Ein Kind zu töten

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Anbieter: Bildstörung
Originaltitel: ¿QUIEN PUEDE MATAR A UN NIÑO? a.k.a. Who can kill a Child? / Tödliche Befehle aus dem All
Produktionsland / Jahr: Spanien 1976
Regie: Narciso Ibáñez Serrador
Darsteller: Lewis Fiander, Prunella Ransome
Bonus: Interview mit dem Regisseur, Interview mit dem Kameramann, Booklet mit Linernotes, Bonus-CD mit dem Soundtrack

Nach einem ebenso exzentrischen wie löblichen Auftakt legt das neue Label Bildstörung nun eine echte vergessene Perle des europäischen Kinos vor: Nach 24 Jahren Indizierung ist Narciso Ibáñez Serradors bizarre Anti-Utopie EIN KIND ZU TÖTEN erstmals ungekürzt in Deutschland zu sehen. Zuvor war der Film ummontiert zum Science-Fiction-Heuler als TÖDLICHE BEFEHLE AUS DEM ALL auf Video zu sehen. Dabei entsteht der wahre Horror dieses beklemmenden Thrillers gerade aus dem Fehlen einer rationalen Erklärung - warum die Kinder sämliche Erwachsenen ausrotten...

Der sonnenübeflutete Film spielt in einem kleinen spanischen Küstenstädtchen. Aus dem Reisebus steigen die britschen Touristen Tom und seine hochschwangere Frau Evelyn, die vor der Geburt ihres Kindes noch ein paar ruhige Tage am Meer verbringen wollen. Eigentliches Ziel ihrer Reise ist die abgelegene Insel Almanzora, wo sie sich entspannen wollen.

Als das Paar im kleinen Hafen anlegt, wird es von einer Gruppe spielender Kinder empfangen. Alles scheint ruhig und friedlich. Vielleicht zu ruhig. Als sie durch die Gassen des kleinen Dörfchens schlendern, ist kein Erwachsener zu sehen. Noch auf der Suche nach Erklärungen wird Tom Zeuge eines brutalen Totschlags: ein kleines Mädchen prügelt auf einen alten Mann mit seiner eigenen Krücke ein. Tom bringt den Leichnam in einen Stall, doch bald haben sich die Kinder zum Spiel versammelt. Mit einer Sense traktieren sie den Körper... Für Tom und Evelyn bleibt nur die Flucht.

EIN KIND ZU TÖTEN - einer der großen vergessenen Klassiker der wilden Siebziger. Ein aufwühlender und brutaler Film, von glasklaren Bildkomposotionen und experimenteller Musik. Neben DAS DORF DER VERDAMMTEN die Keimzelle aller Angstphantasien um mörderische Kinder. Das der DVD beiliegende Booklet gibt einen gelungenen Überblick über dieses Phänomen der niedlichen Monstren. Jacques Derays DER UNHEIMLICHE FREMDE wäre wohl noch zu nennen (hier ist Alain Delon das Opfer). Regisseur Serrador betont im Interview, dass er gerade jene Klischees des düsteren Gothic-Horrors vermeiden wollte. Er reiht sich ein neben Tobe Hoopers TCM und Peter Weirs PICKNICK AM VALENTINSTAG, die beide ihr Grauen aus dem grellen Mittagslicht entwickeln.

Die DVD von EIN KIND ZU TÖTEN bietet den Film in hervorragender Bildqualität: scharf, rauschfrei und kontrastreich. Die Tonspuren weisen alle ihre Flickstellen auf, doch das stört den Film nie, zumal man endlich den historischen Prolog sehen kann, der die Kinder als ultimative Opfer des Krieges beschreibt und so ein vages Motiv für die Revolte liefert. Interviews mit dem Regisseur und dem Kameramann bieten interessante Einblicke in das ausgeprägte künstlerische Selbstverständnis, das noch einmal betont, wie missverstanden der Film in Deutschland bislang war. Aufregendster Bonus ist eine CD mit der Filmmusik, die bis auf wenige eher konventionelle Seventies-Pop-Ausflüge eine experimentelle Musik zwischen Bernard Herrmann und Béla Bartok enthält. Mit dem umfangreichen und sehr kundig geschriebenen Booklet wird diese DVD zum absoluten Glanzstück und dürfte weltweit Referenzklasse sein.

Schon im Februar eine der wichtigsten DVDs des Jahres. Und IM GLASKÄFIG ist noch nicht einmal erschienen.

Marcus Stiglegger