinson u.a.
Genre Ritter Krieg Erotik
Filmlänge ca. 123 min (Blu-ray 128 min)
Sprachen Deutsch Englisch
Untertitel Deutsch Englisch
Produktion USA Niederlande Spanien 1985
Tonformat Dolby Digital 2.0
Bildformat 2.35:1 (16:9)
FSK ab 18
Extras Audiokommentar mit Regisseur Paul Verhoeven, deutscher Kinotrailer,
englischer Kinotrailer, Bildergalerie
Im Handel ab 30.08.2013
Paul Verhoeven hat in den 1960er-Jahren bereits die
Mantel-und-Degen-Serie FLORIS mit Rutger Hauer gedreht, die im spaßigen
Ton der zeitgenössischen französischen Produktionen des Genres
gehalten war. FLESH + BLOOD sollte hingegen fernab von Idealisierungen
des Gernes ein dreckiger Ritterfilm werden.
Eine Gruppe von Söldnern, die bei einem Feldzug um
ihre Beute – ihren versprochenen Lohn – betrogen werden, rächt
sich an ihrem ehemaligen Feldherren Arnolfini und entführt dessen
zukünftige Schwiegertochter Prinzessin Agnes (Jennifer Jason Leigh).
Rutger Hauer spielt die Rolle des Söldners Martin bereits
mit dem leicht distanzierten ironischen Ton seiner späteren Action-Filme,
doch trotz seiner Überpräsenz ist FLESH& BLOOD ein Ensemble-Film.
Verhoeven entwirft, trotz geringem Budgets und Personals (bei den Massenszenen
fehlt es häufig an Masse) eine breite Skizze des Mittelalters. In
der Darstellung des Sozialkolorits der Zeit nimmt der Film ein Stück
GAME OF THRONES vorweg. Das betrifft nicht allein die Dynamik des plötzlichen
Todes – wie in der HBO-Serie kann sich in FLESH & BLOOD jeder
jederzeit gegen jeden wenden – sondern auch die realistischen Details,
wie ein schwules Pärchen unter den Söldnern, biologische Kriegsführung
oder die vor den wirren Schlachten fliehende Zivilbevölkerung.
Zu den Söldnern gehört auch ein Priester, der,
nachdem die Truppe von Arnolfini betrogen wurde, eine Sankt-Martins-Statue
findet und somit Martin zum Anführer einer neuen Gemeinschaft ernennt,
in der nach dem Vorbild des Heiligen alles gleichberechtigt (jeder darf
die Prinzessin mal vergewaltigen) geteilt werden soll. Im Audiokommentar
erzählt der Regisseur, dass dieser Erzählstrang seinem Interesse
an ähnlichen historischen Begebenheiten entspräche und sein
kommender Film DE STILLE KRACHT / THE HIDDEN FORCE (angekündigt)
eine davon erzählen würde.
Die Inszenierung der urchristlichen Gemeinschaft in FLESH
+ BLOOD zeichnet sich durch Distanz aus, zwar widerspricht niemand dem
beständig staatsphilosophierenden Priester, solange es Beute gibt
machen alle mit, aber es glaubt auch keiner an die Idealgesellschaft,
sondern sorgt sich um sein eigenes Überleben.
Am virtuosesten improvisiert die Prinzessin Agnes ihre Überlebensstrategien.
Sie wird mit einer Szene eingeführt, in der sie sich von ihrer Zofe
den Geschlechtsakt vorführen lässt und diesen, nachdem sie genug
gesehen hat, mit einer Rute abbricht. Sie will für ihre kommende
Verlobung informiert sein. Wenig später dreht sich auch die vielleicht
drastischste Gore-Szene, die zugleich die romantische Klammer des Films
ist, um sie. Agnes sucht unter einem an einem Baum Erhängten nach
einer Alraune-Wurzel, die ihr und ihrem Verlobten ewige Liebe garantieren
soll, wenn sie beide davon kosten. Der von der Wissenschaft Da Vincis
besessene Sohn des Feldherren Arnolfini Steven (Tom Burlinson) erklärt,
dass es für die Entstehung der Wurzel eine rationale Erklärung
gäbe: Der auf die Stelle tropfende Samen der männlichen Leiche
bewirke das Gedeihen der Frucht. Ihre Überzeugungskraft ist größer
und sie essen beide von der Frucht. In der Inszenierung prangt das verweste
Geschlechtsteil ständig im Vordergrund oder im näheren Hintergrund.
Hier zeigt sich die Stärke der Inszenierung: Die Szene funktioniert
trotz der Gore-Elemente ganz natürlich.
Als Agnes von den Söldnern entführt wird und als
urchristliches Allgemeingut von der ganzen Truppe vergewaltigt werden
soll, manipuliert sie geschickt Martin, indem sie ihn sexuell gefügig
macht. Dies führt schließlich auch zum Bruch der Gemeinschaft.
Auf ungewöhnlichen Wegen eilt ihr liebesverzauberter Prinz zu Hilfe.
Es ist ein spielbergesker Moment, wenn der junge Arnolfini mit einer von
Da Vinci entworfenen Belagerungsmaschine anrückt, um seine Prinzessin
zu befreien. Diese ist bis zum letzten Moment bemüht, ihre eigene
Haut zu retten und unterstützt abwechselnd ihn und Martin im finalen
Konflikt. Je nachdem wer von beiden den Sieg davonträgt, wird sie
danach weiterhin vor dem Rest dieser Welt beschützen.
Der Film ist ganz klar eine Bewerbungsmappe für
Hollywood, allerdings für ein Hollywood, dass Verhoeven erst mit
entwerfen muss. Der Film ist vollkommen überladen, enthält für
einen kommerziellen Erfolg zur damaligen Zeit zu viele Sex- und Gewaltszenen
und weist einige logische Fehler auf (die allerdings eher Verhoevens geschultem
Blick im Audiokommentar auffallen). Dass er trotzdem funktioniert, macht
ihn zu mehr als einem interessanten filmhistorischen Dokument. So weiß
man bei der Alraune-Sequenz nicht genau, ob man sie jemals wieder sehen
oder sie sich nicht vielleicht doch direkt noch einmal anschauen will.
MG
|