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Alex Fergusson
The Castle
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(Eislicht 2006) CD
Nicht weniger als das vielleicht interessanteste,
innovativste und inspirierendste (Neo-)Folk-Album seit Current 93’s
ALL THE PRETTY LITTLE HORSES: THEINMOSTLIGHT (Durtro, 1996) präsentiert
Alex Fergusson mit seiner dritten Solo-Langspielplatte THE CASTLE. Dass
Fergusson ein begnadeter Songwriter ist, weiß man bereits aus seinen
Tagen bei der Industrial-Legende PSYCHIC TV, für welche er in den
1980er Jahren auf FORCE THE HAND OF CHANCE (Some Bizarre, 1982) respektive
DREAMS LESS SWEET (Thirsty Ear, 1983) die memorabelsten Stücke schrieb
und mit der Brian Jones-Hommage „Godstar“ auf ALLEGORY AND
SELF (Revolver, 1988) schließlich einen der hymnischsten Popsongs
des klassischen Goth-Rock überhaupt aufnahm.
THE CASTLE präsentiert sich äußerst abwechslungsreich,
ist mit Akustik-Gitarre, E-Gitarre, Schlagzeug, Keyboards sowie Violine
gemessen an Genrestandards ungemein unkonventionell instrumentiert und
erinnert letztlich nicht ganz so sehr an den apokalyptischen Dark-Folk
um die umstrittenen Nachfolgebands der Punkformation Crisis als an die
Größen des psychedelischen Folk-Rock der 1960er Jahre: Love,
The Byrds oder Buffalo Springfield. Auch The Velvet Underground schimmern
immer wieder als Referenz auf, wenn Fergusson auf „Ways of Pleasure“
und „Hope“ etwa fast eins zu eins wie Lou Reed klingt, während
sein Gitarrenspiel deutlich Sterling Morrison zitiert. Und der treibende
Blues-Rock-Song „Dark Angel“ schließlich evoziert gar
unweigerlich Reminiszenzen an die Proto-Biker-Hard-Rocker Steppenwolf
und ihr LSD-inspiriertes zweites Album THE SECOND (MCA, 1968). Neben diesen
rauen, partiell mit übersteuertem Gitarrenverzerrer eingespielten
Songs finden sich mit „Bar Noir“, „Solitude“ oder
„Twilight“ aber auch viele melancholisch gezupfte Stücke,
deren düstere Melodien dann doch wieder unweigerlich an die World
Serpent Familie gemahnen lassen. Auf „Let the Sorrow Go“ hört
man darüber hinaus einmal mehr die einzigartige Stimme von Rose McDowall
(u. a. Strawberry Switchblade, Di6) erklingen, welche den Hörer mit
einer bittersüßen Ballade entlässt, die man sofort mitzusingen
zu können glaubt.
THE CASTLE – ein durchweg großartiges Album,
welches den vieldiskutierten "Kryptofaschismus" mancher Apocalyptic-Folk-Bands
ebenso souverän umschifft wie die völlige Belanglosigkeit der
populären Antifolk-Szene, um einen eigenständigen und unangestrengten
Back-to-the-Roots-Weg zu beschreiten, auf dem man Alex Fergusson immer
wieder gerne folgen möchte. Folk music is dead - long live folk music…
Ivo Ritzer
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