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Die Farben der Nacht
(Orig.: Tutti I Colori Del Buio, Italien 1972)
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X-Rated
The X-Rated Eurocult Collection #22
Format: Blu-ray, DVD
Regie: Sergio Martino
Darsteller: Edwige Fenech, George Hilton, Ivan Rassimov, George Rigaud,
Susan Scott
Bildformat: 2,35:1
Tonformat: Deutsch, Italienisch
Untertitel: Deutsch
Laufzeit Blu-ray: 91 Minuten (+Extras)
Extras: Audiokommentar von Marcus Stiglegger, Interview mit Serigo Martino,
Trailer, Spots, Musikstück von Bruno Nicolai, Fotoroman, Booklet
sowie Text/Bild-Präsentation von tenebrarum (M. Beine)
Wie für einen italienischen Genre-Film durchaus
nicht unüblich, ist die Filmhandlung auch im Falle von Sergio Martinos
Frühwerk „Die Farben der Nacht“ (1972) schnell erzählt:
Die junge und attraktive Jane Harrison, deren fragile Persönlichkeit
wunderbar von Edwige Fenech in Szene gesetzt wird, lebt mit ihrem Partner
Richard, einem stoischen Pharmazievertreter, gespielt von George Hilton,
in einer eleganten Wohnung im London der 1970er Jahre.
Das junge Glück wird jedoch von Schatten aus der Vergangenheit
heimgesucht: Nicht nur, dass Jane als Kind mit der Ermordung ihrer Mutter
konfrontiert wurde, nach einem Autounfall bei dem Richard den Wagen in
einen Baum gesteuert hatte, erlitt die junge Frau außerdem eine
Fehlgeburt. Vor allem auf Jane scheinen diese Erfahrungen eine traumatische
Wirkung auszuüben. Während Richard seine Trauer hinter einer
undurchsichtigen und unterkühlten Maske auf Distanz zu halten versucht,
brechen sich Janes unbewältigte, innere Konflikte immer wieder in
verstörenden und surrealen Träumen Bahn und versagen ihr ein
normales und unbeschwertes Leben. Pragmatisch versucht Richard diese Angstzustände,
die Janes Unterbewusstsein nicht mehr nur bei Nacht heimsuchen, sondern
auch als Psychosen und Tagträume in den Alltag des Paars eindringen,
durch Vitaminpräparate zu kurieren, und mimt dabei den schulmedizin-gläubigen
Amateurtherapeuten. Als sich Janes Zustand nicht bessert und ihre Alpträume
die Grenze zwischen Schlaf und Wachzustand zu verwischen beginnen und
zu einer immer realeren Bedrohung anwachsen, sucht sie zunächst Hilfe
bei dem Psychiater Dr. Burton, bei dem ihre Schwester Barbara als Vorzimmerdame
arbeit. Später gerät sie schließlich in die Fänge
eines satanistischen Zirkels, der sie durch para-religiöse Rituale
von ihren Leiden zu befreien verspricht. Dieses Versprechen hat jedoch
seinen Preis.
Nach dem nur ein Jahr zuvor veröffentlichten Film „Der
Killer von Wien“ (Orig.: Lo strano vizio della Signora Wardh; Italien
1971), dem bis heute als vielgefeiertem Meisterwerk des italienischen
Genre-Kinos ein Platz in der Filmgeschichte gebührt, setzte Regisseur
Sergio Martino mit „Die Farben der Nacht“ Kontinuität.
Sowohl Edwige Fenech als auch George Hilton und Ivan Rassimov, der als
undurchsichtiger Giallo-Killer durch Janes Wachträume geistert, wurden
in beiden Filmen besetzt und bilden die Eckpunkt, zwischen den sich die
Handlung entspinnt. Ein anderes Koordinatensystem des Films bilden die
Pole Pharmazie, Psychoanalyse und Esoterik, zwischen deren Heilsversprechen
Jane hin und hergerissen wird. Das Abgleiten in den Strudel aus verdrängten
Erinnerungen, Angstzuständen, marternden Alpträumen und psychotischen
Momenten inszeniert Martino in surrealen und effektvoll verfremdeten Traumsequenzen,
deren Settings teils entfernt an die Bühnengestaltungen des absurden
Theaters erinnern. Diese Abwärtsspirale in die Abgründe von
Janes Psyche wird hierbei durch experimentell-psychedelische Kamera- und
Schnitttechniken unterstützt und zieht auch den Zuschauer immer mehr
in seinen Bann. Bald ist nicht mehr klar, was geträumt und was real
ist, wo Einbildung beginnt und wo die Wirklichkeit endet.
Die ins experimentell-atonal gleitende Filmmusik von Italo-Western
Ikone Bruno Nicolai trägt ihren Teil zu dieser Atmosphäre bei,
bricht jedoch in einem entscheidenden Moment mit dieser Stimmung, als
sie die satanische Messe mit der prototypischen 60s-Spagetti-Western Nummer
„Sabba“ kontrastiert. Ob diese stilistische Hybridisierung
als ein kritischer Kommentar auf die Verwandtschaft von Satanismus und
Popkultur zu verstehen ist, die in dem Aufeinandertreffen von Charles
Manson mit den Beach Boys ihre absurde Kimax fand, bleibt spekulativ.
In jedem Fall wirkt die Szene durch diesen musikalischen Kontrapunkt weniger
bedrohlich, als dies die Bildsprache eigentlich zulassen würde, wie
auch Marcus Stiglegger in seinem kundigen und analytischen Audiokommentar
betont. Satanismus erscheint bereits hier – 1972 – nicht mehr
als eine echte spiritistische Bedrohung, sondern lediglich als der passende
Vorwand einer vom Alltag gelangweilten und nach sexuellen Ausschweifungen
suchenden bürgerlichen Elite. Zu dieser Lesart passt schließlich
auch die Auflösung des Films, die den 'Zauber’ der Gruppe nicht
auf esoterische, sondern sehr profane Motive zurückführt. Wie
so oft geht es auch hier ums Geld...
„Die Farben der Nacht“ ist ein spannend
und unterhaltsam inszenierter Film im bunten Kosmos des italienischen
Genre-Universums. Die hier zu besprechende Edition von X-Rated präsentiert
diesen Klassiker im deutschsprachigen nun zum ersten Mal auf Blu-ray und
legt eine solide Veröffentlichung vor. Zusätzlich zur Blu-ray
Disk enthält das Mediabook außerdem die entsprechende DVD-Fassung
des Films sowie ein umfangreiches – wenn auch vielleicht etwas zu
ausführliches – Booklet von M. Beine. Zu dem bereits erwähnten
Audiokommentar von Marcus Stiglegger kommen als Extras ein Interview mit
Regisseur Sergio Martino, Trailer, Spots, ein zeitgenössischer Foto-Roman
des Films, eine Text-Präsentation von tenebrarum sowie Bruno Nicolais
Musikstück „Sabba“ als separat anwählbarer Titel,
gewissermaßen zu Einstimmung. Dazu dann wahlweise Campari, oder
eben ganz stilecht: J&B on the Rocks und es kann losgehen...
Patrick Kilian
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