Die Kröte
Label: Media Target
Laufzeit: 96 Min.
Produktionsjahr: 1978
Produktionsland: Italien
Regie: Umberto Lenzi
Bildformat: 2.35:1 (16:9 anamorph)
Ton: Deutsch, Italienisch (DD 1.0)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Extras:
Booklet „Die Spur der Kröte“ von
Dr. Marcus Stiglegger und Dr. Ivo Ritzer
"A Conversation with Franco Micalizzi - Teil
2"
Englischer Originaltrailer
Trailershow
Regisseur Umberto Lenzi ist vielen Zuschauern heute
vor allem durch seine exploitativen Werke „Mondo Cannibale“
und „Cannibal Ferox“ ein Begriff. Auch sein in Deutschland
als Zombiebeitrag deklarierter Film „Incubo sulla città contaminata“
(dt. „Großangriff der Zombies“) ist einem Teil des jüngeren
Publikums vor allem durch den Namen des Hauptdarstellers Hugo Stiglitz
– Quentin Tarantino entlehnte ihn für seine Naziploitation-Satire
„Inglourious Basterds“ – inzwischen wieder ein Begriff.
Zu den unbekannteren Titeln Lenzis gehört sein Gangsterfilm „La
banda del gobbo“ (dt. „Die Kröte“), der hier in
einer neuen Veröffentlichung durch Media Target auf DVD vorliegt.
Ohne weitere Überlegungen, so scheint es, lehnte sich
der deutsche Verleih von „Die Kröte“ bei der Titelsuche
an Lenzis ein Jahr zuvor entstandenen Polizeifilm-Klassiker „Roma
a mano armata“ an, der bei uns als „Die Viper“ erschienen
ist. Die auffälligste Parallele zwischen diesen beiden Werken ist
das Mitwirken der Genrefilm-Ikone Tomas Milian, der in „Die Kröte“
in einer Doppelrolle, als ein Zwillingspaar, zu sehen ist. Sowohl in „Die
Viper“ als auch in „Die Kröte“ verkörpert
er einen physisch behinderten Kriminellen, der zum Mittelpunkt des Filmgeschehens
wird. Weitere konkrete Bezugspersonen für das Publikum, wie es noch
in „Die Viper“ durch Lenzi-Rountinier Maurizio Merli der Fall
gewesen war, gibt es in „Die Kröte“ nicht. Auf Milians
Verkörperung des 'Buckligen' liegt der Fokus des Films und auch das
Interesse des Zuschauers. Ein Faszinosum, das jedoch auch nicht verschwiegen
werden sollte, ist die Wahl der extrem ausdrucksstarken, beinahe hyperrealistischen
Perücken, die Milian in beiden Rollen zur Schau stellt, und die den
teils skurrilen Charakter der Figuren unterstreichen.
Vincenzo Marazzi, der von allen nur der Bucklige genannt
wird, plant einen Überfall auf einen Geldtransporter. Bei der Aktion
wird er jedoch von seinen Komplizen verraten: Sie schießen auf ihn
und flüchten vom Tatort. Doch Vincenzo überlebt und startet
einen Rachefeldzug gegen seine ehemaligen Kollegen. Zur Seite steht ihm
dabei sein Zwillingsbruder Monnezza...
„Die Kröte“ ist ein italienischer Polizeifilm.
Neben den Gialli gehörten die Polizieschi zu den erfolgreichsten
nationalen Genre-Produktionen der siebziger Jahre. Anders als die Gialli,
in deren Zentrum meist eine Privatperson steht, stellten die Polizieschi
die investigative Arbeit der Polizei in den Vordergrund. Wie der Essay
von Ivo Ritzer und Marcus Stiglegger, der dieser Veröffentlichung
beiliegt, herausstellt, ist besonders Darsteller Maurizio Merli mit diesem
Genre-Phänomen verknüpft. Seine Figuren gehören inzwischen
zu den Prototypen des italienischen Film-Kommissars. Leider wird Merli
in „Die Kröte“ vermisst, wodurch sich aber der Doppelauftritt
Tomas Milians besonders gewinnbringend etablieren kann.
Insgesamt ist „Die Kröte“ eher als ungewöhnlicher
Vertreter seiner Art zu betrachten, da sich der Film weitaus mehr für
die Entwicklung des Täters als für die Exekutive des Gesetzes
interessiert. Dennoch bietet er viele typische Insignien dieses in Fan-Kreisen
noch immer sehr populären Filone.
Neben dem bereits erwähnten Booklet, dessen enthaltener
Essay einen informativen Bogen vom amerikanischen Cop-Film über die
italienischen Rip-Offs bis hin zu Lenzis „Die Kröte“
zieht, ist es vor allem der Film selbst, der einen Kauf in jedem Fall
rechtfertigt. Trotz einiger mitunter enervierender Zoten (diese sind aber
z.T. auch der deutschen Synchronisation geschuldet) ist „Die Kröte“
ein spannender Beitrag eines europäischen Genrefilm-Phänomens,
dessen Beitrage unbedingt eine Wiederentdeckung wert sind und, so bleibt
zu hoffen, nun peu à peu dem hungrigen Italo-Fan zugänglich
gemacht werden. Schöne Veröffentlichung des Umberto Lenzi-Klassikers.
Zuschauer, die bislang nur Lenzis Kannibalen-Filme kennen, sollten zugreifen
und staunen.
Kai Naumann
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