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Europa Aeterna

(Heimdallr compilation) 12 “ LP 9 Tracks

”Europa” ist ein Schlüsselbegriff in der gegenwärtigen Folk- und Post-Industrialszene, die sich selbst gerne in einem konstruktiven (also nichtausschließenden) Sinne als ‘eurozentrisch’ betrachtet. Insofern verwundert es nicht, dass die Schweizer Genre-Webpage Heimdallr ihre Vinyl-Compilation „Europa Aeterna“ widmet. Würde man jedoch einen der beteiligten Künstler um eine klare Definition dessen bitten, was „Europa“ hier eigentlich sein soll, käme man wohl auf eine ähnliche Diskussion, wie sie unter den intellektuellen des 19. Jahrhunderts bereits geführt worden war: Europa scheint synonym für die Utopie eines kulturellen Gefüges zu sein, das sich von Spanien bis nach Russland hinein erstreckt. Da sich hier jedoch relativ wenig tatsächliche Zusammenhänge finden lassen, wird nicht selten auch die Idee des 'Heiligen Römischen Reiches’ oder anderer Vereinigungsversuche – friedlich oder kriegerisch – herbeizitiert. Das „ewige Europa“ bleibt also ein eher vager, spiritueller Begriff, der in etwa mit Georges „heimlichem Deutschland“ korrespondiert und eher die Sehnsucht nach kultureller Identität und Zusammengehörigkeit formuliert. In der Beifügung „ewig“ liegt schließlich bereits der „Mythos Europa“, das Überzeitliche verborgen.

Auf neun weitgehend exklusiven Stücken widmen sich auf dieser stilvoll gestalteten LP nun ebenso viele Musikerinnen und Musiker einer Formulierung dieses mythischen Bildes. Die Briten While Angels nennen “Utopia” bereits beim Namen. In komplexem Arrangement wird ein mehrstrophiger Folksong geboten, den die markante Stimme des Sängers deutlich prägt – gleich einer der Höhepunkt zu Beginn. Es folgt das ebenfalls britische Projekt Lady Morphia, das sich an einer deutsch-englischen Text-Kombination versucht und deutlich auf die Idee eines 'inneren, geheimen Zusammenhaltes’ Bezug nimmt. Dieses Stück erscheint weit optimistischer und kämpferischer vom Timbre…

Es folgen drei deutsche Spezialisten melancholischer Folkmusik: Dies Natalis, Darkwood und Sonne Hagal, die allesamt in tragischen Balladen das Thema angehen. Dies Natalis warten mit einem weiblichen Co-Gesang auf, während Darkwood an die bislang gelegten Spuren anschließen und in 'Torn Nation’ die destruktiven Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges, die bis heute spürbar sind, beklagen. Neben While Angels Watch ein zweiter Höhepunkt der LP. Aber auch Sonne Hagals düsterer Song , der direkt den Titel zitiert, kann sich hören lassen.

Mit Camerata Sforzesca liegt der erste Track vor, der nicht extra für dieses Konzept komponiert wurde, doch diese Liveversion entstammt einem exklusiven Konzert, in dem die Mitglieder von Camerata Mediolanense durch einen Chorus von fünf Opernsängern unterstützt wurden (Modena, December 2004). Fällt dieses neoklassische Stück durch seinen mediterranen Pathos auf, schließt die griechische Band Decadence mit einer Rezitativ-Ballade an, die leider nicht die Intensität der vorangehend Lieder erreicht. Wie bereits auf der aktuellen CMI-CD dominiert hier eine weinerliche Männerstimme in schlechtem Englisch zu eingängigen – wenn auch unspezifischen – Klavier- und Gitarrenklängen. Karnnos dagegen bieten eher düster-ambiente Klänge mit Sprache, die eine gute Überleitung zum assioziativen Instrumental der russischen Formation Reutoff bildet, die hier erstaunlich strukturiert und wenig ambient daherkommen.

Insgesamt bietet „Europa Aeterna“ dem Hörer eine ausgewogene Zusammenstellung aktueller Balladen und Neoklassikkompositionen, die ihre Hoch- und Tiefpunkte haben, jedoch erfreulich nah am Thema bleiben. Formal und inhaltlich eine gelungenes Werk, das in den genannten Genres auf Interesse stoßen wird.

Maria Nicoli